"Ich denke nicht im Traum daran", meinte John und Tammy grinste ihn an. Es war der zweite Tag des Elitetreffens und die beiden standen auf dem Übungsplatz der Gilde. Eigentlich wollte John der Kriegerin nur zusehen, doch dann hatte sie plötzlich vorgeschlagen, einen Trainingskampf zu veranstalten. "Ihr habt doch nur Angst, dass Ihr verliert", neckte sie ihn und John stützte sich gelangweilt auf seinen Stab. "Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mehr Angst, dass ich Euch verletze", murmelte er. "Da hat aber jemand eine hohe Meinung von sich selbst. Kommt schon, dann beweist mir, dass Ihr dazu imstande seid." John seufzte und stellte sich kampfbereit hin. "Na schön. Dann fangt an", meinte er und sie sah ihn überrascht an. "W-wollt Ihr nicht vorher noch ein paar Schutzzauber wirken?", fragte sie ihn und er schüttelte den Kopf. "Wozu?" "Euch ist bewusst, dass ich das zweitstärkste Mitglied der gesamten Abenteurergilde bin, oder?" John grinste. "Wohl eher das drittstärkste", meinte er und sie zog ihr Schwert. "Na schön, aber wenn Ihr sterbt, dann kommt nicht zu mir und beschwert Euch." "Klingt gut, ich stimme zu."
So stellten sich beide Kontrahenten in Kampfposition. Tammy sah den Jungen aufmerksam an. John hingegen wirkte, als würde er das Ganze nicht wirklich ernst nehmen. Na warte. Diesem Angeber würde sie die Leviten schon lesen. "Max-Speed!", rief sie und beschleunigte auf hohe Geschwindigkeit. Sie raste auf John zu, der bloß dastand und sich keinen Millimeter bewegte. "Gottesklinge!", rief sie und ließ ihr Schwert, welches blau aufleuchtete, auf ihn niedergehen. Eine Staubwolke fegte über den Platz und als sie sich wieder legte erkannte Tammy etwas, das sie nicht glauben konnte, obwohl sie es mit eigenen Augen vor sich sah. John hatte ihre Klinge aufgehalten. Aber nicht mit seinem Stab, sondern mit zwei Fingern. Kurz bevor die Klinge seinen Hals erreicht hatte, hatte er sie genommen und festgehalten, so dass sie nicht weiterkonnte. "W-was um alles in der Welt? Max-Speed und Gottesklinge gemeinsam sind schneller, als jedes lebende Wesen", stotterte Tammy fassungslos. "Wenn das gerade wirklich Eure höchste Geschwindigkeit war, dann bin ich etwas enttäuscht", meinte John. Urplötzlich ließ er seinen Stab fallen und benutzte die freigewordene Hand, um Tammys Schwertarm zu greifen. Mit einem geschickten Drücken auf die richtigen Muskeln bewirkte er, dass sie das Schwert losließ. Auch John ließ das Schwert nun los und es fiel zu Boden. Die Hand, die gerade noch das Schwert aufgehalten hatte, kam wie in Zeitlupe auf Tammy zu und berührte sie schließlich an der Hüfte. Ein stechender Schmerz ging von dem Punkt aus, an dem Johns Hand aufgekommen war und Tammy ging in die Knie. Blitzschnell wirbelte John herum, fing Tammys Schwert auf, bevor es auf den Boden fiel und hielt es ihr an die Kehle.
"Sieh mal einer an. Es scheint so, als würde ich doch kein Angeber sein", meinte er und senkte das Schwert wieder. Dann half er ihr auf die Füße. "Ich habe Euch gerade besiegt, ohne überhaupt Magie einsetzen zu müssen. Was sagt Euch das?" "Ich bin wohl doch nicht so stark, wie ich dachte", antwortete sie. "Falsch", meinte John und sie sah ihn fragend an. "Ihr seid ohne Zweifel sehr stark. Aber Stärke allein reicht nicht aus. Ihr habt mich unterschätzt und das wurde Euch zum Verhängnis." Er warf ihr das Schwert zu, welches sie auffing. Dann trat er zu ihr und half ihr, die richtige Kampfposition zu finden. "Ihr habt mich angegriffen, wie einen ganz normalen Feind. Aber erstens bin ich ein Magier und zweitens solltet Ihr eigentlich aus unseren früheren Begegnungen gelernt haben, dass ich sowieso alles andere als ein normaler Feind bin", meinte er und sie nickte. "Zuallererst solltet Ihr annehmen, dass sich ein Magier schneller bewegen kann. Magier haben einen natürlichen Skill, welcher ihre Geschwindigkeit und Reaktionsfähigkeit erhöht. Ihr wisst, dass ich Level vierzig bin. Mein Skill ist daher auf seinem Maximum und dementsprechend auch schneller, als Ihr es jemals sein werdet. Hättet Ihr das bedacht, hättet Ihr eine andere Attacke wählen und vielleicht einen Treffer landen können." Tammy stellte sich wieder normal hin. "Ich kapier es ja. Ich war zu voreilig", schnaubte sie und John grinste. "Ich brauche mir jetzt nicht Eure Besserwisserei anzuhören." John streckte seine Hand aus und sein Stab erhob sich vom Boden und sprang in eben jene zurück. "Die Wahrheit tut weh, nicht wahr?", fragte er scheinheilig, dann machte er sich auf den Weg zurück zum Versammlungsraum. Tammy blieb alleine zurück. Er war zu stark. Das war keine normale Stärke mehr, das war unmenschlich. Ihre Augen weiteten sich. War er überhaupt ein Mensch? Nach allem, was ihm bisher passiert war, fiel es ihr immer schwerer, das zu glauben. Er konnte kein Mensch sein. Kein Mensch hat so viel Glück, dass er einen Troll, einen Drachen, eine Schlacht zwischen zwei Ländern und eine Schar Zweiglinge überlebte. Kein Mensch war so schnell und stark, dass er ein Schwert, das sich mit den Skills Max-Speed und Götterklinge bewegte, mit zwei Fingern aufhalten konnte. Sie blickte dem Jungen nach, der gerade durch das große Tor des Gildenhauptquartieres ging. Gerade als er im Inneren des Gebäudes verschwand flatterte sein Umhang noch einmal im Wind und das Auge, welches darauf abgebildet war, leuchtete ihr entgegen. Und dann erkannte sie es plötzlich. Sie kannte dieses Auge. Wie hatte sie das nur bisher immer übersehen können? John war in der Tat nicht menschlich. Ungläubig blickte sie auf das sich schließende Tor. "John…du bist Omnix?"
John und Tammy waren auf dem Weg zurück zu dem Dorf, in dem Marilyn und Ben zurückgeblieben waren. Die junge Kriegerin warf dem Magier immer wieder nervöse Blicke zu. Sie konnte immer noch nicht so recht glauben, dass gerade der alte Gott vor ihr herging. Sie war so sehr in Gedanken versunken, dass sie erst bemerkte, dass John angehalten hatte, als es zu spät war. "Oh Verzeihung", entschuldigte sie sich hastig. John sah sie nicht an. Er blickte nur in die Ferne und seufzte. "Ihr habt es also herausgefunden", meinte er und sie zuckte überrascht zusammen. Noch während sich der Junge umdrehte verwandelte er sich in das blau leuchtende Wesen, welches Tammy damals schon in dem Dorf gesehen hatte. "Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht gut." Ängstlich sah sie ihn an und legte ihre Hand instinktiv an ihr Schwert. "Lass das lieber Mensch, es würde nicht gut für dich enden", ertönte eine Stimme und Tammy erkannte, dass hinter den Bäumen am Wegesrand vier Erzengel hervorgekommen waren, die sie mit gezückten goldenen Langäxten umstellten. "Woher wusstet Ihr, dass ich es herausgefunden habe?", fragte sie. "Ich habe es in dem Moment gespürt, als Ihr mich so komisch angesehen habt, als ich nach unserem Kampf zurück nach drinnen gegangen bin", antwortete er ihr. Zwei weitere Gestalten kamen hinter den Bäumen hervor. Es waren Ben und Marilyn, wobei der Junge von dem Mädchen im Fesselgriff gehalten wurde. "Ben!", rief Tammy entsetzt. "Bitte lasst ihn gehen!" Omnix musterte sie nachdenklich. "Das kommt auf Eure nächste Entscheidung an", meinte er schließlich. Die junge Frau sah Marilyn hilfesuchend an, doch der Blick des Mädchens war so kalt wie Eis. "W-was wollt Ihr?", fragte sie zitternd. Omnix sah sie mit einem Blick an, der einen Feuerdrachen einfrieren hätte können. Er hob seine Hand und Tammy kniff die Augen zusammen, wobei sie sich auf das Schlimmste gefasst machte. "Marilyn, lass ihn gehen." "Wie ihr wünscht Lord Omnix“, antwortete das Mädchen und ließ augenblicklich von Ben ab. "Euer Gesicht ist unbezahlbar. Bitte verzeiht dieses kleine Spektakel, ich konnte nicht anders, als euch beiden etwas Angst einzujagen", entschuldigte er sich und auch Marilyn grinste. Die Erzengel ließen ihre Äxte sinken und schmunzelten ebenfalls. "Heißt das…heißt das, dass das alles hier nur ein Streich war?!", rief Tammy sauer und sprang auf. Ihr Gegenüber lachte. "Eure Reaktion war wirklich sehr amüsant", meinte er und die junge Frau atmete erleichtert durch. Das war immer noch John, der da vor ihr stand. "Ihr wolltet, dass ich es herausfinde, oder?", fragte sie und Omnix nickte. "Ich hätte mich leicht gegen Euch wehren können, ohne so viel Kraft zu zeigen. Aber ich dachte, dass die Zeit reif sein würde, um es Euch zu erzählen. Würdet ihr uns nach Skyfortress begleiten?", fragte er nun und die beiden Menschen sahen ihn mit großen Augen an. "Nach Skyfortress?", hauchte Ben ungläubig. "Die legendäre fliegende Insel", flüsterte Tammy. "Eine Insel voller Erzengel. Mein Traum wird wahr!", rief die Kriegerin begeistert. Schnell beruhigte sie sich wieder. "Wäre das wirklich in Ordnung?", fragte sie. "Ich vertraue euch beiden", antwortete Omnix. Die beiden knieten vor ihm nieder. "Es wäre uns eine Ehre, wenn wir Euch begleiten dürften." Omnix nickte. "Dann ist es beschlossen! Lasst uns aufbrechen!"