Die Armee sammelte sich auf der großen Ebene. Der Kaiser saß auf seinem weißen Pferd und beobachtete, wie die feindliche Armee sich ebenfalls aufstellte. Einer seiner Generäle kam zu ihm geritten und brachte sein Pferd schließlich neben ihm zum Stehen. "Majestät, wir sind ihnen auch dieses Mal zahlenmäßig weit überlegen", berichtete er und der Kaiser nickte. "Das heißt nicht, dass wir gewinnen werden", meinte er. Die Reihen der Gegner spalteten sich und gaben einen Gang frei, durch welchen eine Gruppe Erzengel kam, welche sich links und rechts aufstellte und Fahnenstangen in die Luft hielten. Es waren blaue Fahnen mit einem einzelnen Auge darauf. "Das sind keine Fahnen des östlichen Königreiches und auch nicht die üblichen Fahnen der Erzengel", stellte der General fest. "Was ist das?" Der junge Kaiser sagte nichts. Seine schlimmste Befürchtung war wahr geworden. Er war wirklich da. Die leuchtende Gestalt von Omnix kam den Gang entlang, links von ihm ging das Mädchen, welches ihn besucht hatte, rechts von ihm befand sich ein Waldgeist. Hinter der Hügelkuppe, die sich hinter der feindlichen Armee befand, erhob sich die riesenhafte Gestalt eines Drachen. "Das ist unmöglich", flüsterte der General. "Ist es nicht. Ich war ein Narr, ihn herauszufordern und jetzt ernte ich den Preis dafür", meinte der Kaiser grimmig. "Omnix ließ ausrichten, dass er alleine kämpfen würde. Die anderen sind wahrscheinlich nur da, um uns einzuschüchtern." "Das werden wir nicht zulassen. Ich gebe sofort den Befehl zum Angriff!", rief der General und galoppierte los.
Omnix blickte über die feindlichen Gegnerreihen, die sich langsam in Bewegung setzten. Schon interessant. So viele Gegner und trotzdem verspürte er keine Spannung. Der Ausgang dieser Schlacht stand bereits fest. In diesem Moment bemerkte er, dass er auch wenig Mitleid für die Soldaten empfand. ‚Na wundervoll, meine Gefühle verschwinden schon wieder langsam‘, dachte er. Marilyn und Hiroki sahen ihn erwartungsvoll an und der Reinkarnitor seufzte, dann hob er seine Hand. Es gab genau fünf Generäle, das konnte er erkennen. Also genau sechs Leute, die er nicht verletzen wollte. ‚Nach diesem Unsinn brauche ich eine Pause von dieser Form, sonst verschwinden meine Gefühle noch vollständig, wie damals bei Krul.‘ Mit diesem Gedanken wirkte er seinen Zauber.
Omnix‘ Gestalt leuchtete grell auf und die Soldaten des Kaisers blieben erschrocken stehen. Die Erde begann zu beben und bald taten sich vor Omnix Risse im Boden auf. Plötzlich schossen mit unglaublicher Geschwindigkeit Dornenranken aus dem Boden und bahnten sich ihren Weg in die Richtung der feindlichen Armee. Sie gruben sich durch die Erde und hatten die erste Reihe bald erreicht. Die Ranken wickelten sich um die Soldaten und töteten sie, dann setzten sie ihren Weg fort. Es war, als würden Tentakel eines gigantischen Monsters in den kaiserlichen Reihen wüten. Die Soldaten schrien und versuchten zu fliehen, doch die Ranken wickelten sich um sie und hielten sie davon ab. Die wenigen, die einige Meter fliehen konnten, wurden von den Ranken zu Fall gebracht und unter die Erde gezogen. Die Männer versuchten verzweifelt, die Ranken zu zerstören, doch jede Ranke, die sie zerschnitten, teilte sich in neue auf und machte die Lage damit nur noch aussichtsloser. Der Kaiser sah ungläubig auf die Szene, die sich vor ihm abspielte. Omnix hatte nur einen Zauber gewirkt und damit seine gesamte Armee vernichtet. Seine Männer wurden durch die Luft geschleudert, in Einzelteile zerfetzt, erdrückt und erstochen. Bald war das Massaker vorbei und die Ranken schossen vor zu dem Kaiser, welcher sich auf einen derben Schlag gefasst machte. Doch er kam nicht. Zögernd öffnete er seine Augen, die er vor Schreck eng zugekniffen hatte. Vor ihm waren die Ranken stehengeblieben und eine einzelne Rose wuchs vor seinem Gesicht aus den Dornen. Die Blüte öffnete sich und leuchtete ihm hell entgegen. Eine hallende Stimme kam aus der Blume: "Ich bringe Botschaft von dem Einen. Der Eine wird sich für drei Stunden zurückziehen. Danach erwartet er Eure Antwort. Wisset, dass überzogene Zeit den Einen verärgern würde." Damit schloss sich die Rose wieder und die Ranken schossen zurück unter die Erde. Die Risse schlossen sich wieder und hinterließen keine Spur von dem Grauen, welches gerade noch gewütet hatte. Der Kaiser und seine Generäle blieben alleine zurück und sahen zitternd auf das Schlachtfeld.
"Was für eine Magie", flüsterte der König und Omnix lachte. "Das war doch gar nichts", meinte er und der alte Mann sah ihn fassungslos an. Im nächsten Moment stieg er von seinem Ross und ging vor ihm in die Knie. "Ihr seid wahrlich ein alter Gott Lord Omnix. Ich und mein Volk verneigen uns vor Euch." Hiroki grinste und auch Marilyn sah zufrieden aus. Omnix half dem König auf. "Nichts wird sich ändern. Regiert Euer Reich weise, so wie Ihr es immer getan habt. Das einzige, das nun anders ist, ist, dass ich über euch alle wache, weil ihr mich anerkannt habt. Innerhalb der nächsten drei Stunden wird sich herausstellen, ob dasselbe auch für das Imperium gilt." Damit ging er zurück zu seinem Zelt, welches im Militärlager des Königreiches stand. Die Schlacht war vor allem eines gewesen. Langweilig. Und jetzt musste er auch noch warten. Vielleicht waren drei Stunden doch etwas zu viel. "Ihr wart unglaublich", meinte Marilyn begeistert und riss ihn so aus seinen Gedanken. "Vielen Dank Marilyn", meinte er und streichelte ihr den Kopf. "Wirklich sehr beeindruckend", stimmte der Waldgeist neben ihm zu. "Ich danke auch dir Hiroki", meinte der Reinkarnitor. "Jetzt heißt es warten."
Die Stunden vergingen quälend langsam. John hatte seine menschliche Gestalt wieder angenommen und wog seinen Stab in der Hand. Sein Blick fiel auf den kleinen blauen Stein, der an der Spitze eingesetzt worden war. Bevor Marilyn ihm diesen Stein damals geschenkt hatte war es nur ein Ast gewesen. Natürlich hatte er seine Kräfte damit auch einsetzen können, aber trotzdem war er froh, dass der Stab jetzt wenigstens etwas wie ein Zauberutensil aussah. Der Vorhang des Innenzeltes ging auf und das Werbiest kam herein. "Meister, die drei Stunden sind um. Der Kaiser des Imperiums erwartet Euch auf der Ebene", gab sie bekannt und der Junge dankte ihr. "Wer soll Euch begleiten?", fragte Marilyn ihn nun. John stand auf und nahm seine zweite Gestalt wieder an, wobei sich sein Stab in Luft auflöste. "Ich werde alleine gehen", antwortete er und das Mädchen nickte. Omnix verließ das Zelt und erhob sich in die Luft, so dass er die Ebenen gut überblicken konnte. Schnell hatte er den Kaiser gefunden, der mit zwei seiner Generäle auf ihn wartete. "Gut, bringen wir es hinter uns", murmelte er und flog zu ihnen. "Seid gegrüßt Lord Omnix", begrüßte ihn der junge Kaiser, als er bei ihm ankam. "Seid gegrüßt Kaiser des großen südlichen kaiserlichen Imperiums", erwiderte Omnix den Gruß. "Ich nehme an, dass Ihr eine Entscheidung getroffen habt." Der Mann nickte. "Ich biete Euch meine Kapitulation an. Es war närrisch, Euch anzuzweifeln", meinte er und senkte leicht seinen Kopf. "Nun gut, ich denke aber, dass es noch jemanden gibt, der dabei mitreden möchte", meinte Omnix und öffnete mit einer Handbewegung ein Portal, durch welches der alte König des östlichen Königreiches mit zwei seiner Leibwächter kam. Das Portal schloss sich hinter ihnen wieder und Omnix ließ einen steinernen Tisch und drei Stühle aus der Erde fahren. "Wir haben viel zu bereden, also setzt Euch bitte", bat er und der Kaiser tat wie ihm geheißen, auch wenn man an seinem Gesichtsausdruck erkennen konnte, dass er etwas verwirrt war. "Da wir uns nun alle hier eingefunden haben ist es an der Zeit, einen Vertrag abzuschließen. Ein Vertrag mit einem alten Gott. Ich übergebe Euch das Wort Majestät", meinte Omnix an den König gewandt. "Ich bin hier, um einen Waffenstillstand vorzuschlagen. Diese unnötigen Schlachten erschüttern unser beider Länder schon viel zu lange", begann der alte Mann. "Unser beider Länder? Bis jetzt haben wir immer den Sieg davongetragen", widersprach der Kaiser. "Das mag der Wahrheit entsprechen, aber es gab jedes Jahr hohe Verluste auf beiden Seiten", meinte der König. "Dem stimme ich zu. Was also schlagt Ihr vor?", fragte der junge Regent des Imperiums. Es war Omnix der antwortete, indem eine Pergamentrolle auf den Tisch legte. "In diesem Vertrag habe ich alles niedergeschrieben. Wenn Ihr unterzeichnet, dann stimmt Ihr zu, dass beide Länder ihre Autonomie behalten. Es wird sich nichts ändern, außer, dass eure Länder ab sofort friedlich nebeneinander koexistieren werden und ich über beide Länder wachen werde", erklärte der Reinkarnitor. "So wie ich das sehe, haben wir beide etwas davon", überlegte der Kaiser, der sich den Vertrag durchgelesen hatte. "Doch was ist mit Euch? Was habt Ihr davon Lord Omnix?" Das Auge des lebenden Nachthimmels leuchtete amüsiert auf. "Ich? Warum sollte ich etwas verlangen. Ich bin ein alter Gott und tue, was mir gefällt. Wenn ich etwas möchte, dann nehme ich es mir und wenn mir etwas missfällt, dann werde ich es los. Ihr scheint nicht ganz zu verstehen, dass ich schon immer alle Rechte in euren Reichen hatte", meinte er. "Es ist wahrlich schwer, das Handeln eines alten Gottes zu begreifen", mischte sich nun der alte König ein. "Darum versuchen wir es am besten gar nicht. Lassen wir ihn leben, so wie er uns leben lässt." Der Kaiser stimmte zu und Omnix zog eine Feder hervor, deren Spitze in Tinte getaucht worden war. "Da das nun geklärt ist, hier noch ein Wort der Warnung. Wenn eines der Länder gegen den Vertrag verstößt und wieder einen Krieg beginnt, dann werde ich dieses Land vernichten." Die beiden Männer unterschrieben und reichten sich als Zeichen ihres guten Willens die Hände. "Da seid ganz unbesorgt. Ich habe nicht vor, mich gegen den Willen eines alten Gottes zu lehnen", beruhigte ihn der Kaiser und der König stimmte zu. Dann verabschiedeten sie sich und machten sich auf den Weg zurück zu ihren Lagern.