Am nächsten Morgen, packe ich alles zusammen, flechte meine Haare, ziehe meinen Umhang an, nehme meine Tasche und verlasse das Zimmer. Unten am Tresen gebe ich die Schlüssel ab, frühstücke aber noch im Gasthaus. Gerade als ich meine Eier mit Speck esse, setzt sich eine ältere Frau an meinen Tisch. "Alleine schaffst du es nicht", sagt sich mit leiser Stimme. "Wer seid Ihr?", frage ich verwirrt. "Du wirst die nächsten Städte nicht überleben. Du brauchst ihn." "Ihr müsst mich mit jemandem verwechseln." "Du willst deine Familie retten. Aber alleine wirst du Düstersteig niemals erreichen." Langsam jagt mir die Frau angst ein. "Und wen brauche ich dafür?", frage ich schließlich. "Je eine Elfe aus einer Nation", sagt sie. Okay, die spinnt. Nie im Leben tun sich Elfen aus verschiedenen Nationen zusammen, um einer Fremden zu helfen. "Das wird niemals funktionieren." "Du wirst es schaffen. Einen hast du bereits gefunden!" Ich sehe die Frau skeptisch an. "Ich bin noch niemandem begegnet." "Doch bist du." Ich überlege. Der einzige Bändiger, den ich kennengelernt habe war... "Ihr meint doch nicht Inaki", flüstere ich. Ich bezweifle, dass er mir helfen wird. "Mach dir darüber keine Gedanken." Dann steht sie auf und verschwindet. "Moment mal." Da ich im voraus bezahlt habe, folge ich der Frau. Ich sehe noch wie sie um die Ecke läuft. Ich renne ihr hinter her und als ich ebenfalls um die Ecke biege, renne ich volle Kanne ich jemanden hinein, woraufhin die Person einige Schritte nach hinten stolpert, sich aber rechtzeitig noch fängt. "Es tut mir leid!", sage ich und will schon weiterlaufen, als die Person "Das darf doch wohl nicht wahr sein", sagt. Als ich die Stimme erkenne, sehe ich verdutzt auf. Inaki. "Ich...Hast du die ältere Frau gesehen? Die muss hier entlang gegangen sein." "Ich habe sie gestern kennengelernt. Warum suchst du sie?" "Sie hat mir seltsame Sachen gesagt und ist dann einfach davon gelaufen", stöhne ich. Die Frau ist weg und ich habe dutzende von Fragen. "Mir hat sie gestern auch seltsame Sachen erzählt." Ich sehe ihn fragend an. "Eine Elfe wäre dumm genug, alleine nach Düstersteig zu reisen, um im Alleingang ihre Familie zu retten. Und ich soll sie dabei begleiten", sagt er kopfschüttelnd. Ich hingegen starre ihn mit offenem Mund an. Als er meinen Blick bemerkt runzelt er die Stirn. "Moment mal, sag nicht, dass du diese Elfe bist." "Du bist nicht verpflichtet mich zu begleiten", sage ich bloß und laufe weiter. "Warte, willst du wirklich alleine nach Düstersteig?" "Ja. Meine Familie wurde verschleppt und ich werde sie retten." "Du kannst nicht einmal dich selbst beschützen." "Na und? Dann lerne ich eben. Außerdem bezweifle ich, dass vier Elfen aus verschiedenen Nationen zusammen kommen, um einer Fremden zu helfen." Er schweigt. "Wie auch immer. Ich muss jetzt los." Ich gehe weiter. Die Frau war doch verrückt. Wie um Himmels Willen, soll ich Elfen aus verschiedenen Nationen dazu bringen, mir zu helfen? Aber mit einem hat sie recht. Wie soll ich lebend nach Düstersteig kommen und falls ich es schaffe, wie soll ich dort überleben und meine Familie retten? "Du überlebst alleine keine Sekunde da draußen", höre ich plötzlich Inaki neben mir sagen. "Wieso interessiert dich das? Du kennst mich doch gar nicht." "Die Frau, die mit uns gesprochen hat, ist eine Seherin. Obwohl ich nicht an sowas glaube, sollte man es nicht darauf ankommen lassen." Ich sehe ihm an, dass er etwas verschweigt, aber jemanden mit seinen Kräften könnte ich schon gebrauchen. "Von mir aus. Ich heiße Lana." Ich halte ihm meine Hand entgegen. Nach ein paar Sekunden ergreift er meine Hand. "Raik." Oh, er hat mir seinen echten Namen verraten. Obwohl, das könnte genauso ein Deckname sein. Naja, vor erst muss ich ihm vertrauen. Gemeinsam verlassen wir die Stadt. "Lebst du eigentlich hier?", frage ich ihn nach einer Weile. "Nein, ich wohne mal hier und mal da. Ich halte es nicht lange an einem Ort aus." "Ich habe mein Leben lang in unserem Dorf gelebt. Zusammen mit meiner Mutter und meinen Brüdern. Ach und Shay." "Wurde er auch entführt?" "Nein, er war nicht im Dorf. Deswegen frage ich mich schon die ganze Zeit, wo er ist und ob es ihm gut geht." "Seid ihr verwandt?" "Nein. Aber Shay und mich gab es immer im Doppelpack. Was ist mit dir?" "Was soll mit mir sein?" "Naja, deine Familie." "Ich habe seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen." "Aber sie sind noch am Leben, oder?", frage ich vorsichtig. "Ja sind sie. Aber ich wollte nicht nach ihren Idealen leben, daher bin ich fortgegangen." Ich will etwas darauf erwidern, aber als ich sein Gesichtsausdruck sehe, schweige ich lieber. Ich sehe ihm an, dass er nicht darüber sprechen möchte. Stattdessen frage ich: "Denkst du, die Frau hat Recht und ich muss wirklich eine Elfe jeweils von einer Nation finden?" "Keine Ahnung. Die Feuernation kannst du schon mal abhaken." Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Ich weiß zwar immer noch nicht, warum er mir hilft, aber mit ihm wird meine Reise wenigstens nicht langweilig. Wir laufen eine gefühlte Ewigkeit, bis wir beschließen, eine Pause einzulegen. "Wann werden wir die nächste Stadt erreichen?", frage ich, als mir die Stille zu unangenehm wird. "Die nächste große Stadt werden wir höchstens in drei Tagen erreichen." "Drei Tage?", wiederhole ich. "Ja, wir werden, wenn die Karte richtig ist, zwei Dörfer passieren. Aber die heutige Nacht werden wir draußen verbringen. Ist das ein Problem für dich?" "Nein." "Kannst du eigentlich auch bändigen?", fragt er aus heiterem Himmel. "Nein kann ich nicht. Wie ist es eigentlich, Blitze zu erzeugen?", frage ich ihn. "Man fühlt sich in dem Moment so mächtig, aber bei einer kleinen falschen Bewegung und du stirbst." Meine Augen weiten sich. "Und du hast Blitze erzeugt, um mir zu helfen?" "Ja." Er sagt das so selbstverständlich. "Ich will nicht, dass du meinetwegen noch einmal Blitze erzeugst", sage ich ernst. "Warum?" "Weil du dann meinetwegen sterben könntest?!" "Übertreibe nicht. Außerdem erzeuge ich Blitze wann und wo ich will. Das einzige worum ich dich bitte ist, nicht zu erwähnen, dass ich das kann." "In Ordnung." Ich lege meinen Kopf in den Nacken, schließe meine Augen und genieße die Wärme der Sonne. "Wann gehen wir weiter?", frage ich. Als ich auf einmal eine enorme Hitze spüre schlage ich die Augen auf. "Wir sind nicht allein", murmelt Raik. Ich stehe auf und setze meine Kapuze auf. Die Hitze kommt von Raiks Flammen. "Ich will dich nicht unnötig verletzen, daher solltest du einfach weiter gehen", sagt Raik. Ich höre wie der Gegenüber ein Schwert zieht. "Von einem Feuerbändiger nehme ich keine Befehle entgegen", sagt der andere wütend. "Warte, lösche das Feuer!", sage ich zu Raik, als ich die Stimme des anderen Elfen erkenne. "Damit er uns umbringt?" "Das wird er nicht." Ich nehme meine Kapuze ab und sehe den Elfen an. Er selbst hat sein Gesicht halb verdeckt. Aber er lässt sofort sein Schwert senken, als er mich erkennt. "Lana?", fragt er mit leiser Stimme. Raik löscht das Feuer und ich trete vor. Doch bevor ich noch einen Schritt machen kann, hält mich Raik fest. "Lass sie sofort los!", donnert der Elfe und hebt sein Schwert wieder hoch. "Beruhigt euch!", rufe ich. Da ich es aber nicht länger aushalte, reiße ich mich von Raik los und renne auf den Elfen zu. Sobald ich bei ihm ankomme, lässt er sein Schwert fallen und schließt mich in seine Arme. "Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen", sage ich und mir steigen Tränen in die Augen. "Lana, was machst du hier und wieso bist du nicht im Dorf?", fragt er mich und nimmt das Tuch um sein Gesicht ab. "Es ist eine Menge passiert, seit du abgereist bist." "Lana wer ist das?", fragt Raik, der neben mich getreten ist. Ich sehe Raik an. "Das ist mein bester Freund, Shay. Shay, er ist ein Freund von mir." Da ich nicht weiß, ob ich Raiks Namen verraten darf, verschweige ich es einfach. "Lana, was ist im Dorf passiert?", fragt Shay und meine Augen füllen sich erneut mit Tränen.