"Lana?", fragt Shay vorsichtig. "Ich lass euch mal alleine." Raik lässt uns stehen und geht wieder zurück zu der Stelle, wo wir unsere Rast gemacht haben. Ich sehe Shay an. "Shay, von unserem Dorf ist nichts mehr übrig. Als du fort warst, sind schwarze Krieger aufgetaucht und haben alle, die gesund und jung sind, nach Düstersteig verschleppt. Und die anderen wurden von einem Allesverschlinger..." Meine Stimme versagt. "Heißt das, dass du die einzig Überlebende bist?" "Ich weiß es nicht. Deshalb gehe ich nach Düstersteig um meine..." "Den Teufel tust du. Denkst du wirklich, dass ich dich in so eine Gegend gehen lasse?", unterbricht er mich. "Ich habe dich nicht um Erlaubnis gebeten. Außerdem ist meine Familie dort." Ich sehe ihn fest entschlossen an. Nach einer Weile seufzt er. "Du gehst aber nicht alleine." "Bin ich ja auch nicht. Er begleitet mich." Ich deute auf Raik. "Und wer ist er?" Ich schweige. "Lana, wann hast du ihn kennen gelernt?" "Gestern." "Und du vertraust ihm?!", fragt Shay überrascht. "Er hat mir gestern das Leben gerettet." "Dennoch kannst du doch nicht gleich jedem vertrauen! Außerdem ist er von der Feuernation.", ruft Shay zu laut. Denn in dem Moment dreht sich Raik zu uns um. "Shay!", zische ich und sehe ihn wütend an. "Es ist ganz egal, aus welcher Nation er kommt. Ich habe auch bereits Elfen aus der Erdnation kennengelernt. Sie haben mich bei sich aufgenommen." Shay holt einmal tief Luft. "Okay, jetzt bin ich bei dir, also brauchst du ihn nicht mehr." Plötzlich steht Raik neben mir. "Jetzt muss ich mich mal einmischen. Sie braucht einen Feuerbändiger um nach Düstersteig zu gelangen und ich nehme an, dass du keiner bist. Und falls du kein anderer Bändiger sein solltest, können wir deine Hilfe nicht gebrauchen." "Lana, was meint er mit anderer Bändiger?", fragt Shay, lässt aber Raik nicht aus den Augen. "Mir beziehungsweise uns beiden ist eine ältere Frau begegnet und sie hat mir erzählt, dass ich aus jeder Nation einen Elfen an meiner Seite brauche, um nach Düstersteig zu gelangen." "Okay, du hast völlig den Verstand verloren! Kein Elfe wird sich mit jemandem aus einer anderen Nation zusammen tun! Das war so und bleibt auch immer so!" Ich sehe Shay traurig an. "Warum?" "Was warum? Die Nationen können sich nicht ausstehen!" "Ach ja? Aus welcher Nation kommst du dann?", fragt nun Raik, der ebenfalls wütend klingt. Na super, wird ja immer besser. Ich habe ihm nie gesagt, von wo ich herkomme. "Du weißt es nicht und hilfst ihr trotzdem?", entgegnet Shay mit einer Gegenfrage. Er klingt richtig überrascht. "Ja. Mir ist es egal, welche Elfe aus welcher Nation kommt. Es gibt nichts, was eine Nation oder eine Elfe zu etwas besserem machen würde, als wie die anderen." Oh, wow. Damit habe ich nicht gerechnet. Um ehrlich zu sein, bewundere ich sogar Raiks Meinung. Schließlich wendet sich Shay an mich. "Du sagst, dass du ihm vertraust, aber sagst ihm nicht, dass du zu keiner Nation gehörst?" So eine miese Nummer hätte ich von Shay nicht erwartet. Ich sehe sofort Raik an. Aber dieser schaut immer noch Shay an. "Na und? Ich habe sie nie danach gefragt. Warum sollte sie es mir dann auch sagen?" Nun sieht mich Shay an. "Lana, vielleicht ist dieser Typ aufgeschlossen, was die anderen Nationen betrifft, aber das bedeutet nicht, dass es mit den anderen Elfen genauso ist." "Shay, versuch mir das nicht auszureden. Ich werde meine Familie finden und er wird mir helfen." Shay runzelt die Stirn. "Lana, kennst du überhaupt seinen Namen? Du hast ihn bisher nie mit seinem Namen angesprochen." "Natürlich weiß sie wie ich heiße. Sie will ihn dir nicht verraten, weil sie nicht weiß, ob sie es darf." "Was? Warte, sag mir nicht, dass du gesucht wirst und deshalb einen Decknamen hast." "Du bist ja doch nicht so dumm, wie ich dachte", erwidert Raik. "Lana!", ruft Shay empört. "Du machst dich auf den Weg mit einem gesuchten Elfen?" "Shay, lass es gut sein. Ich vertraue ihm." Nun wandert auch Raiks Blick auf mich. "Können wir jetzt weitergehen? Ich will nicht den ganzen Tag auf dieser Lichtung verbringen." Ich nehme meine Tasche und sehe beide fragend an. Raik zuckt mit den Schultern und schultert seinen Rucksack. Als er dann los geht, folge ich ihm. Shay murmelt etwas vor sich hin, folgt uns aber. "Ihn werde ich aber nicht beschützen", sagt Raik nach einer Weile. "Ich will auch deinen Schutz nicht und brauche es auch nicht." Es geht eine komplette Stunde lang so weiter, bis ich es nicht mehr aushalte. "Hört endlich auf zu streiten, sonst lasse ich euch beide hier zurück und mache mich selbst auf den Weg! Das ist ja nicht zum aushalten!", schreie ich. Raik bleibt stehen und sieht mich überrascht an. "Was?", frage ich gereizt. "Nichts." Also laufen wir weiter. Als es anfängt zu dämmern, suchen wir Feuerholz und schlagen unseren Lager auf. "Das erste Dorf, das wir als erstes passieren werden, liegt zwar in der Feuernation aber es wird von Erdbändigern bewohnt", sagt Raik nach einer Weile und schürt das Feuer. "Ich bin schon mal Erbändigern begegnet." "Was ich damit sagen will ist, dass du dich mit diesen Klamotten nicht beliebt machst." Raik zeigt mit dem Stock auf mich. Stimmt ja, ich trage noch die Farben der Feuernation. "Achso, das macht nichts. Ich habe auch ein paar Klamotten in den Farben der Erdnation bei mir." Ich deute auf die Tasche. "Du hast dich also vorbereitet. Nicht schlecht", sagt Raik. "Mir hat mal jemand gesagt, dass Tarnung die beste Waffe ist." "Das ist eine gute Überlebungstaktik." "Kann ich mich schlafen legen, ohne das ihr euch umbringt?", frage ich an beide gewandt. Als beide nicken, lege ich mich hin. Das wird doch nicht so eine einfache Reise, wie ich dachte. Bald schlafe ich auch ein.