Ich fühle mich seltsam befreit, seitdem ich Rako ehrlich von mir berichtet habe. Als ich mich endlich überwunden hatte, freimütig zu sprechen, brachen die Worte förmlich aus mir heraus, ähnlich einer unaufhaltsamen Herde freiheitsliebender wilder Pferde. Ganz ungeachtet der Konsequenzen, die Rako aus meinem Bericht ziehen wird, tat es gut, einmal all meine Erlebnisse in Worte zu fassen. Und von nun an muss ich ihm gegenüber nicht mehr aufpassen, was ich sage, wie ich es formuliere, um Rückschlüsse auf mich zu vermeiden.
Zu meiner Erleichterung und Überraschung hat meine Offenheit bislang keine negativen Folgen. Rako hat mich trotz des Wissens um meinen gelegentlich schwer zu kontrollierenden Jähzorn nicht des Tempels verwiesen, sich aber Zeit zum Nachdenken erbeten – das ist mehr, als ich erwartet hatte.
Ich hoffe, seine Überlegungen enden damit, dass ich noch eine Weile bleiben darf. Es wäre schön, mein Pflanzenwissen noch zu vertiefen und daraus eine tragfähige Geschäftsidee zu entwickeln. Und die Aussicht, Unterricht im Kämpfen zu erhalten, erzeugt ein aufgeregtes Kribbeln in meinem Bauch! Natürlich würde ich solche Fähigkeiten nur zur Verteidigung einsetzen. Zur Verteidigung meines Körpers, Unschuldiger oder der Prinzipien meines Gottes.
Noch mehr über die Prinzipien der Phexkirche zu lernen, gehört ebenfalls zu den Gelegenheiten, die ich gerne ergreifen würde. Die Tugenden des Listigen kenne ich gut, doch wie steht es mit der Gemeinschaft, die diese in Aventurien vertritt? Gibt es überhaupt eine wahre Gemeinschaft, wo doch bis auf die Geweihten, die dem Aspekt des Handels dienen, alle Priester Phexens ihren Status nicht öffentlich bekannt machen?
Vielleicht kann Rako mir diese Fragen beantworten. Er nimmt seine Aufgabe, mich zu unterweisen, ernst, und auch mich selbst behandelt er mit Respekt, und das trotz meiner Eigenheiten.
Er verdient weit mehr als nur Höflichkeit und die Achtung, die ihm als meinem Mentor gebührt. Er überrascht mich immer wieder mit seiner freundlichen, wohlwollenden Art. Ist es möglich, dass er tatsächlich keine Hintergedanken hegt? Ich wage nicht, es zu hoffen.
Bevor ich einschlafe, bete ich, so wie jeden Abend, und erstatte Phex Bericht über die Dinge, die ich heute erlebt habe, danke ihm für die Wege, die er mir gewiesen hat. Die Gewohnheit ist mir längst in Fleisch und Blut übergegangen. Ich weiß nicht, ob er das erwartet, doch ich will meinen Gott, der mich aus Punin befreit hat, keinesfalls enttäuschen.