Das Gespräch mit Rako hat mich einerseits aufgewühlt, andererseits aber auch beruhigt, weil es mich endlich ans Ende eines Gedankengangs geführt hat, der mich seit langer Zeit beschäftigt: der Notwendigkeit von Buße.
Jetzt bin ich mir sicher, dass wahre Vergebung ohne sie nicht möglich ist. Ja, Eltern mögen ihren Kindern letztlich alles verzeihen, aber das ist keine wahre Vergebung. Es ist vielmehr ein als Verzeihung getarntes Ignorieren oder Vergessen, eine Illusion, die nur durch die Liebe aufrechterhalten werden kann.
Doch die Götter geben sich derartigen Täuschungen nicht hin, davon bin ich überzeugt. Sie verstehen allein schon durch die Erfahrung ihrer langen Existenz viel mehr von der Welt als wir Sterblichen. Wer von ihnen wahre Vergebung seiner Sünden, seines Versagens und seiner Fehler erhofft, muss die Strafe dafür annehmen und somit Buße ableisten.
Die Strafe wird jedoch nicht immer von einem der Götter oder auch nur einem weltlichen Richter festgelegt. Oft ist es auch der Geschädigte, bei dem man Buße tun kann, so wie ich Meisterin Ruttel bereitwillig meine Arbeitskraft überließ.
Letztendlich müsste das bedeuten, dass man, wenn man ehrlich ist und mit sich selbst hart genug ins Gericht geht, die Strafe auch selbst festlegen kann.
Wenn das stimmt, wenn ich diesen Gedankengang als wahr akzeptiere, muss ich zugeben, dass Tjeika doch Recht hat. Dann bestrafe ich mich durch die Schläge, die ich einstecke, selbst, während meine eigenen Hiebe mir helfen, die Emotionen, die mein Innerstes aufwühlen, herauszulassen und wieder zu innerer Ruhe zu finden.
Tjeika ... Ich habe ihr Unrecht getan, als ich meinen Gefühlen freien Lauf ließ und sie angeschrien, sie durch mein heftiges Aufspringen erschreckt und dann einfach ohne Entschuldigung zurückgelassen habe.
Wie konnte ich mich nur so gehenlassen? Meine Selbstbeherrschung hat völlig versagt. Ich habe versagt. Eindeutig ein Punkt für die Liste meiner Verfehlungen.
Ist dieser Fehler sogar größer als die übrigen? Immerhin ist Tjeika Geweihte.
Werden die Zwölfe mich für mein Verhalten Tjeika gegenüber strafen? Travia selbst vielleicht? Oder überlässt sie es Phex, seinen Diener zu erziehen?
Was auch immer der Fuchs mir auferlegt, wenn ich die Strafe bereitwillig annehme, beweise ich nicht nur, dass ich wahrhaftig bereue und Besserung gelobe, sondern auch, dass ich mich den Konsequenzen meiner Taten aufrecht stelle!
Und doch fürchte ich die Strafe der Götter ...
Ob der Listige mir gestattet, mich selbst zu strafen? Wird er eine selbst auferlegte Buße akzeptieren und mir vergeben?
Schläge sind eine effiziente Form der Bestrafung, dessen bin ich mir sicher. Der Arbeitsdienst im Gasthaus ‚Zum fröhlichen Zecher‘ war nicht schlecht und half mir ganz nebenbei auch bei meinem Auftrag, doch ich weiß nicht, ob ich genug getan habe, um Vergebung für mein dortiges Fehlverhalten zu verdienen.
Bei Schlägen ist es viel einfacher, das weiß ich aus meiner Jugend. Je intensiver die Schmerzen, desto gründlicher die Buße. Je größer mein Fehler war, desto stärker waren die Schläge, die ich dafür einstecken musste – und danach wurde nie wieder darüber gesprochen. Damit war es dann wohl vergeben.
Wenn ich mich also selbst hart genug für meine Fehler bestrafe, muss Phex es nicht tun. Sicherlich ist es besser, die Buße selbst festzulegen, als sich dem Zorn eines Gottes auszuliefern.
Aber wie mache ich das am besten? Ich kann mich ja schlecht selbst schlagen. Und wie könnte ich mich bestrafen, ohne andere mit hineinzuziehen? Zurückzuschlagen ist eine Sache, aber eine Schlägerei anzufangen, um Prügel zu beziehen, ist so offensichtlich grundfalsch, dass ich den Gedanken sofort verwerfe.