"Mama?"
Mikas Stimme klingt unsicher, als sie mich anspricht.
"Ja, Liebes?", erwidere ich, blicke aber nicht vom Brett auf, wo ich Gemüse würfele.
"Ich möchte ausziehen", sagt sie mir.
"Denkst du, dass du soweit bist?", will ich wissen. Sie ist zwanzig Jahre alt. Alt genug, um auf eigenen Beinen zu stehen.
Mika filetiert Fisch mir gegenüber und schweigt einige Minuten, bevor sie mir schließlich antwortet.
"Ja, Mama. Die Zeit ist reif. Ich kann nicht länger an deinen Rockschössen hängen, auch wenn ich es gern tun würde. Ich bin erwachsen und möchte auf eigenen Beinen stehen. Ich verdiene genug, um mir eine eigene kleine Wohnung zu leisten und zurecht zu kommen, so wie du es mir gezeigt hast."
Ihre Worte lassen mich lächeln. Sie klingen so fest und überzeugt.
"Du weißt, dass ich dich auch weiterhin unterstütze, wann immer du mich brauchst, nicht wahr, Mika?", antworte ich ruhig. Ich bin stolz, dass sie auf eigenen Beinen und ihr Leben allein bewältigen will. Auf der einen Seite. Auf der anderen bricht mir das Mutterherz, weil mein Baby flügge wird.
Zeitgleich blicken wir auf. Tränen glitzern in unseren Augenwinkeln, aber wir lächeln beide.
"Das weiß ich, Mama. Aber es ist Zeit. Zeit, dass du einfach du sein kannst und ich einfach ich. Nicht mehr Vollzeit Mama sein zu müssen, ist sicher genauso erleichternd für dich, wie für mich die Tatsache nicht andauernd das brave Töchterchen zu sein", spricht sie aus, was ich denke.
Ich lasse mein Messer auf das Brett sinken und trete um die Arbeitsfläche herum, um Mika zu umarmen.
"Ich hab dich lieb, mein großes Mädchen", flüstere ich in ihr Haar.
Ihre Arme umschließen mich fest.
"Ich dich auch, Mama", erwidert sie.
Dann schweigen wir beide und ich bin fast sicher, dass in ihrem Kopf auch schon die Gedanken kreisen, wie die Zukunft wohl aussehen wird.