Chronologie der Weltgeschichte, verfasst von Chronist Walarian
Befragung von Bote Sangs über den Ersten Kontakt
Walarian: Also bitte, schildere mir die Situation.
Sangs: Was gibt es da zu schildern? Ich hatte es eilig, musste dringen eine Nachricht an den Vogt zustellen. Und gerade als ich auf dieses schöne Stück gut ausgebauten Feldwegs abbiege und mir so denke 'Jetzt kannst du richtig Meter machen', da stehen auf einmal diese riesigen Fettklopse, mitten auf dem Weg! Drei von ihnen. Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht.
Walarian: Aber woher kamen sie?
Sangs: Was ist denn das für eine bescheuerte Frage? Ihre Bücherwürmer! Glaubst du wirklich, wenn ich in vollem Galopp auf so ein Ding zurase, dann denke ich darüber nach, sie höflich zu fragen, wo sie herkommen und wo sie hinwollen?
(Ausgiebiger Lachanfall des Boten)
Nein, nein. Ich hatte genug damit zu tun, mich auf meinem Pferd zu halten, das vollkommen durchgedreht ist. Und dann bin ich umgedreht und habe zugesehen, dass ich Land gewinne.
Ich schaute mich in dem Raum um. Es war still geworden. König Valerius hatte sich auf einem der gepolsterten Stühle weit zurückgelehnt und die Fingerkuppen aneinandergepresst. Sie starrte in den halbvollen Becher Wein, der vor ihr stand. Hin und wieder knackte einsam ein Holzscheit, der gemächlich vom Feuer im Kamin aufgezehrt wurde, ansonsten herrschte bedrücktes Schweigen.
Glaubte sie mir? Oder interessierte es sie vielleicht gar nicht und sie behandelte im Geiste gänzlich andere, sehr viel realere Probleme, die ihr Reich plagten? Vielleicht, wie sie jemanden, der ihr eine derartige Lügengeschichte auftischte, möglichst plakativ hinrichten konnte.
Ich konnte die Skepsis meiner Geschichte gegenüber förmlich spüren, die Weigerung des Verstandes, etwas so Fantastisches als wahr anzunehmen. Und wem konnte ich es verdenken? Wenn mir jemand vor einigen Jahren eine derartige Geschichte vorgesetzt hätte, hätte ich ihn wahrscheinlich kurzerhand fortgejagt.
Doch diese Situation war eine andere. Was die Augen sehen, jedoch nicht einordnen können, verbindet der Verstand mit dem Gehörten, mit meiner Geschichte. Und dort, an dem Ort, den man gemeinhin als Geist bezeichnet, entsteht die entfernte Möglichkeit, dass es wahr sein könnte. Bricht sich die Erkenntnis Bahn, dass dieses mutmaßliche Märchen, das ich soeben vorgesetzt hatte, einen Funken Wahrheit enthalten könnte. Aber noch überwog die Skepsis, waren zu viele Fragen offen.
Schließlich nickte Valerius mit ernster Mine. „Ein übles Schicksal, das deinem Volk da widerfahren ist. Du hast mein Beileid.“ Sie lehnte sich weit in ihrem gepolsterten Stuhl zurück. „Düstere Vorboten“, seufzte sie murmelnd. Ich wartete noch einen Augenblick, ob sie noch etwas hinzufügen wollte, fuhr dann aber mit meiner Geschichte fort.
***
Nach dem äußerst unerfreulichen ersten Versuch einer Kontaktaufnahme mit den Menschen waren Morg und ich auf der Flucht. Unter immensen Anstrengungen hatte ich es irgendwann geschafft, ihn aus dem Razsh’ek zu holen, zu beruhigen und zu überzeugen, dass eine Flucht der beste Weg wäre. Zu dem Zeitpunkt waren bedauerlicherweise bereits Gregor und seine beiden Leibwächter dem Blutrausch zum Opfer gefallen. Etwa ein Dutzend weiterer Wachen waren vergeblich auf Morg eingedrungen; ich hoffte, sie würden sich alle von ihren Verletzungen erholen. Bei manchen war ich mir da aber nicht so sicher.
Während wir durch hohe Gräser und dichtbewachsene Felder rannten, kam in mir Mitleid mit den Menschen auf, auch wenn sie schlussendlich selbst schuld an dem Ausgang waren. Denn, mal ehrlich, wer hält einen Oger einen ganzen Tag lang in einem Käfig ohne Nahrung gefangen, traktiert ihn mit Waffen und glaubt, man könnte sich dann noch zivilisiert unterhalten? Aber ich schaffte es nicht, nachtragend zu sein. Sie hatten wahrscheinlich noch nie zuvor einen von uns gesehen, anders konnte ich es mir nicht erklären. Oder warum glaubten sie, diese kleinen Holzschäfte mit den Metallspitzen, die sie auf uns schossen, würden auch nur annähernd tief genug in unsere dicke Haut eindringen, um Schaden anzurichten? Ein belustigter Lacher entfuhr mir, der nahtlos in frustriertes Seufzen überging. Morg stimmte zunächst ein, schaute dann aber eher verwirrt zu mir herüber.
"Schon gut, ich musste nur gerade an etwas denken", entgegnete ich.
Das entlockte Morg einen weiteren, tiefen Lacher: "Denken lenkt nur ab."
"Ja, da hast du vielleicht recht", stimmte ich zu und dachte daran, wie wir in diese Situation geraten waren. Weil ich gehofft hatte, Diplomatie würde uns weiterbringen.
"Nächstes Mal, nicht denken. Nur kloppen.“
Ich seufzte. Mit Ogern ist es eben auch nicht immer leicht.
Wir kamen ohne Probleme gut voran. Auch wenn die Menschen sicherlich die Verfolgung aufgenommen hatten, konnten wir Oger sie leicht abhängen. Selbst wenn sie sich auf eines dieser vierbeinigen Geschöpfe schwangen, die sie Pferd nannten, waren wir schneller – unserer Körpergröße von drei Schritten und mehr sei Dank. Wir hielten uns stets abseits der Wege und schlugen uns eher durch verschlungenes Dickicht oder offene Weiden, als uns auf ausgetretenen Pfaden zu halten. Wir machten nur ein Mal kurz vor Sonnenuntergang Halt, um zwei Tiere zu reißen, die praktischerweise auf einer Wiese eingezäunt waren. Bis auf das weiße, wollige Fell, das überall zwischen den Zähnen klebte, war es eine äußerst schmackhafte Mahlzeit.
Später, mitten in der Nacht, erreichten wir schließlich unser Dorf. Stille war bereits eingekehrt und niemand zu sehen. Rumpelndes Schnarchen dröhnte durch das Dorf. Lediglich einzelne, kleine Fackeln, die in Halterungen aus Tierschädeln und -knochen an den grob zusammengezimmerten Behausungen angebracht waren, spendeten schummriges Licht. Ich schaute mich um und erkannte, dass unsere Familien wieder einmal die Herren angerufen und ihre Rettung herbeigesehnt hatten. Wilde Runen waren in den Boden geritzt und mit Blut an die Bäume gemalt worden, in der Dorfmitte kräuselte sich aus violetter Asche ein dünner Rauchfaden empor.
Der Anblick zerriss mir das Herz. Meinen Freunden und Verwandten, so sehr sie mich auch mein Leben lang ausgegrenzt hatten, gönnte ich dieses Schicksal nicht. Von einem Moment auf den anderen in diese Welt geschleudert zu werden, hilflos und ohne Orientierung. Wie ein Säugling schrien sie nun nach der Zitze ihrer Mutter. Ich spürte, wie ich meine Faust vor Wut ballte, wie sich meine Finger schmerzhaft in meinen Handballen gruben.
Wir sind keine Säuglinge, sondern stolze Kinder von Tÿl!, wollte ich hinausschreien. Und die Keszz sind nicht eure Mutter, ihr seid unabhängig!
Ich wollte toben und jeden einzelnen meiner Leute durchschütteln, als könnte ich sie dadurch aus einem tiefen Schlaf aufwecken. Doch so einfach war es leider nicht. Sie konnten nichts dafür, waren den Manipulationen und dem schändlichen Einfluss der Scheusale schutzlos ausgeliefert.
"Erst brechen sie uns, dann machen sie uns gefügig", murmelte ich finster.
"Bald, Grom. Rache. Bald."
"Wie recht du hast. Unsere Zeit wird kommen." Ich schaute ihn an. "Und dafür brauchen wir die Menschen, verstehst du das?"
Doch er verstand nicht, das sah ich ihm an. Er schüttelte entschieden den Kopf. "Die Menschen sind... klein und schwach und dumm. Haben uns eingesperrt. Sind nicht anders als die Ketz."
"Keszz", berichtigte ich und seufzte. "Ja, du hast ja recht. Aber dies ist ihr Zuhause, verstehst du? Wir sind die Fremden, die Eindringlinge. Wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten." Er war nicht überzeugt, doch ich beließ es für den Moment dabei. Ich war zu müde, um noch einen klaren Gedanken zu fassen.
"Ich gehe schlafen, Morg. Was ist mir dir?", fragte ich und gähnte demonstrativ.
Er schüttelte nur wortlos den Kopf und setzte sich auf den massiven Baumstamm direkt bei den noch glühenden Überresten des Feuers.
"Nun gut. Aber pass auf meinen Kopf auf, wenn du dich hinlegst, verstanden?" Damit ließ ich meinen Kopf in den Nacken sinken und schlief beinahe augenblicklich ein.
Ich erwachte bei Sonnenaufgang und sah Gol'dar, die sich gerade neben mir daran machte, das große Feuer erneut zu entzünden. Morg hatte es nicht mehr in die Hütte geschafft und war an Ort und Stelle eingeschlafen. Mit den Augen folgte ich ihren Bewegungen: Sorgfältig ritzte sie zunächst einige Runen in die Asche und murmelte leise unverständliche Gebete.
"Du weißt, dass die Keszz nicht hier sind?", fragte ich, während ich mich verschlafen räusperte und ungelenk aufsetzte.
"Bei Zûl, du sollst sie nicht so nennen", zischte sie und sah strafend zu mir herüber. Ihr bernsteinfarbenes Auge versprühte Zorn, blasse Runen deuteten sich auf ihrem Hals ab. Sie war dem Razsh’ek nahe.
"Entschuldige, ich habe nicht nachgedacht", beteuerte ich hastig. Ich spürte, dass sie nicht in der Stimmung für derartige Gespräche war. "Ich meinte die Hierarchen."
Die Runen auf ihrer Haut verblassten. "Du wirst unser Untergang sein, Grom. Begonnen hat er ja schon. Guck dich doch um, wo wir deinetwegen sind", murmelte sie und fuhr mit ihren Zeichnungen fort.
"Aber...", setzte ich an, schloss dann aber meinen Mund. Es war sinnlos, ihre Meinung stand fest. Vom Helden zum Sündenbock. Ich sah ihr dabei zu, wie sie das von den Keszz eingetrichterte Ritual vollführte. Die Stammesälteste zeichnete die Runen, entzündete das Feuer und sprach die Formeln. Als die Flammen ihre Farbe von orange-rot zu dunkelviolett änderte, schluckte ich ein mulmiges Gefühl herunter. Ich verstand nicht, was sie dort tat, weder die Runen noch die Sprache – und das machte mir angst. Es musste Zauberei sein, eine andere Möglichkeit kam für mich nicht infrage.
"Wie lief denn dein... Unterfangen?", fragte sie schließlich versöhnlich, zweifellos erfreut über das erfolgreich abgeschlossene Ritual.
Ich seufzte. "Nicht gut. Wir haben es nicht geschafft, mit den Menschen zu kommunizieren." Ich löste meinen Blick von der Flamme und sah ihren herablassenden Gesichtsausdruck. "Ich weiß, ich weiß. Du hast es von Anfang an gesagt."
Sie lächelte mich mitfühlend an. "Glaubst du mir nun?" Ihr Auge wanderte wieder zu dem außerweltlichen Lodern, das sich darin hell spiegelte. "Die Hierarchen sind unsere einzige Hoffnung. Sie müssen uns finden. Uns retten."
In meine Gedanken, ob ich noch etwas erwidern sollte, schreckte der bis dahin noch schlafende Morg. Sein weit aufgerissenes Auge starrte irgendwo in den dichten Wald hinein, aufmerksam, abschätzend.
"Was siehst du?", flüsterte ich. Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, seinen Sinnen zu vertrauen.
"Werden beobachtet", brummte er. Auch Gol'dar horchte auf und erhob sich vom Feuer. Ich spitzte die Ohren, schärfte angestrengt meine Sinne. Die Vögel riefen nach wie vor unbekümmert, der Wind erzeugte ein sanftes Rauschen zwischen den Zweigen und der leichte Regen sammelte sich und fiel in dicken Tropfen zu Boden. Nichts deutete darauf hin, dass etwas nicht stimmte.
"Ich sehe nichts. Bist du sicher?"
In dem Moment ertönte ein lautes Knacken, wie ein morscher Ast, der durchbrach. Überraschend flink sprang Morg von dem Stamm auf und machte vier gewaltige Sätze zum Rand des Waldes. Er stieß mit seiner Pranke in einen dichten Busch und wühlte kurz darin herum. Ein jämmerliches Quieken ertönte, als er etwas umschloss und daran zog.
Zum Vorschein kam ein Mensch, der mir nicht bekannt vorkam. Morg umklammerte sein Bein mit einer Hand und hob ihn mühelos in die Höhe, sodass er kopfüber in der Luft hing. Sein Zappeln und Quieken verstummte jäh, als er immer weiter gehoben wurde und sich schließlich mit Morg und mir auf Augenhöhe befand. Sein gerötetes Gesicht verströmte Angst und Panik. Er wimmerte etwas, das ich damals noch nichts verstand.
"Baum?", brummte Morg blutlüstern und ging, den Menschen unbekümmert an seinem Bein hin- und herschwingend, zu einem der massiven Gewächse herüber. Mir schwante nichts Gutes.
"Morg, halt!", rief ich. "Wir brauchen ihn!"
Ich hörte Gol'dar hinter mir laut schnauben. "Wofür brauchst du so eine jämmerliche Kreatur?"
Ich ignorierte sie und konzentrierte mich auf Morg, der nur seinen Schritt verlangsamt hatte, aber seinen Plan, den Menschen gegen den Baum zu schmettern, noch nicht begraben hatte.
"Hör mir zu. Dies ist unsere zweite Chance. Die erste hast du versemmelt."
Er murmelte beleidigt seinen Widerspruch.
"Nein, nein, du hast es verbockt, obwohl du es mir versprochen hast, es zu versuchen. Also, bitte, überlass mir den Menschen. Das schuldest du mir!"
Er blieb stehen und sah mich unsicher an. Kurz glitt sein Blick zu Gol'dar herüber, die aber schon wieder das Interesse verloren hatte. Wahrscheinlich hielt sie meine Besessenheit mit der Diplomatie für närrisch und nicht der Mühe wert.
"Bitte", drängte ich. "Wenn es nicht funktioniert, kannst du ihn immer noch am Baum zermalmen, in Ordnung?" Ich versuchte mein überzeugendstes Lächeln. Schließlich nickte Morg und reichte mir den mittlerweile ohnmächtigen Menschen, der wie eine Puppe in der Luft baumelte.
So lernte ich Zuak kennen. Wir sperrten ihn einen kleinen Käfig, gaben ihm Nahrung und sorgten für ihn. Doch schnell merkte ich, dass er überhaupt nicht fliehen wollte, selbst wenn er gekonnt hätte. Er war freiwillig bei uns, weil er neugierig war.
Die größte Herausforderung, nach der, unseren Stamm zu überzeugen, ihn nicht als Beilage zum nächsten Wurzeleintopf zu reichen, war die Kommunikation. Jede freie Minute verbrachte ich damit, Wörter in der Menschensprache zu lernen und ihm im Gegenzug unsere näherzubringen. Zugegeben, ich schämte mich ein wenig, denn Eloquenz ist nicht das größte unserer Talente. Unsere Sprache ist auf das Wesentliche beschränkt und kennt nicht allzu viele Wörter.
Die der Menschen hingegen, von ihr war ich auf Anhieb fasziniert! Sie hatten ein Wort – manchmal sogar mehrere – für jeden noch so abstrakten Gedanken. Mannigfaltig, wie sie das nennen. Dass Morg sich dabei schrecklich langweilte und oft genug die Geduld verlor, muss ich sicherlich nicht betonen. Ich versuchte, ihn mit Bränden und Essen bei Laune zu halten.
Einige Mondzyklen nach seiner Ankunft bei uns hatte ich mich soweit mit seiner Sprache vertraut gemacht, dass eine halbwegs flüssige Unterhaltung möglich war. Wir waren in ein kurioses Mischmasch aus Ogerisch und Menschisch verfallen.
"Morg und du, ihr, ähm, steuert also eure jeweilige Körperhälfte?", fragte er. Sein grauer Bart, der in der Gefangenschaft an Länge um einiges zugenommen hatte, zitterte, wenn er sprach.
"Den oberen Körper, ja. Arme“, antwortete ich. „Unsere Beine, die teilen wir uns. Wir können aber auch", ich suchte nach dem richtigen Wort, "die Kontrolle über den ganzen Körper abgeben. Morg ist zum Beispiel ein viel besserer Kämpfer als ich."
Zuak lachte laut auf, seine tiefen Lachfalten traten deutlich hervor. "Das, ähm, ist mir schon aufgefallen. Sowieso! Ohne euch Ogern nahetreten zu wollen..." Er war sichtlich darum bemüht, die nächsten Worte sorgfältig zu formulieren. "Du stichst unter deinen Stammesgenossen durchaus hervor." Er klopfte sich mit einem Finger seitlich gegen den Kopf.
"Oh, du meinst...", verstand ich. "Ja, deswegen wurde ich auch immer wie ein Sonderling behandelt. Schläue macht meine Brüder und Schwestern misstrauisch." Ich versuchte ein entwaffnendes Lächeln, als ich Morgs verwirrten Blick sah.
"Intelligenz. Ja, die unterscheidet uns vom, äh, Tier. Und ich muss zugeben, so schnell wie du unsere Sprache gelernt hast, wie schnell du die Konzepte begreifst, wie die Gesellschaft der Menschen funktioniert? Du könntest mit unseren hellsten Köpfen mithalten."
Danach befreite ich ihn aus seinem Käfig und er durfte sich im Dorf ungehindert bewegen, wenn auch unter sehr vielen, sehr argwöhnischen Augen. Was soll ich sagen? Ich mochte Zuak. Das erste Mal in meinem Leben unterhielt ich mich mit jemandem auf Augenhöhe. Nicht körperlich, er war gerade einmal halb so groß wie ich, sondern geistig. Es war erfrischend. Und er verstand es, einem den Bauch zu pinseln.
"Was hast du eigentlich in diesem Gebüsch gesucht? Als wir dich damals gefunden haben. Hast du uns ausspioniert?", wollte ich wissen.
Er rollte unbehaglich die Schultern. "Nun... ja."
Morgs Kopf schnellte argwöhnisch in seine Richtung, auch wenn nicht im Detail verstand, über was wir uns unterhielten. Zuak hob beschwichtigend die Hände. "Aber nicht, um euch zu verraten. Ich war einfach nur neugierig. Ich schwöre!" Morgs Auge verengte sich zu einem engen Schlitz.
"Nun gut, es war so", seufzte Zuak und fuhr mit seiner Erläuterung fort. "Ich bin... genauso ein Sonderling wie du, Grom. Ich habe mich schon vor langer Zeit aus den Städten und Dörfern der Menschen, mhm, zurückgezogen, um unbefangen von ihren Regeln zu leben. Ich lebe allein, in einer kleinen Hütte mitten im Wald, um mich herum meilenweit keine Seele. Tatsächlich gar nicht so weit von hier, vielleicht einen Tagesmarsch – also für einen Menschen, für euch höchstens einen halben. Nur durch Zufall habe ich mitbekommen, was ihr in Augul, ähm, angerichtet habt und dass das ganze Land nach euch sucht. Als ich dann eines Morgens diese riesigen Fußabdrücke im Wald entdeckte, bin ich gefolgt." Er lachte nervös. "Man, wie naiv ich war. Hielt mich für einen Schleicher, der euch unbemerkt beobachten könnte. Aber mit euren übermenschlichen Sinnen habe ich nicht gerechnet."
"Sei nur froh, dass ich in der Nähe war", erwiderte ich und blickte zum Feuer in der Dorfmitte, über dem eine undefinierbare Flüssigkeit in einem großen gusseisernen Topf blubberte.
"Das bin ich, glaube mir. Ich stehe in deiner Schuld." Er verstummte und schien eine Weile nachzudenken. "Und deswegen werde ich dir auch helfen."
"Bei was?"
"Na bei deinem Vorhaben! Ich werde dir helfen, Kontakt zu den Menschen herzustellen. Und dich mit ihnen zu versöhnen."
Das verschlug mir die Sprache, denn mit einem solchen Angebot hatte ich nicht gerechnet. Meine Überraschung war mir wohl anzusehen, denn ein breites Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und entblößte einige fehlende Zähne.
"Was denkst du denn, dass alle Menschen von Grund auf feindselig sind? Da kann ich dich beruhigen, wir sind im Grunde ganz offene und vor allem neugierige Zeitgenossen. Schwierig wird es bloß, wenn jemand einen Bürgermeister aus heiterem Himmel in zwei Hälften schlägt."
"Du hast schon recht, wir haben wirklich nicht den allerbesten ersten Eindruck gemacht. Aber die Bewohner von – wie nennst du es, Augul? – waren nicht ganz unschuldig daran. Ich wollte reden, sie haben uns in einen Käfig gesperrt und wie ein Tier behandelt."
"Ich verstehe deinen Standpunkt", stimmte Zuak zu und strich sich sein löchriges Leinenhemd glatt. "Ich würde sagen, mit ein wenig Geschick können wir das als kulturelles Missverständnis verbuchen." Plötzlich strahlte er mich an und klopfte mir aufmunternd auf den Bauch. "Das bekommen wir hin. Wann wollen wir los?"
"Äh, los?“
"Los?", schreckte auch Morg auf, dessen Aufmerksamkeit zufällig in unsere Richtung geschwenkt war.
Zuak nickte ernst. "Los. Nach Augul. Beim Bürgermeister vorsprechen, wer auch immer der Nachfolger von Gregor sein mag." Erneut entfuhr ihm ein Lachen. "Jetzt guckt doch nicht so, vertraut mir! Ich habe ein Händchen für solche Situationen."
"Tÿl steh' uns bei!", murmelte ich.