„Okay, das führt zu nichts“, schnaubte William und begann im Raum auf und ab zu gehen. Der Gefangene starrte ihn durch die Gittertür seiner Zelle aus müden, aber immer noch triumphierend funkelnden Augen an, verfolgte jeden seiner Schritte.
„Araz“, meinte William nach einer Weile.
Araz horchte auf und erhob sich von dem Tisch, gegen den er sich gelehnt hatte.
„Eigentlich wollte ich nicht zu so drastischen Mitteln zurückgreifen, doch uns rennt die Zeit davon. Wir haben bereits zwei Stationen verloren. Und Berel war bei weitem nicht so klein wie Aolea. Wir müssen wissen, was sie geplant haben, ob und wo sie als nächstes angreifen, wie sie angegriffen haben.“
„Soll ich es noch einmal versuchen?“, fragte Araz vorsichtig. Er war sich sicher, dass William auf mehr als nur einen neuen Versuch hinaus wollte. Aber das musste er von ihm hören.
William nickte langsam, als müsste er immer noch überlegen. Er sah dabei zu Boden und bevor er wieder zu Araz aufsah, huschte sein Blick kurz über Ashley und Raveen, die ebenfalls im kleinen Vorzimmer zur Zelle versammelt waren.
„Vielleicht hältst du dich diesmal nicht zurück“, meine William mit einem Nicken auf den Gefangenen.
„Bist du dir sicher?“, fragte Araz mit gehobenen Brauen und sah ebenfalls kurz über Ashley und Raveen.
„Tu, was immer nötig ist“, befahl William mit einem Nicken in Richtung des Gefangenen und ignorierte dabei den streng-nervösen Blick von Ashley. Selbst Raveen wirkte für einen Moment beunruhigt, richtete sich im nächsten zur vollen Größe auf und lenkte den wachsamen Blick auf Araz und den Gefangenen.
Auch Araz sah ein letztes Mal kurz zu Ashley und Raveen, bevor er näher an die Zelle herantrat.
Er sah schon an dessen Blick, dass er wenig erfreut über das folgende war, aber offenbar den Ernst der Situation noch nicht erkannt hatte.
„Es hat beim ersten Mal schon nicht funktioniert, es wird auch diesmal nicht klappen“, blaffte er durch die Gitterstäbe und lehnte sich auf der Pritsche sitzend mit dem Rücken zu Wand. Er versucht entspannt und gelassen zu wirken, doch obwohl er eine so lockere Pose wählte, war die Anspannung in seinen Gliedern noch zu erkennen.
Araz quittierte seine Aussage mit einem milden Lächeln. Worte brauchte er hierfür nicht verschwenden. Stattdessen atmete er einmal tief ein.
Und mit dem Ausstoßen der Luft begann es.
Er sah es sofort in den Augen des Gefangenen. Weit aufgerissen, ihn fixierend. Den Mund leicht geöffnet, ohne das ein Laut heraustrat. Die Anspannung in den Brauen bis hinunter in die Fußspitzen. Einzelne Schweißperlen traten aus seiner Stirn und der Atem des Mannes ging mit einem Mal schneller, flacher.
Araz musste sich nicht vorstellen, wie die anderen sich fühlte. Er konnte es spüren. Die Angst, die von ihnen ausging. Es fühlte sich gut an, einmal alle Zurückhaltung aufzugeben. Wenn auch gelenkt, zu einem bestimmten Ziel. Er würde lügen, wenn er behauptete, es würde sich nicht gut anfühlen, auch die Angst der anderen zu spüren. Doch er wollte es nicht zu sehr ausreizen. Was William, Ashley und Raveen fühlten, war nur ein Bruchteil von dem, was der Gefangene durchmachte. Es waren auch nicht deren Köpfe, in die er eindringen wollte.
Die Mauer, auf die er am Vortag noch gestoßen war, die seinen Geist von dem des Gefangenen trennte, bröckelte langsam dahin.
Wie viel Unterschied Angst doch ausmachen konnte. Und dafür musste er noch nicht einmal seine Gestalt verändern. Erst die Stimmung beeinflussen, gestärkt durch seine dämonische Kraft. Den Gegner mit Angst schwächen. Dann hineinspazieren und sich nehmen, was er brauchte.
Zwischen all der Angst, den flüchtig umherhuschenden Gedanken, musste er gar nicht zu tief graben, um an das zu gelangen, was er suchte.
Zeig es mir, befahl er.
Und er sah.
Es fühlte sich an wie Stunden, doch in Wirklichkeit waren nur wenige Minuten vergangen.
Araz löste die Verbindung und der Druck, der sich im Raum ausgebreitet hatte, verschwand ebenso rasch.
Er hörte Ashley aufkeuchen. Das Rascheln durch Bewegungen der anderen beiden. Das Stöhnen der Gefangenen und sein rasches Zusammenfallen in eine versunkene Haltung, keuchend, wimmernd.
„Tornum. Sie haben dort einen Teil der Zivilisten gesammelt. Von Aolea, Berel. Eine Farm, sie sammeln Magie. Er weiß nichts über einen weiteren Angriff oder ob aktuell einer geplant ist.“
William und Ashley fluchten und Raveen brummte etwas Unverständliches.
„Immerhin haben wir jetzt ein Ziel“, meinte William und trat aus dem Raum. Ashley folgte ihm und mit einem letzten Blick auf Raveen, der seine Seelenruhe wiedergefunden zu haben schien und den zusammengekauerten Gefangenen, folgte auch Araz.