Fünf
„Also zuallerst, Felix: Wenn du mich noch ein einziges Mal ‚kleine Mia‘ nennst, muss ich dir leider in deine kleinen Eier treten.“
Kess funkle ihm mit den Augen entgegen.
Erneut beugt er sich in meine Richtung, während er leise raunend spricht.
„Woher willst du denn wissen, dass sie klein sind?“
Dümmlich wackelt er mit den Brauen, als würde er mich provozieren wollen.
Mir auf die Zunge beißend, hebe ich die Augenbrauen. Meine Wangen tun von dem ganzen Lachen schon weh, weil ich nicht aufhören kann, mit diesem bescheuerten Lächeln und es kaum verkneifen kann.
Ich hole aus und verpasse ihn einen sanften Hieb auf den rechten Oberarm.
„Ey!“
Ich muss zugeben: So ausgelassen zu sein, ist ein verdammt gutes Gefühl.
Irgendwie unbeschwert.
Zum ersten Mal seit Monaten habe ich nichts im Kopf, was mich unterbewusst beschäftigt oder an mir nagt – auch wenn bei mir oft auf Durchzug gestellt ist.
Nichts außer der vor mir liegenden Nacht und dem unglaublich sympathischen Kerl neben mir.
Ich schüttle mit dem Kopf.
„Wir unterhalten uns definitiv nicht über deine Eier“, stelle ich fest.
Befinden Felix und ich uns etwa langsam im Flirtstadium?
Falls er mir das mit seinem kleinen, dämlichen Spruch vermitteln wollte.
Egal, was es ist: Ich mag seine Art zu scherzen sehr gerne.
Als Antwort darauf zwinkert er mir abermals zu.
„Du hast doch damit angefangen.“
Nun ist er derjenige, der mich anstößt.
Merkwürdig. Man könnte fast meinen, wir würden uns tatsächlich kennen und nicht erst ein paar Minuten.
Ohne ihm wörtlich eine Richtung anzugeben, setze ich mich in Bewegung; er folgt sofort. Wir laufen los zum Supermarkt.
Zwar ist es schön spät: Die genaue Uhrzeit weiß ich nicht, aber ich hoffe darauf, dass er noch geöffnet ist.
Als Felix vom weitem das leuchtende Schild des Supermarkts sieht, blickt er mich fragend an.
„Ein Supermarkt?“, fragt er skeptisch, aber ich sehe genau sein schelmisches Lächeln. „Das ist nicht sehr abenteuerlich.“
„Ist es nicht“, gebe ich zu. „Aber es gibt Alkohol.“
Felix lacht auf.
„Trinkst du überhaupt?“
„Ja“, bestätigt er. „Guter Punkt, übrigens.“
Ich nicke.
„Toll, oder?“, erwidere im sarkastischen Ton.
Felix rollt ironisch mit den Augen, mich abermals mit dem Ellbogen anstoßend.
Nebeneinander laufen wir die Straße herunter.
Beide die Hände in den Taschen.
Ohne zu rennen. Ohne uns an den Händen zu halten.
Nichts davon spielt gerade ohnehin eine Rolle.
Es ist mir egal, wer er ist.
Es ist mir egal, was mit ihn traurig macht oder was mich traurig macht, was mit ihm los ist oder was mit mir los ist.
Es ist mir egal, dass es so viele Dinge gibt, die wir nicht übereinander wissen.
Das spielt keinerlei Rolle.
Es ist nur wichtig, dass ich hier bin und nicht ganz allein.
Und das ich mich ungewohnt frei fühle.
Für heute Nacht ist es das Einzige, was zählt.