Achtzehn
Kaum das wir zügig die Bahn und anschließend den Bahnhof verlassen haben, durchqueren Felix und ich dicht nebeneinander schnellen Schrittes die große Seitenstraße, bis wir zahlreiche, dunkle Seitenstraßen durchqueren müssen.
„Ungelogen, jetzt bin ich sehr gespannt“, meint er.
Ich grinse. Zufrieden.
„Du bist doch schon gespannt, seitdem wir losgefahren sind.“
„Ja, weil du mir nicht verrätst, wo es hingeht“, neckend streckt er die Zunge raus, was mir ein leises Lachen entlockt.
Ich merke mit jeder vergehenden Minute, dass er immer mehr auftaut, sich immer mehr wohlfühlt.
„Wäre doch sonst langweilig“, sage ich.
Felix hebt die Augenbrauen, dann schüttelt er den Kopf.
„Schwer vorzustellen, dass es mit dir langweilig werden könnte.“
Ich lache auf, schüttle jedoch ebenfalls mit dem Kopf.
„Ach“, seufze ich, halb grinsend, halb ernst. „Wenn du wüsstest.“
Obwohl er einen fragenden Ausdruck zur Schau trägt, belasse ich es wortlos dabei und bewahre mein Schweigen.
„Nee, aber wirklich, Mia...“, beginnt er nach einigen Minuten des stillen Laufens fest. Man hört nur unsere Schuhsohlen auf dem Asphalt. Kleine Steinchen knirschen unter ihnen. „...du bist ein sehr interessanter Mensch.“
Ich weiß nicht ganz, was ich dazu sagen soll, aber es ist wohl ein Kompliment und eines der nettesten, die ich jemals bekommen habe.
Ich würde es gern zurückgeben, weil ich es ehrlich so sehe, weil ich ihn interessant finde, wie er ist, wie er sich verhält, wie er redet, auch wenn ich all das nicht so sehr an mich heranlasse, habe aber Angst es laut auszusprechen, weil es unbedeutend wirken könnte, wenn ich es sage. Einfach weil er denken könnte, dass ich es nur aus Nettigkeit erwidere. Statt etwas zu sagen, greife ich kurz nach seiner Hand, sie drückend – dankbar.
„Wir sind da“, verkünde ich schließlich nüchtern, was Felix skeptisch dreinblicken lässt.
Da ist wieder dieser verwirrte, skeptische Blick in seinem Gesicht, den ich so interessant und auch ein bisschen witzig finde.
Bei seiner Miene hätte ich beinahe laut losgelacht.
„Du willst in einem Club?“
Ironischerweise grinse ich noch breiter, weil er fast enttäuscht klingt.
„Das ist kein Club“, widerspreche ich.
Ich bemerke, wie er versucht, ernst zu bleiben, doch seine Mundwinkel zucken, bis sie nachgeben: Er schmunzelt.
„Und was ist es dann?“
Frech strecke ich die Zunge raus.
„Besser.“
„Ein Stripclub?“
Unwillkürlich rolle ich mit den Augen, komme jedoch nicht drumherum, aufzulachen.
Ich verpasse ihm einen Stoß.
„Spinner.“
„Sorry, war nur ein Spaß“, den Bruchteil einer Sekunde wirkt er verunsichert, dann zieht er einen Schmollmund, der mich nur noch lauter lachen lässt.
„Sag doch endlich!“, beschwert er sich, den Blick die lange Schlange vor dem Laden mit den Augen abscannend. „Immerhin haben wir eine Menge Zeit, bevor wir überhaupt in die Nähe des Eingangs kommen.“
Wie um seine Worte zu unterstreichen, nickt er in die besagte Richtung und auf all die Menschen, die dort anstehen.
Wissend grinse ich, vor allem über seine Skepsis, nehme ihn an der Hand und laufe mit dem blonden Felix im Schlepptau, schnurstracks an allen Leuten, die anstehen, vorbei.
„Warte, Mia, was machst du?“, er klingt nicht nur irritiert, sondern lustigerweise fast entsetzt.
Fast so, als wäre ihm das Ganze ein wenig unangenehm.
Als ich nicht antworte, drückt er ganz leicht meine Hand, ehe er den Druck etwas erhört, aber ohne mir wehzutun.
„Mia...“, zischt er nervös in meine Richtung.
„Entspann dich“, sage ich, ihn kurz über die Schulter ansehend. Er sieht sich unbehaglich um und ich kann erahnen, dass er nicht damit aufhört, als ich ihn achtlos weiter mit mir ziehe.
Als wir ganz vorne am Anfang der Reihe ankomme, schaut Nans, der Türsteher, uns erst etwas verwirrt an, doch als er mich erkennt, klatscht er in die Hände, lacht hell auf und schließt mich kurz, doch fest in die Arme, nachdem ich Felix‘ Hand losgelassen habe.
„Sag mal, ist es okay, wenn wir hier einfach reinschneien?“, frage ich selbstverständlich.
Als ich den Kopf den Bruchteil einer Sekunde zu Felix drehe, sieht er noch immer reichlich durcheinander aus – aber als würde er es unterdrücken wollen.
„Achso, das ist übrigens Felix“, setze ich schnell hinterher.
Ein paar Leute hinter uns empören sich über uns, aber das ist mir herzlich egal.
Immerhin muss es ja immerhin für eine Sache gut sein, wenn der Vater eine Bar besitzt und führt, die er mehr liebt als sein eigenes Kind
Nans reicht Felix die Hand und sie schlagen begrüßend ein.
Keine Ahnung, was ich daran so lustig finde, aber ich lache glucksend in mich hinein. „Dann mal rein mit euch zwei Hübschen“, sagt Nans, mir zuzwinkernd. „Viel Spaß.“
„Danke dir!“, sage ich, ehe ich Felix mit mir in den Laden ziehe.
„Jetzt mach den Mund zu“, grinse ich kess in Richtung des Blonden. „Nicht, dass da irgendwas reinfliegt.“
„Ich glaube, noch cooler kannst du überhaupt nicht werden, Mia.“
Fassungslos, aber lächelnd schüttelt er mit dem Kopf, sich im Eingangsbereich umsehend.
Leise lache ich, ihn breit angrinsend.
„Wer weiß“, sage ich. „Die Nacht ist noch jung.“