Vierzehn
Felix neben mir raucht mittlerweile eine Zigarette: Dabei hat er den rechten Arm noch immer um mich gelegt. Ich fische die Kippe aus seinen schlanken Fingern, als er daran ziehen will und grinse ihn schräg an, als ich daran ziehe. Er grinst zurück. Er wackelt bescheuert mit den Augenbrauen, was mich zum Lachen bringt. Dabei sieht er reichlich zufrieden aus und das gefällt mir sogar noch mehr. Es gibt mir ein Gefühl von Versicherung, irgendwie.
Auch wenn unsere Zeit bisher kurz war, habe ich ihn ehrlich gern.
Ihm die Zigarette zurückgebend, mustere ich ihn nochmals von der Seite.
Irgendwie werde ich nicht müde, ihn anzusehen.
Immer wieder finde ich irgendetwas an ihm – ein kleines Detail – das mir gefällt, was mir vorher nicht aufgefallen ist. Genauso wie jetzt; die kleine Narbe auf seiner Stirn, kurz unter der Schläfe. Meine Augen haben sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Ich strecke die Hand aus und fahre mit der Fingerspitze des Zeigefingers die Form seiner Narbe nach. Dabei blickt er mich unentwegt an.
„Fahrradunfall“, erklärt er, wobei seine Stimme rau und belegt klingt, weswegen er sich äußert.
„Aua“, murmle ich, weiter über seine blasse Haut streichend.
Meine Hand wandert über seine Wange, über kleinere und größere Leberflecken, über seinen Kiefer, wie über eine Landkarte, auf der ich eine Stadt suche. Sanft lächle ich.
„Das ist schön“, raunt er, kaum lauter als ein Flüstern, mit geschlossenen Augen.
Ihn weiterhin intensiv ansehend, fahre ich mit dem Daumen über seine Unterlippe und beobachte sie schlicht.
Ich male die Linien und Konturen seiner Lippen nach.
Es ist ganz still. Nirgendwo sind laute Jugendliche, die Musik hören oder Stimmengewirr, das zu uns herübergetragen wird. Nicht einmal die Straße oder Autos kann man hören.
Eigentlich weiß ich rein gar nichts über Felix.
Aber das ist nicht wichtig.
Wichtig sind nur wir beide.
Wahrscheinlich ist es sogar besser, wenn wir nicht mehr übereinander wissen.
Allgemein.
Vielleicht würde das alles ruinieren.
Rasch schiebe ich diesen Gedanken fort.
Nein, Mia. Aufhören.
Ich muss aufhören, nachzudenken. Sofort.
„Du bist schön“, murmle ich, weil er es wirklich ist und ich es aufrichtig meine.
Ich weiß, schön ist vielleicht nicht der Begriff, den man als Mann hören möchte, aber er ist schön und es gibt kein anderes Wort, was passender für ihn wäre.
Ein stilles, fast verlegenes Lächeln schleicht sich auf seine Lippen, lässt seine Mundwinkel hochzucken. Fragend sehe ich ihn an.
„Was?“, frage ich. „Warum guckst du so?“
Er schüttelt mit dem Kopf. Einige Strähnen seiner Haare wippen hin und her.
Leicht ziehe ich die Augenbrauen zusammen - verwirrt.
„Aussehen und Attraktivität sind immer so eine Sache“, meint er, eine Grimasse schneidend.
„Ich meine, keine Ahnung, attraktiv genug, um nicht betrogen zu werden, bin ich anscheinend nicht.“
Nun sieht er ernst, fast verbittert aus. Ich presse die Lippen zusammen, streiche aber trotzdem weiterhin über seine Haut, ehe ich die Finger zurückziehe.
Ich würde ihm gern sagen, dass das kompletter Schwachsinn ist. Das Betrügen nichts damit zu tun hat, wie man aussieht oder für, wie attraktiv man befunden wird. Aber ich halte den Mund.
„Vielleicht kenne ich dich nicht sonderlich gut, aber du bist ganz schwer in Ordnung.“
Der Tonfall, der mit meinen Worten mitschwingt, klingt viel liebevoller, als ich es beabsichtigt habe, auch wenn sie vielleicht so belanglos erscheinen mögen.
Immerhin meine ich, meine Worte ernst, also ist das nicht weiter wild.
Dazu sind sie auch aufmunternd.
Mich direkt ansehend, blinzelt er ein paar Mal. Seine Miene ist beinahe fasziniert.
An dem Ausdruck in seinen Augen weiß ich jedoch, dass er genau verstanden hat, wie ich es gemeint habe.
„Und falls dir das irgendwie hilft: Betrügen würde ich dich auch nicht.“
Jetzt lächelt er endlich wieder und der ernste Ausdruck weicht aus seinen Zügen.
„Danke“, sagt er lachend.
Sein Lächeln wird breiter.
Ich lehne mich vor, ihn küssend.
„Wenn du mich küsst, dann ist die Welt ein bisschen weniger scheiße“, zitiert er grinsend.
Dann schauen wir einander an und brechen zusammen in schallendes Gelächter aus. Laut und froh und merkwürdig glücklich. Und vor allem zufrieden.
„Ich habe übrigens noch ein paar Ideen, wo wir hinkönnten.“
In Felix Augen funkelt es begeistert. Ich grinse nur noch breiter. Wenn das überhaupt möglich ist. Es ist, als würde mein Kiefer bald aushaken, wenn ich nicht damit aufhöre.
Felix lacht laut auf, anders als die Male zuvor, als wäre ihm selbst unangenehm, was er als Nächstes sagen will. Er presst die Hand auf dem Mund, ehe er zu sprechen beginnt.
„Beinhalten welche davon ein Schlafzimmer und oder ein großes Bett?“
Ebenfalls auflachend, rolle ich mit den Augen, ihn sanft anstoßend. Würden meine Pläne ein Bett groß genug für zwei Personen oder generell ein Bett beinhalten, hätte ich ehrlich gesagt auch nichts dagegen.
„Vielleicht“, gebe ich geheimnisvoll zurück, voll drauf einsteigend. „Vielleicht aber auch nicht.“
„Wie auch immer“, meint er grinsend. „Ich bin dabei.“