Zehn
Ich kenne mich in der Gegend ganz gut aus, weil ich hier früher oft unterwegs war und auch ein paar Jahre meines Lebens hier gewohnt habe. Und weil ich gern rausgehe und spaziere, wenn es mir nicht so gut geht und meine Gedanken einfach nicht aufhören wollen, zu kreisen.
Das ist nicht nur erleichternd, sondern man kann auch ziemlich coole Ecken, Wege und Orte entdecken. Doch nun steuere ich, ganz klischeehaft, einen großen Spielplatz an, der um diese Uhrzeit ohnehin leer sein wird.
Felix kennt ihn natürlich ebenfalls. Schließlich wohnt er hier.
„Lass mich raten“, meint er.
Ich grinse zu ihm herauf.
„Ja?“
„Wir gehen zum Spielplatz.“
„Ganz genau.“
Er grinst, leicht den Kopf schüttelnd.
„Und was wollen wir da?“, nun hat er wieder diesen skeptischen Blick aufgesetzt, wie vor dem Supermarkt.
Ich stoße ihn an, präzise platziert in die Seite. Von seinem Pessimismus lasse ich mich nicht stoppen.
„Au!“, beschwert er sich, krümmt sich und verzieht das Gesicht.
Doch ich erkenne sofort, dass er nur Spaß macht, denn er lacht sofort leise los.
„Sei nicht so eine Spaßbremse, Felix“, sage ich, gespielt genervt die Augen rollend.
„Ich bin keine Spaßbremse“, widerspricht er augenblicklich.
„Wenn du dich nicht für den Spielplatz begeistern kannst, bist du das sehr wohl.“
Der Blonde neben mir gibt sich geschlagen. Sachte drückt er meine Finger.
Durch den Wodka fühle ich mich so leicht, aber gleichzeitig auch beinahe etwas ungelenk. Aber Felix ist da und hält mich. Ich lache leise.
„Ich halt keine zwölf mehr.“
Ungläubig sehe ich ihn an.
„Wow“, stoße ich aus. „Das hast du jetzt nicht gesagt.“
Ich muss aber dennoch stark gegen das Lachen ankämpfen, das meinen Hals verlassen will. „Du hast vorhin mit mir quasi fangen gespielt.“
„Psssh...“, macht er dann, schmunzelnd. „Das darfst du niemanden verraten.“
Ich lache, den Kopf schüttelnd.
„Ich weiß nicht, was du für Sachen oder Leute siehst, aber soweit ich das einschätzen kann, ist hier sowieso niemand, dem ich irgendetwas sagen könnte“, stelle ich fest.
Er grinst. Ziemlich plötzlich bleibt er stehen und bringt mich dazu, abrupt mit dem Laufen aufzuhören. Die Brauen hebend, sehe ich ihn fragend an.
„Ist irgendwas?“
Doch Felix antwortet mir nicht. Der Blonde lehnt sich lediglich vor und etwas nach unten und küsst mich. Sanft, aber bestimmt. Ich erwidere den Kuss, mich auf die Zehenspitzen stellend und fahre mit den Fingern in sein weiches Haar.
„Nein“, sagt er dann, als er von mir ablässt. „Alles bestens.“ „Bei mir auch“, versichere ich ihm, obwohl er nicht verbal danach gefragt hat, aber ich nehme es mir heraus, seinen Blick zu deuten.
„Schön.“
Meine Finger aus seinen lösend, grinse ich ihn schon fast etwas dreckig an – ein, zwei, drei Schritte von ihm wegmachend.
„Nein, Mia...Komm schon...“, sagt er, doch er muss heftig lachen.
Lautstark steige ich in das Lachen mit ein.
„Wer zuerst am Spielplatz ist!“
„Nein!“, ruft er genauso laut, doch auch gekünstelt widerstrebend zurück, zögert jedoch trotzdem nicht, mir augenblicklich hinterher zu stürmen.
Während ich so renne, merke ich wieder dieses angenehme Gefühl der Schwerelosigkeit. Es fühlt sich gut an.
Als wäre ich zum ersten Mal wirklich frei in dieser verdammt verklemmten Welt.