Wir Menschen glauben, dass Land knapp ist und nicht vermehrt werden kann. Von der Einzimmerwohnung bis zur Gesamtfläche der Erde ist das Land in Quadratmetern, Hektar und Quadratkilometern genau bemessen und exakt aufgeteilt. Vom Wohnungseigentümer bis zum Autokraten wachen alle eifersüchtig über das von ihnen in der einen oder anderen Form kontrollierte Land. Die Menschheitsgeschichte ist voll von Konflikten, in denen es um die Kontrolle über das Land ging und nur zu oft wurden sie mit Gewalt ausgetragen. Wer Land kontrollierte, wollte es vor dem Zugriff anderer schützen und sich mehr Land aneignen. Wer kein Land besaß, war auf die eine oder andere Weise der Willkür derer ausgeliefert, die es kontrollierten. Leibeigene Bauern litten unter ihren Grundherren, Mieter ärgern sich über die Immobilienbranche und Verbraucher sind angesichts explodierender Lebensmittelpreise wütend auf die Nahrungsmittelerzeuger. In vielen Staaten haben die Herrschenden die einfachen Menschen wie Leibeigene gehalten. Sie konnten das Land nicht verlassen oder andere Staaten waren nicht bereit, sie aufzunehmen. Schließlich ist auch ihr Land begrenzt und wird nicht mehr.
In einer Welt zu leben, in der Land bemessen, begrenzt und besessen ist, hat unser Denken mehr geformt und korrumpiert, als wir uns eingestehen. Die Kontrolle unserer Sexualität und der Geschlechtsidentität, Kriege und Völkermord, Armut und Hungersnöte, Herrschaft und Hierarchien, Konkurrenzdenken und Nullsummenspiele lassen sich auf das von uns verinnerlichte Konzept vom »Land« zurückführen.
Hat der eine mehr, hat der andere weniger. Weil es sich mit dem Land selbst so verhält, gilt es für seine Nutzung und auch für alle übrigen Lebensbereiche. Die Welt ist voller unlogischer Diskurse und zerstörerischer Verhaltensmuster, die sich mit unserem Konzept vom »Land« erklären lassen.
Aufklärung und industrielle Revolution haben diese Haltung nicht überwunden, sondern weiter getragen. In den Wirtschaftswissenschaften ist von stets »knappen Gütern« die Rede und wir Deutschen hielten uns für ein »Volk ohne Raum«. Der Sozialismus erwies sich als Mangelwirtschaft und nach seinem Zusammenbruch jubilierte eine Politikern der Grünen über die »Perspektiven des Mangels«.
Was wäre, wenn wir nicht mehr um die auf der Erde verfügbare Landfläche konkurrieren, sondern Land in beliebiger Menge bauen können? In Wissenschaft und Technik und auch der Literatur existieren viele Konzepte und Ideen und manches wurde schon umgesetzt. Gewöhnlich betrachtet man dabei den praktischen Nutzen, aber vielleicht ist es ebenso wichtig, jene Geisteshaltungen und Verhaltensmuster zu überwinden, die mit der Kontrolle über eine nicht zu vermehrende Menge Land einher gingen.
Wie können wir Land bauen?
Wir können die Menge des nutzbaren Landes auf der Erde erhöhen. In vielen Weltregionen ist aufgrund der klimatischen Bedingungen Landwirtschaft bisher nicht oder nur eingeschränkt möglich. In Regionen, in denen es zu kalt ist, könnte man in Gewächshäusern das ganze Jahr hindurch Nahrungsmittel erzeugen. Die bisher unbewohnbaren Wüsten haben ein riesiges Potenzial als neue Siedlungsgebiete und Anbauflächen.
Irgendwann stehen überall Gewächshäuser und die Wüsten sind erschlossen. Die Menschheit hat sich vielleicht nicht nur im »dekadenten« Westen von den repressiven Diskursen aus dem Zeitalter des Ackerbaus emanzipiert, aber die Landfläche ist nach wie vor begrenzt. Was bleibt?
Der Weltraum
… der Weltraum … unendliche Weiten … wer kennt nicht die Einleitung zu »Raumschiff Enterprise«? Der Weltraum ist unendlich und die auf der Erde begrenzte Ressource Land existiert in beliebiger Quantität. Allerdings ist der Weltraum nicht nur unendlich, sondern auch lebensfeindlich. Es existieren trotzdem zahlreiche Ideen, um im All Land zu bauen respektive Land auf anderen Himmelskörpern zu erschließen. Land ist dort nichts, um das man kämpfen muss, sondern etwas, für das man arbeitet und das Erschaffen hat das Erobern abgelöst.
Eine Welt, in der die Menschen Land bauen, mag ihre eigenen Widersprüche und Konflikte haben, aber es werden andere sein als die unserer leidgeprüften Menschheit.