Shanora saß in der Zwischenzeit mit Did weiterhin unten im Labor.
"Wie kam es, dass ihr Church wirklich mitgenommen habt? Und wie gelang es geheim zu halten, was er ist?", wollte sie wissen.
Did seufzte: "Finn und ich mussten erbittert gegen den Jungen kämpfen! Finn wurde von ein paar der Fäden durchbohrt, ab diesem Moment wusste ich auch, dass etwas mit ihm nicht stimmt!" Shanora senkte den Kopf, sie konnte sich vorstellen, was die Alte meinte. Die Tatsache, dass Finn dieselben Selbstheilungskräfte wie sein Erzeuger hatte.
"Ich denke du weißt was ich meine!", Did schien nicht näher darauf eingehen zu wollen, "Es gelang uns mit der Hilfe der Garde von Argenshire ihn an einen Ort zu binden und die Siegel auf seinem Rücken anzubringen. Vier verschiedene Dreiecke, stehend für die vier Elemente. Alte Runen, sehr mächtig, wenn man sie richtig einsetzt! Sie bannten Church Macht zurück in seinen Körper und er brach zusammen. Er war wie Finn ein Opfer des Mannes, der auch meinetwegen noch durch diese Welt streifen konnte. Finn und er waren sich sehr ähnlich, stur, idealistisch, frech...!"
Shanora starrte Did an, war sie etwa...
"Ja Shanora, das ist die Mutter des Mannes, der unter anderem deine Familie ausgelöscht hat!", Churchs Stimme klang ein wenig verächtlich, er ließ den Jutesack auf den Boden fallen.
"Ist das wahr?", wollte Shanora wissen. Did nickte, die Trauer war in ihre Augen zurückgekehrt: "Ja, er war einmal ein lieber Junge, mit guten Zielen. Aber er hat den richtigen Weg verloren, all die Macht, die er angesammelt hatte, sie hat ihn verblendet!" Die alte Frau hatte Tränen in den Augen, irgendwo tat sie Shanora Leid. Sie schien keine Gefahr zu sein, sonst hätte Ladira ihr nicht vertraut.
Church deutete auf den Jutesack: "Finn hat ihn versiegelt, ich schätze du weißt wie wir an den Inhalt kommen, er soll wichtig sein!" Did fasste sich wieder und machte sich gleich ans Werk. Sie murmelte ein paar eigenartige Beschwörungen in Sprachen, die Shanora noch nie gehört hatte.
"Das sind keine Sprachen!", erklärte Church ihr als er ihren verwirrten Blick bemerkte, "Es sind erfundene Wörter von Finn, eine Art Code zwischen ihm und seiner Großmutter!" Shanora musste lächeln. Finn hatte somit einen Code geschaffen, den man nicht knacken konnte, ohne eingeweiht zu sein. Endlich ließ sich die Schlaufe öffnen und Did fasste in die Öffnung des Jutesacks.
Erschrocken zog sie die Hand zurück: "Church, würdest du einer alten Frau helfen? Darin befindet sich ein Körper, ich kann kein Leben mehr wahrnehmen!" Church verzog angewidert sein Gesicht, warum schickte Finn ihnen eine Leiche? Dann schob er die Alte beiseite und zog den schmalen Körper aus seinem Jutegefängnis. Shanora hielt die Luft an, aber der Verwesungsgestank blieb aus.
Church starrte auf den kalten Körper: "Ist das eine Elfe?" Did nickte: "Zumindest war es einmal eine!" Shanora betrachtete die ebenmäßigen Gesichtszüge der schönen Frau. Wäre die Haut nicht gräulich hätte man sie für schlafend halten können. Ihr Haar war schneeweiß, ihr Körper schlank und in schwarzen Stoff gehüllt. Die spitzen Ohren waren von Ohrringen geziert, Silber mit Rubinen. Auf ihrer Stirn war ein eigenartiges Zeichen, zwei sich überlappende Dreiecke, tätowiert.
"Wer sie wohl war?", Shanora fragte sich auch, warum Finn ihren Körper aus seinem Grab geholt hatte.
"Sie ist auf jeden Fall nicht so tot wie sie aussieht!", Did betrachtete die Rune auf der Stirn der Elfe eingehend, "Diese Rune hat der Dunkle selbst erschaffen, sie lässt die Toten wieder auferstehen!" Church schauderte, der Dunkle hatte also einen Weg gefunden, wie er selbst die Toten noch für seine Zwecke missbrauchen konnte.
"Dafür hat Finn dir das Oculus hinterlassen!", Did nahm die mächtigen Perlen ab und reiche sie Shanora, dann öffnete sie den schwarzen Soff, in den die Elfe gehüllt war, ein wenig. "Was machst du da?", fragte Church schockiert.
"Nicht was du denkst!", kicherte Did, "Finn hat sicher eine Botschaft hinterlassen!" Sie wurde am Hals fündig, ein Dreieck mit einem Strich im unteren Bereich, eine Luftrune, zierte diesen.
"Es sollte dir dank Finns Siegel gelingen Teile ihrer Erinnerung sehen zu können!", erklärte Did Shanora, die sich behutsam die Perlen umhängte.
"Wie mache ich das? Und was gibt mir das Recht die Erinnerungen einer Toten zu durchforsten?", wollte Shanora wissen.
"Ich verstehe deine moralischen bedenken, aber Finn würde uns das hier nicht tun lassen, wenn es nicht von größter Wichtigkeit wäre!", Church setzte sich auf einen der Drehstühle und deutete Shanora zu beginnen. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, aber dunkle Zeiten erforderten wohl ihre eigenen Mittel. Also berührte sie mit ihrer Handfläche die Luftrune am Hals der Frau.
Sofort begann der Raum um sie zu verschwimmen. Sie konnte Gebüsch sehen, es musste sich um eine Art Küste handeln. Das Meer peitschte gegen die Felsen, Möwen kreischten und die Sonne war kurz davor unterzugehen. Einige Meter vor dem Gebüsch, in dem sich die Elfe versteckt hielt, standen Soldaten in schwarzen Rüstungen. Die Elfe war noch ein Kind, Shanora schätzte sie auf elf oder zwölf Jahre.
Sie schien nicht zu wissen was oder wen, sie da belauschte.
"Du hast mir also gebracht, was ich wollte, Terano!", die Stimme schnitt direkt in Shanoras Seele. Der Dunkle stand mit einem anderen Elf dort, blond und groß.
"Vater!", entfuhr es der jungen Elfe leise, Shanora wurde nicht schlau aus der Situation.
"Ja, Meister!", der Elf winkte ein paar Bogenschützen herbei, sie zogen zwei kleine Jungen mit sich. Sie konnten gerade einmal laufen und wirkten sehr verängstigt. Ihre Wappenröcke zeigten einen Hirschkopf und waren hellgrün, Shanora beschloss sich das gut zu merken. Der Dunkle lachte, die schwarzen Ritter übernahmen die gefesselten Jungen. Die Elfe, die sich nach wie vor versteckt hielt und die Situation beobachtete, schätze die Jungen auf 2 oder 3 Jahre.
"Wie kannst du es wagen!", schaltete sich ein weiterer Mann in die Diskussion ein. Shanora schnappte nach Luft als sie ihn erkannte. Der Fremde, der ihr in Schwarzwasser begegnet war, mit den beinahe schwarzen Augen. Sie warf nun einen genaueren Blick auf die beiden Jungen, Zwillinge. Wahrscheinlich Church und Chrunch, in der Gewalt des Dunklen, seine Handlanger hielten ihnen ein Messer an die Kehlen.
"Wo ist dein Bruder?", fragte der Dunkle den Mann, den Marbas als den Raben bezeichnet hatte.
Dieser riss seine Augen auf: "Du wirst ihn nicht bekommen!" Plötzlich erschien neben dem Raben ein Mann, der ihm sehr ähnlich sah. Nur seine Augen waren noch schwärzer, wie die von Church.
"Verschwinde, Deseis!", wies er seinen Bruder an, "das sind meine Söhne, ich kann sie ihm nicht überlassen!"
Der Rabe schüttelte energisch den Kopf: "Nein, er wird dich betrügen und verraten!"
"Baal!", der Dunke verbeugte sich kurz, "Schön das dir deine Söhne mehr am Herzen liegen als deine Frau. Ich wusste wir finden etwas, damit ich bekomme, was ich will!" Shanora schauderte, was hatte der Dunkle nur vor?
"Was willst du?", Baal fixierte den Dunklen, "Was muss ich tun, damit du meine Söhne verschonst?" Der Dunkle stolzierte um die beiden Schattenmänner herum, seine verschiedenen Augen blitzen vor Aufregung und Freude auf.
"Ich will das du deinem Leben selbst ein Ende setzt!", knurrte er, "Jetzt, vor meinen Augen! Dann verspreche ich, dass deine Söhne leben dürfen! Und dein Bruder wird sich widerstandslos ergeben und mir keinen Ärger mehr machen! Sonst sperre ich ihn weg!"
Der Rabe schien damit nicht einverstanden zu sein: "Niemals werde ich mich dir beugen, Bastard!" Der Dunkle lachte und deutete dem Elfen, dieser feuerte daraufhin blitzschnell einen Pfeil ab, direkt durch den Schattenmann hindurch.
"Was...", der Rabe schien sich nicht mehr bewegen zu können.
"Nehmt ihn fest!", befahl Terano den anderen Bogenschützen, "Er wird in den Kerkern von Madum schon noch zur Vernunft kommen!" Baal starrte auf die ganze Szene, Shanora glaubte große Verzweiflung in seinen Augen zu erkennen.
"Siehst du, Baal?", der Dunkle grinste überlegen, "Das kommt davon, wenn ein paar Schatten versuchen dich gegen die Dunkelheit zu erheben! Ich habe Runen erschaffen, um euch zu binden! Der Sturheit deines Bruders sei es gedankt das ich sie testen lassen konnte! Was ist nun?"
Shanora schauderte, der Dunkle hatte also einen Weg gefunden, um die Schatten zu besiegen, aber das reichte ihm nicht. Er wollte, dass Church Vater sein Leben selbst beendete, einfach nur um ihn zu demütigen. Baal warf seinen Söhnen einen letzten Blick zu, dann zog er sein Schwert.
Shanora und die Elfe beobachteten schockiert, wie sich Churchs Vater selbst das Leben nahm, indem er sich das Schwert durch sein Herz jagte. Der Dunkle lachte laut und euphorisch auf als Baal auf die Knie sank.
"Ich sagte dir, ich werde gewinnen!", erklärte er dem sterbenden Mann, "Und jeder Schattenmann wird mir dienen, die Unterlande sind mein!" Dann deutete er seinen Rittern die beiden Kinder wegzuschaffen.
"Wohin bringst du sie?", wollte der sterbende Mann wissen.
Der Dunkle grinst breit: "Ich finde einen Unterschlupf für sie, bis sie mir von Nutzen sein können! Verlass dich darauf, ich werde sie am Leben lassen, aber nur um ihnen Qualen zu bereiten, solange bis sie mit ihren Kräften Zerstörung bringen!"
Die junge Elfe verließ im selbem Moment ihr Versteck und stürmte auf die Männer zu. Sie trug auf ihrem Kleid ebenfalls das Wappen mit dem Hirsch.
"Was hast du getan, Vater?", schrie sie Terano an. Dieser fuhr erschrocken herum: "Lillet, was machst du hier, du solltest doch im Schloss bleiben!" Erst jetzt fiel Shanora auf, dass Lillets Augen dunkelrot waren, die ihres Vaters aber in normalem Braun. Der Dunkle musterte die junge Elfe interessiert.
"Wie alt ist dein aufgewecktes Mädchen den?", fragte er Terano.
"Du kannst das Wort ruhig an mich richten!", sie fixierte den Dunklen, "Dann kann ich dir gleich sagen, dass ich mit Deinesgleichen nicht spreche!"
Terano erschrak fürchterlich: "Es tut mir leid, Meister! Verzeih meiner Tochter, sie ist erst 12 Jahre alt, sie weiß noch nichts!"
Der Dunkle lächelte nur amüsiert: "Sobald sie 18 ist, werde ich sie mir holen! Du scheinst gute Gene zu haben!" Mit diesen Worten löste er sich auf und lies Terano und Lillet verängstigt zurück.
Shanora rieb sich den Kopf, sie hatte ihre Hand von Lillets Stirn genommen und war damit wieder im Labor von Finns Villa gelandet.
"Geht es dir gut, Mädchen?", wollte Did wissen.Shanora fühlte sich schwindlig, sie brauchte eine Pause.
"Du solltest dich hinlegen!", Chruch wirkte besorgt.
"Nein!", widersprach Shanora, "Nicht bevor ich euch erzählt habe was ich sehen konnte!"
Church wirkte nach wie vor besorgt: "Das kannst du uns später erzählen!"
Shanora schüttelte den Kopf: "Nein Chruch! Der Mann, der mir in Schwarzwasser geholfen hat, es ist dein Onkel!" Church kniff die Augen zusammen, auch er war dem Raben zweimal begegnet. Neben Marbas hatte er das nicht erwähnen wollen, sonst wäre er erst recht wieder von ihm verehrt worden.
"Wie kommst du auf so etwas?", fragte er Shanora. Auch Did schien nun äußerst interessiert zu sein.
"Der Name unserer toten Freundin hier ist Lillet!", begann Shanora zu erzählen, "Sie hat als Kind die Ermordung deines Vaters durch den Dunklen beobachtet, wie auch die Verhaftung deines Onkels!"
Chruch Kopf rotierte, war er wirklich, damals mit Finn, seinem Onkel begegnet? "Leg dich erst einmal hin!", er sah Shanora ernst an, "Dann habe auch ich eine Erinnerung, die du dir ansehen solltest!"
Noch bevor Shanora widersprechen konnte mischte Did sich ein: "Ich bewache unsere neue Freundin solange, wir können später fortfahren!"
Shanora musste sich eingestehen, dass sie mehr als nur müde war. Ein paar Stunden Ruhe nach all der Aufregung würden ihr mit Sicherheit guttun. Sie versuchte sich vom Boden zu erheben, kam aber sofort ins Schwanken.
Church stützte sie: "Ich bringe sie ins Bett! Pass auf das Dornröschen nicht erwacht und abhaut bevor wir alle Informationen haben die wir brauchen!"
Shanora versuchte ihm einen Schlag zu verpassen: "Das war Geschmacklos! Auch wenn es schön ist, dass dein schwarzer Humor nicht kaputtgegangen ist!"