Angst durchströmte Shanoras Körper, wer oder was konnte hier herauf kommen?
"Shanora?", dumpf und rau ertönte ihr Name von der Gestalt, die sich nun endgültig in ihr Schlafgemach schwang. Der eiskalte Wind ließ Shanora erneut erschaudern.
"Wer bist du?", flüsterte sie verunsichert und wich zurück, sie fiel wieder auf ihr Bett. Schnell hievte sie sich hoch und setzte sich auf, ein Blick in Richtung Fenster verwirrte sie.
Das Fenster war geschlossen, der Nachthimmel ruhig und von dem Gewitter nichts mehr zu sehen.
"Was ist hier los?", flüsterte sie, Tränen flossen über ihre Wangen.
"Shanora?", eine Stimme neben ihr erschreckte sie fast zu Tode.
Sie wirbelte herum und sah in das Gesicht des Mannes, er neben ihm am Bett saß.
"Cash?", sie sprang auf, ihr Magen wurde augenblicklich flau. Cash stand ebenfalls auf, sofort lief Shanora zu ihn zu und schloss ihn in die Arme.
Er wirkte überrascht und sein Körper verspannte sich einen Moment, dann aber erwiderte er die Umarmung.
"Ich bin so froh, dass du wieder da bist.", flüsterte sie ihm ins Ohr. Aber irgendetwas kam Shanora anders vor, sie löste sich von der Umarmung und betrachtete Cash eingehend. Dann lächelte sie ihn warm an, was ihn dazu veranlasste sie wieder näher zu sich zu ziehen.
Cash legte seine Hände auf Shanoras Wangen und warf ihr einen intensiven Blick zu, dann stellte er die Frage: "Empfindest du etwas für mich?"
Shanora löste sich von ihm: "Was?"
Cash schien sie mit seinem Blick durchbohren zu wollen: "Sag mir, ob du etwas für mich empfindest?"
Shanora wich zurück: "Warum fragst du mich das?"
Sie wollte mehr Abstand zwischen sich und ihn bringen, aber er ließ sie nicht.
"Wieso fragst du das jetzt?", wimmerte Shanora und versuchte aus dem Griff seiner eiskalten Hände zu entkommen.
"Gibt mir einfach eine Antwort auf meine Frage!", seine Stimme klang rau, dunkel und kühl.
Shanora lag zitternd im Bett des kleinen Hotelzimmers, vor welchem man sie an der Rezeption gewarnt hatte.
Jeder, der je dieses Zimmer bewohnt hatte, war nach der Nacht tot aufgefunden worden. Cash vermutete den Alp, den zweiten der drei Dämonen die sie suchten dahinter. Daher hatten sie sich eingemietet, um ihn heraus zu locken.
Vor einer gefühlten Ewigkeit war Cash vom Sofa aufgesprungen, um sich noch ein paar Erdnüsse aus dem Automaten zu holen.
Die Deko des alten Zimmers war mehr als gruselig, ein Bild eines weinenden Clowns, alte Porzellanpuppen auf dem gefakten Kaminsims, die sie anstarrten. Kein Wunder das man hier einen Alp heißenden Dämon vermutete. Finn hätte das gefallen, da war Shanora sich sicher.
Wo blieb Cash nur? Shanora seufzte. Sie hatte ein Problem, den die Nähe des jungen Mannes gefiel ihr von Tag zu Tag mehr.
Sie fragte sich, ob sie gerade dabei war tiefere Gefühle für ihn zu entwickeln.
Ihren Gedanken nachhängend döste sie ein wenig ein.
Plötzlich wachte sie auf, jemand schmiegte sich von hinten an sie und zog sie und umschloss sie mit seinen Armen.
Reflexartig wollte sie aufspringen, aber der Griff der warmen Hände verstärkte sich.
"Ich bin es Shan.", murmelte Cash hinter ihr.
Schauder durchzog Shanoras ganzen Körper: "Ich... Cash..."
Ihr Körper versteifte sich als seine Lippen ihren Nacken berührten, sie drehte sich um, ein wenig zu schnell.Sie waren sich so nahe, dass ihre Lippen sich beinahe berührten, das dämmrige Licht warf unheimliche Schatten auf ihre Gesichter.
Shanora hob ihre Hand und folgte wie in Trance den Zügen von Cash Gesicht.
Er sah sie mit verträumten Augen an, der Moment schien unendlich zu sein."Wir sollten das nicht tun, du solltest das nicht tun.", flüsterte Cash.
Shanora nickte: "Du hast recht, wir müssen uns auf den Auftrag konzentrieren!"
"Komm her!", Cash schien seine Meinung geändert zu haben.
Ihre Lippen trafen sich, Shanora hatte das Gefühl ihr ganzer Körper würde explodieren, alles kribbelte.
Eine Sekunde später war der Alp aus einer der gruseligen Porzellanpuppen gekommen, um sie zu überfallen.
Aber Shanora und Cash hatte damit gerechnet und ihn blitzschnell eingefangen.
Dann war er im Bad verschwunden und hatte kein Wort mehr mit ihr gesprochen.
Am nächsten Tag waren sie in die Schweiz aufgebrochen und er war förmlich vor ihr davon gelaufen.
Kurz bevor sie die Verführerin gefunden hatten, kam es zum Streit.
"Was war das, gestern Nacht?", hatte Shanora ihn angebrüllt.
"Es war dumm, es tut mir Leid!", hatte er sie angeschrien.
"Was tut dir Leid? Das du zwar mit jeder Frau flirtest aber ich, keine Ahnung!", Shanora wäre damals beinahe in Tränen ausgebrochen.
"Würdest du mit mir ausgehen?", hatte er sie dann plötzlich gefragt, seine sanfte Stimme hatte sie sofort beruhigt.
"Was?", verwirrt hatte sie ihn angestarrt.
"Wenn das alles vorbei ist, wir die drei Dämonen haben.", er hatte auf den Boden gestarrt, "Würdest du dann mit mir ausgehen, also so richtig? Obwohl du weißt wer ich bin? Obwohl mich alle anstarren als wäre ich..."
Shanora hatte ihn damals angelächelt: "Hör auf zu reden, Hannibal Cash! Es ist und war mir schon immer egal was die anderen über dich sagen und denken! Ich kenne dich, und du bist nicht dein Vater!"
Cash hatte sie dann schüchtern angelächelt: "Heißt das ja?"
Shanora hatte genickt: "Ja!"
"Nun?", die Stimme des Fremden in ihrem Schlafzimmer riss sie aus ihren Erinnerungen.
Sie war sich jetzt sicher, das konnte auf keinen Fall Hannibal Cash sein. Die Stimme, die Art... Niemals!
Shanora ballte die Hände zu Fäusten und konzentrierte ihre Kräfte, dann riss sie sich los und teleportierte sich hinter ihr Bett. Sie starrte an die Stelle, an der sich die Kopie von Cash befunden hatte, aber da war niemand.
"Denk nicht einmal daran mich anzugreifen.", flüsterte er ihr ins Ohr, er stand hinter ihr.
Shanora schrie erschrocken auf und wirbelte herum. Jetzt hatte er seine wahre Gestalt enthüllt und das Theater aufgegeben.
Eine Maske, Shanora starrte auf eine Maske.
Eine weiße Maske die das ganze Gesicht verdeckte, ohne Löcher für die Augen. Darauf waren die Züge eines Fuchses gezeichnet mit roter Farbe. Ein paar glatte schwarze Haarsträhnen lugten unter der Kapuze seines schwarzen Umhangs hervor, seine Hände steckten in schwarzen Lederhandschuhen, seine schwarzen Stiefel wirkten alt und seine Hose hatte einige Risse.
"Du bist langsam mit deiner Analyse!", die raue tiefe Stimme hatte nun noch einen Hauch Dekadenz gewonnen.
Dann bekam Shanora einen Schlag gegen den Rücken, der sie auf ihr Bett warf.
Shanora keuchte, er schien irgendeinen Punkt getroffen zu haben, der ihr die Luft aus den Lungen trieb.
"Warum tust du das?", hustete sie und drehte sich auf die Seite. Der Schmerz in ihrem Rücken trieb ihr die Tränen in die Augen.
"Bekomme ich keine Antwort auf meine Frage? Falls du sie vergessen hast, Darling, es war: Liebst du Hannibal Cash?", der Eindringling machte einen Satz auf ihr Bett und packte sie am Hals, zwang sie wieder seine Maske anzusehen.
Shanoras Gedanken liefen Amok, sie fragte sich, warum dieser Fremde ihr das antat, und warum er so interessiert an ihren Gefühlen für Cash war.
Wer war er und warum kam er mitten in der Nacht zu ihr und versuchte sie zu verarschen mit seiner billigen Verwandlung.
Aber egal wer er war, er war mächtig.
Er konnte nichts sehen durch die Maske, was ihn aber nicht zu behindern schien. Er bewegte sich schnell und lautlos, zu schnell für ihre Augen.
Er war an den Wachen vorbei am Turm hoch bis zum 40. Stock gekommen.
Shanora hievte sich hoch und schlug seine Hand weg: "Fahr zur Hölle du Freak!"
Ein raues Lachen ertönte hinter der Maske: "Wir sehen und bald wieder, Shanora!"
Dann verschwamm er, verschwand vor ihren Augen.
Shanora versuchte indes ihre Augen offen zu halten, aber sie fielen zu, nur einen Moment, dann schreckte sie hoch.
Sie lag in ihrem Bett, unter ihrer Decke, die Sonne strahlte durch das Fenster, es war bestimmt schon Mittag.
"Guten Morgen Sonnenschein!", Cash lehnte wieder neben dem Fenster.
"Guten Morgen, ich hatte einen eigenartigen Alptraum!", Shanora setzte sich auf.
Cash lächelte: "Du musst wieder anfangen zu sprechen. Du weißt doch, ich bin bloß eine Halluzination!"
Shanora begann leise zu weinen, sie wusste, dass Cash nur in ihrer Einbildung noch da war.
Aber sie wollte nicht aus ihrem Gefängnis kommen, sie wollte in ihrem Kopf gefangen bleiben.
Allerdings war da dieser eigenartige Alptraum in der Nacht, dieser Traum eines maskierten Geistes oder was auch immer das gewesen sein konnte.
Sie musste wieder am Leben teilnehmen, ansonsten würde sie wahrscheinlich verrückt werden.
In dem Moment klopfte es an der Türe, Shanora stand auf und wollte sie gerade öffnen, als sie aufgerissen wurde.
Ihre Augen weiteten sich, als sie sah wer da vor ihr stand.
"Du lebst, du bist wach!", brachte sie noch hervor, dann sprang sie ihm um den Hals.
"Und du sprichst!", Finn lächelte und schloss seine Schwester in die Arme.
Es dauerte einen Moment, bis Shanora sich wieder gefangen hatte, sie musste ihn eine Zeit lang fest halten, um sicher zu sein, dass das kein Traum war.
Finn klopfte ihr auf den Rücken, als sie ihn loslies, daraufhin zuckte sie vor Schmerz zusammen.
"Was hast du?", fragte Finn erschrocken.
Shanora wurde blass und rannte ins Badezimmer, stellte sich vor den Spiegel.
Sie stellte fest, dass sie dringend ihre Haare waschen musste, und als sie ihr T-Shirt hoch zog, sah sie, dass sie einen riesigen Bluterguss am Rücken hatte.
Panisch rannte sie zum Fenster und versuchte es zu öffnen, aber der Griff ließ sich nicht bewegen.
"Was hast du vor?", Finn hatte einstweilen auf ihrem Bett Platz genommen.
"Da war jemand... Heute Nacht, er ist durchs Fenster eingestiegen und hat mir das verpasst!", Shanora zeigte ihm den Bluterguss.
Finn erhob sich langsam und zog sie von dem Fenster weg: "Shanora, wir sind im 40. Stock! Ich selbst habe das Gebäude entworfen! Man kann die Fenster nicht öffnen! Es gibt eine Wohnraumlüftung!"
Shanora wich zurück und setzte sich zittrig aufs Bett: "Nein... Das kann nicht sein... Er war hier! Er trug eine Maske und hatte anfangs die Gestalt von... Er wollte wissen ob ich Gefühle... Ich..."
Weiter kam sie nicht, die Tränen übermannten sie.
Finns türkise Augen waren voller Verständnis: "Ich verstehe deinen Schmerz, Shanora! Es geht um ihn oder, um den leiblichen Sohn von... Du weißt schon! Chruch hat erzählt das..."
Shanora sprang auf und unterbrach ihn: "Chruch ist hier? Seit wann?"
Finn hob eine Braue: "Seit gerade eben, er hat mich aufgeweckt... irgendwie!"
Shanora rannte los, riss die Türe auf und stürmte die Treppen hinunter, 4 Stockwerke bis sie hinter der Türe zum Aufenthaltsraum Geschrei hörte.
"Was zum Teufel sollen wir noch glauben, du tauchst einfach hier auf und Finns Körper verschwindet im selben Moment? Außerdem sieht er aus wie ein...", Celles Stimme war laut und deutlich bis ins Treppenhaus zu hören.
"Halt die Klappe, Celles!", schrie Sassy ihr entgegen, "Lass ihn erst einmal etwas sagen, er kann sicher erklären, was mit ihm passiert ist!"
Shanora verdrehte die Augen, diesen Streit würde sie unterbrechen.
Sie riss die Türe auf, stürmte in den Raum, woraufhin alle verstummten.
Shanora hielt kurz inne, Church stand zwischen Celles und Sassy, aber er hatte sich verändert. Seinen Rücken zierten schwarz gefiederte Flügel, die bis zum Boden reichten. Aber die größte Veränderung fiel ihr auf, als er sich zu ihr umdrehte.
"Was...", Shanora bleib mit offenem Mund stehen. Sein Gesicht war nicht mehr entstellt, die Narben und schwarzen Nähte waren verschwunden.
"Shanora!", selbst seine Stimme klang reiner, aber immer noch vertraut.
"Du bist wunderschön!", brachte sie hervor und fiel ihm um den Hals.
Church nahm sie in den Arm, löste sich dann aber schnell von ihr und sah ihr tief in die Augen: "Was passierte in der Nacht?"
Shanora ging einen Schritt zurück: "Woher weißt du..."
Church legte ihr die Hand auf die Wange, blitzschnell spielten sich die Erinnerungen an die letzte Nacht vor Shanoras Augen ab.
"Du musst deine Gedanken ordnen, aber was in der Nacht geschah hast du dir nicht bloß eingebildet!", Churchs Blick war besorgt.
"Was geht hier vor?", Celles schien immer noch zu toben.
Ein lauter hoher Pfeifton ließ alle um Church herum auf die Knie fallen und sich die Ohren zu halten, dann sahen sie die Bilder des Eindringlings.
"Das Gespräch ist Shanoras Privatsache!", erklärte Church, der diese Massenvision verursacht hatte.
"Hey Kumpel, mach nicht allen mit deinen neuen Fähigkeiten Angst!", Finn kam hinein und sorgte nun endgültig für Wirbel.