Am Samstagmittag kam lieber Besuch: Lis zusammen mit Leila. Die flog mir gleich an den Hals, ihre Küsse waren aber absolut schwesterlich. Lis sah es sehr wohl. „Hallo, mein lieber Bruder. Ich bin ja so aufgeregt wegen des Fluges. Dein Domizil wollte ich mir aber schon mal ansehen. Ihr wohnt ja prächtig, wenn man da unten in der Halle steht, dann ist es ja fast wie in einem richtigen Schloss. Ich bin sicher auch Mutti würde es hier sehr gefallen.“
Ich stellte ihr Renate vor. Leila wusste wohl genau, was zwischen uns lief, Lis hatte mal wieder gequatscht. Dann zeigte ich ihr meine Räume und bat sie danach, mit zu Mom zu kommen. Natürlich wollte Mom wissen, wie ihr das Buch von der Prinzessin gefallen hätte.
„Es war wunderschön“, lachte Leila. „Es lag sogar nahe bei der Wahrheit. Die Schmuseszenen waren ergreifend. Ich musste weinen - dabei sollte ich eigentlich gar nicht wissen, was da so vorging. Da hat Paul wohl sehr aus dem Nähkästchen geplaudert.“
„Und wie empfandest du dich als Prinzessin?“
„Na ja, eigentlich ganz normal. Ich bin in Persien ja im Range einer Prinzessin, wie Mama auch. Das vererbt sich immer auf die Tochter. Das ist eines der wenigen Vorrechte, die wir noch haben. Unsere Dynastie, das Haus Radama, ist halt uralt.“
„Dann müsste ich dich ja als Hoheit anreden?“, staunte Mom.
„Wehe, da würde der hoheitliche Zorn über mich kommen, also besser nicht. Für Mutti und mich sind es heimatliche Rituale, die dort sehr wohl, hier aber keine Bedeutung haben“, lachte Leila und ich staunte. Rama und Leila sind echte Prinzessinnen? So natürlich wie die sich gaben, hatten sie sich da wohl einen Scherz ausgedacht, gibt es in Persien denn überhaupt Prinzessinnen?
Wir verabschiedeten uns von Mom. Bei mir oben war der Kaffee fertig. Vor allem Renate quasselte viel mit Leila, oder wurde sie ausgehorcht? Ganz offensichtlich wurde Leila von meinen Frauen gemocht. Dann war es auch schon Zeit. „Bis morgen.“
***
Sonntag. Papa und Axel saßen vorne im gemieteten VW-Bus. Dahinter Kristin und Leila. Lis und ich ganz hinten, wo wir verliebt Händchen halten konnten - dann sind wir ja auch in der Rangordnung die jüngsten, grinste Lis dazu.
Die Fahrt war langweilig und die Mädchen aufgeregt. Ich denke Axel und ich auch, als Mann braucht man das aber nicht unbedingt zu zeigen. In Frankfurt warteten zwei Mann der Flughafenpolizei. Hintenherum wurden wir in eine sogenannte Lounge geleitet. Dort wurden Papa und Axel, gegen Empfangsquittung, von ihren versiegelten Koffern befreit. Zwei kräftige Kerle von der PanAm nahmen sich ihrer an. Papa unterschrieb, einem ebenfalls anwesenden Beamten vom Zoll eine Deklaration, dann war alles erledigt. Es war für Papa reine Routine. Danach wurden wir eingecheckt. Papa wurde sehr freundlich von einer Stewardess begrüßt. Es war ganz offensichtlich nicht sein erster Flug.
In der Lounge wurden wir so richtig verwöhnt. „Hier ist alles frei, während des Fluges ebenfalls. Seid aber bitte vorsichtig mit dem Alkohol“, bat Papa.
Lis, Leila und Kristin fielen über die Säfte her, dann gingen sie zu Cola über. Axel und ich tranken unseren ersten Whisky, mit Eis. Harter Stoff. Nach gut einer Stunde wurden wir ins Flugzeug geleitet. Ganz bequeme Sitze, mit viel Freiheit für die Beine.
Lis, immer Probleme mit Physik, fand schnell heraus, dass man die Sitze zu bequemen Liegen umwandeln kann. Sie bekam sogar die Normalstellung wieder hin. Champagner wurde noch vor dem Start gereicht, Lis und Leila entschieden sich jedoch für Orangensaft. Alle bekamen wir eine kleine Tasche. PanAm stand drauf, drinnen waren die herrlichsten Sachen: ein großer Flakon Duftwasser, Rasierzeug, Zahnbürste mit Zahnpasta. Eine wohlriechende Seife, ein Kamm. Ein Kartenspiel, Ohrenpfropfen, Socken und eine Augenklappe dazu noch ein Päckchen Papiertaschentücher und ein Weltreiseführer. Start. Lis packte fest meine Hand. Leila saß neben Papa und packte vertrauensvoll dessen Hand, er lächelte nur. Kristin und Axel saßen hinter mir. Der Service an Bord war ganz hervorragend. Ich versuchte einen Gin-Tonic, von dem ich so oft gelesen hatte. Lis wollte nur einen Saft, ihr musste es doch inzwischen im Bauch gluckern. Sie trank dann aber ganz frech einen großen Schluck aus meinem Glas. Dann kam das Essen. Es war einfach wundervoll: Rinderfilet Wellington. Ich werde das wohl nie vergessen. Dazu gab es einen Rotwein: Merlot. Da wollte auch Lis ein halbes Glas davon haben, und wie ich sehen konnte, Leila ein Ganzes. Nach dem Essen breitete sich Müdigkeit aus. Papa schlief als Erster.
***
Montag. Frühstück. Omelett mit warmen Tomaten und einer merkwürdigen Wurst. Lis wollte diese gegen meine Brötchen tauschen. Ich beschaffte lieber zusätzliche zwei Brötchen, die Wurst war auch nicht so mein Fall. Wir hatten sowieso genug gegessen. Um sechs Uhr Ortszeit waren wir da. Ich erklärte Lis das mit der Zeitverschiebung. Sie war zu aufgeregt um es zu begreifen oder es war ihr egal. Der Purser kam und brachte die Geldkoffer. Landung. Lis wollte zuerst einmal geknuddelt werden, als die Maschine stand. Leila stand auch plötzlich neben mir. Was soll’s, ich nahm auch sie in den Arm und gab ihr einen brüderlichen Kuss. Lis zeigte keinerlei Interesse daran.
Die erste Klasse, es waren noch vier Geschäftsleute mit an Bord, konnte auch als Erste rausgehen. Als wir die Gangway hinunter kamen, stand da ein großer bärtiger Bursche mit einem Schild:
Mr. Paul Oktober - Mr. Albert Bronner.
Wir gaben uns zu erkennen. Ein älterer Mann mit Turban und ebenfalls Bart trat vor, neben ihm eine junge Frau. Sehr elegant gekleidet.
„I’m Singh, Majordomo in the House of Radama“, dann deutete er auf die junge Frau. „This is Her Highness Princess Marni Radama.“
Zwei bis an die Zähne bewaffnete grimmig dreinblickende Kerle standen plötzlich hinter Papa und Axel. Papa zeigte jedoch keine Furcht, nur ein Lächeln. Die Situation schien normal. Es war ihre Leibwache, wie ich später erfuhr.
Schon im Flugzeug ging alles nur über Englisch. Hier klang es zwar etwas seltsam, ich konnte es jedoch sehr gut verstehen. Lis offensichtlich auch.
(Anm. des Verfassers: Ich übersetze hier, wie auch später, die Texte, denn es ist nicht unbedingt anzunehmen, dass alle, die das Buch lesen, es sonst verstehen würden. Ich hatte, anfänglich, die Dialoge zwar in der entsprechenden Fremdsprache - es las sich aber sehr mühselig.)
„Bitte, wer ist Mr. Paul Oktober?“, fragte Mr. Singh.
„Ich. Ich bin Paul Oktober“, meldete ich mich.
Die junge Frau trat auf mich zu. „Willkommen im Namen der Familie. Das ist wohl die kleine Tochter Lis?“ Sie sah deren Diamantring blitzen, den sie auf Anregung von Papa trug. „Ist das ein Verlobungsring? Seid ihr etwa schon verlobt?“
Lis nickte, etwas eingeschüchtert.
„Dann bist du ja eine große Tochter. Sei du uns dann ganz besonders willkommen.“ Danach wurde Leila begrüßt. Es wurde persisch gesprochen, wovon ich natürlich kein Wort verstand. Die Begrüßung war auf jeden Fall sehr herzlich, das sah man. „Wir werden jetzt ins Hotel gefahren“, sagte Marni danach, dann etwas zum Majordomus Singh. Der bat um unsere Pässe und die Tickets, dazu die Einwanderungs- und Zollerklärung, die wir schon an Bord ausgefüllt hatten. Er pfiff durch die Finger; in Sekundenschnelle fuhren zwei lange Mercedes 600 vor. Papa, Kristin und Axel wurden in den Ersten gepackt, die Bewaffneten stiegen mit ein. Lis, Leila und ich, zusammen mit Marni, in den Zweiten. Es waren nur knapp fünf Minuten vergangen. Nach weniger als einer Stunde waren wir im Hotel, von den Anderen war nichts zu sehen.
„Sie sind bereits auf ihren Zimmern. Ich bringe dich, Sohn Paul und deine Frau, jetzt auf euer Zimmer. Dies ist ein Radama Hotel; für euch Sohn Paul und Tochter Lis, habe ich von Leila Radama unserer Chefin, wir sagen Älteste, obwohl sie noch recht jung ist, besondere Anweisungen erhalten. Ihr bekommt die beste Suite des Hauses, die Schahsuite“, wurde uns mitgeteilt. „Zu eurem Wohlgefallen und zu eurer Hilfe steht ein Mädchen aus unserem Hause zu eurer Verfügung. Sie weiß, wie eure Verwandtschaft zu erreichen ist. Das Gepäck und eure Pässe werden in etwa einer Stunde da sein.“
Wir kamen zu einer großen Türe. Ein sehr bulliger, sehr bärtiger und vor allem sehr hässlicher Bursche saß davor auf dem Boden. Als er Marni und uns kommen sah, stand er auf und verbeugte sich sehr tief, sehr devot, aber völlig wortlos.
„Das ist Abdallah, euer Leibwächter“, stellte sie den Bärtigen vor. „Er wird vor der Türe bleiben. Kommt Besuch, wird er klopfen und euer Einverständnis verlangen sie eintreten zu lassen. Er kann nicht sprechen, jedoch sehr viel Lärm machen. Geht ihr außer Haus, wird er euch wie ein Schatten folgen also, erschreckt deshalb nicht.“
Sie ließ uns von Abdallah die Türe zur Suite öffnen. Es war eine Pracht. Ein wundervoll eingerichtetes Wohnzimmer, ein königliches Schlafzimmer und ein tolles Bad mit extrem großer runder Wanne. Ein fürstliches Esszimmer und eine kleine Küche. Ein Gästezimmer. Dann gab es noch ein einfaches Mädchenzimmer und eine kleine Kammer für Wäsche und so was. Lis war voll weg, sie hing schwer an meinem Arm und staunte nur.
Ein Mädchen kam herbeigeeilt. „Ich sein Kitty. Ich mich freuen. Bitte sagen was Wunsch“, dann verbeugte sie sich ebenfalls sehr tief.
Marni gab mir einen dicken Umschlag. „Da sind viele kleine Scheine drin. Gegenwert je ein viertel Dollar. Für jeden Dienst gibt man hier ein Trinkgeld. Verwende es und nutze es reichlich, Sohn des Hauses. Ich lasse euch jetzt alleine. Um vier holt ein Diener euch ab, in das armselige Haus der Radama. Ihr werdet euch jetzt frisch machen wollen, vor allem du Tochter Lis“, lächelte Marni und ging.
Lis erkundete alles nochmals, natürlich musste ich mit, Kitty hinterher. In allen unseren Räumen, auch im Bad und der Toilette, standen verschwenderisch Rosen und Orchideen. Auf der Bar standen Kristallkaraffen mit allen möglichen alkoholischen Getränken auch Säfte und Sprudel, Naschwerk war keinesfalls vergessen. Das hier wohl unvermeidliche Baklava war wie selbstverständlich auch da. Eine Visitenkarte von Marni lag dabei: mit freundlichen Grüßen des Hauses. Im Bad hingen zwei flauschige Bademäntel. Die übergroße Wanne und die Waschbecken (für jeden eines) waren mit Seifen, Düften und weiß der Teufel, was noch, reichlich bestückt. Lis schnupperte begeistert daran. Kitty trabte immer noch hinter uns her: „Wollen baden? Jetzt? Lassen ein Wasser. Gerne tun.“
Lis fand die Idee gut. Kitty ließ das Wasser ein. Dann kam sie zu Lis und - begann diese auszuziehen. Lis erschrak erst, dann sagte sie: „Das hat mir Leila schon angekündigt.“ Kitty half ihr in die Riesenwanne. Ohne zu zögern, war dann ich dran. Ich war schneller als sie. Lis grinste. Ich stieg zu ihr in die Wanne.
„Wollen Blubblub?“, fragte Kitty.
Ich nickte, was soll schon sein. Kitty drückte einen Knopf. Plötzlich lagen wir mitten in einem Sprudelbad. Lis erschrak fürchterlich und flüchtete in meine Arme. Dann begriff sie, was los war. Keine Ahnung von Physik, aber das hier fand sie einfach wundervoll.
„Wollen Duft?", bot Kitty nun an.
Lis nickte. Kitty goss eine Essenz, die sehr stark nach Rosen duftete ins Bad. Lis genoss es mit geschlossenen Augen.
„Wollen Champagner?“
Jetzt nickten wir beide begeistert. Das war es, was jetzt noch fehlte. Kitty brachte, ich lachte, Lis heulte. Diese Pracht war einfach zu viel für meinen kleinen Liebling. So etwas konnte man in Deutschland natürlich auch nicht erwarten.
„Ich etwas falsch gemacht?“, fragte Kitty offensichtlich entsetzt.
„Nein, meine geliebte Frau ist glücklich, dann weint sie oft“, antwortete ich.
Kitty war beruhigt. Sie setzte sich auf einen Hocker an die Tür und bat: „Sagen wenn fertig. Ich Handtuch und Bademantel.“
„Hast du gerade Frau zu mir gesagt?“, fragte Lis.
„Ja, bist du ja eigentlich auch und Marni hat dich doch auch so betitelt. Das ist wohl dein Ring, du hast ihn am Hochzeitsfinger.“
„Ich dachte das sei ein europäischer Brauch, ich gebe aber zu, ein wenig hat mich auch der Teufel geritten. Leila hat gesagt, hier werden Mädchen schon mit sechzehn verheiratet und haben mit siebzehn ihr erstes Kind.“
Dann, ich war voll verblüfft, sprach sie ein paar Worte zu Kitty. Auf Persisch. Den Klang kannte ich inzwischen. Kitty plapperte los. Lis bremste sie: „Ich kann nur ein paar Worte.“
Kitty entschuldigte sich. „Danke für nette Worte. Ich Mädchen für VIP. Ich Mädchen für alles.“
„Alles?“, wollte Lis es genau wissen.
„Alles“, bestätigte Kitty.
„Du meinst, du würdest auch mit deinem Körper zur Verfügung stehen, wenn es verlangt wird?“, versicherte sie sich nochmals, ob sie es auch recht verstanden hatte.
„Ja, dazu ich ausgebildet. Prinzessin Marni mich aussuchen dafür, nach Besuch bei Doktor.“
Ich war verblüfft. Lis klärte mich auf: „Das ist für sehr ehrenwerte Gäste hier so üblich. Es redet nur keiner darüber, sagte mir Leila.“
Das Wasser wurde kalt und wir langsam müde. Kitty brachte uns Handtücher, Bademäntel und weiche Schlappen. Dann führte sie uns in unser Schlafzimmer. „Mich brauchen?“
„Wir sind müde. Danke“, winkte Lis ab.
„Wenn brauchen, klatschen in Hände. Ich hören“, sagte Kitty und verschwand.
„Papa hat ja schon oft davon erzählt, wie prachtvoll es hier ist. So schön habe ich es mir aber bei Weitem nicht vorgestellt“, dann weinte mein Liebling wieder ganz leise und sehr glücklich in meinen Armen. Ich konnte es verstehen. Es war ein aufregender Tag - für uns beide.
„Sohn Paul, aufwachen“, schreckte ich aus einem wilden Traum hoch, in dem bärtige Leibwächter eine lebhafte Rolle spielten. Ich wurde zart gerüttelt. „Sein drei Uhr. Diener kommen bald. Mr. Bronner fragen und Mr. König fragen. Wollen sehen?“
„Wir sind sofort fertig, sie mögen kommen“, antwortete ich.
Kitty ging, Lis und ich kleideten uns schnell an. Dann klopfte es auch schon vehement an der Tür. Kitty ging hin, ich folgte ihr. Unser Leibwächter deutete auf den grinsenden Papa, Axel und auf die etwas erschreckt wirkende Kristin. Ich nickte und gab ihm einen Schein von Marni. Er verbeugte sich tief und ließ die Drei passieren. Da sah ich es, dass er im hinteren Hosenbund eine große Pistole trug.
Kristin plapperte zuerst los: „Sind das nicht zauberhafte Suit...“ Sie bekam es nicht raus, sondern schnappte sich Lis. „Führe mich rum. Ich kann nicht glauben, was ich sehe. Eure ist ja noch viel toller als unsere.“ Die Schwestern zogen los.
„Ihr habt die Schahsuite. Was Besseres kann man nicht bekommen“, staunte auch Papa. „Na ja, so als Gwaihir ...“
„Also Kristin war überglücklich. Unsere Suite ist noch viel schöner als die in Konstanz. Ihr habt aber auch nicht gerade das absolut einfachste Zimmerchen“, stellte Axel recht gelassen tuend fest.
„Was dürfen anbieten zu trinken?“, wollte Kitty wissen.
Papa wollte Cognac, Axel und ich tranken Gin Tonic. Er schmeckte uns beiden.
„Mein lieber Paul, ich staune immer mehr. Ihr habt sogar ein eigenes Mädchen? Die hier ist bestimmt ihr Geld wert.“
„Marni hat sie extra für uns ausgesucht. Sagt sie“, wir sprachen deutsch - aus Gewohnheit. Kitty kniete neben meinem Sessel. Auf Abruf bereit.
„Und was ist da so Besonderes dran?“, wollte nun Kristin wissen, von der Inspektion der Räume zurück. „Diese Suite ist schon die Pracht schlechthin. Die als Wohnung, mit Axel zusammen, wäre ein Traum.“
„Nun, meine liebe Tochter, dieses Mädchen ist für alle Dienste da. Alle. Du verstehst? Das bekommen nur VIPs‚ Very Important Persons. Und das ist unser Paul hier nun mal.“
„Du meinst auch … oh, was ein Glück, dass wir kein Mädchen haben. Das mache ich dann doch lieber selber. Gell Axel?“
„Mann muss ja nicht jeden Service ausnutzen“, grinste der.
„Dann hätte ich ja immerhin mal Gelegenheit wenigstens zu sehen, wie es geht“, grinste Lis verschmitzt.
„Ihr seid eine versaute Bande. Macht euch jetzt fertig, zieht euch gut an. In einer halben Stunde werden wir abgeholt. Treffpunkt: unten in der Halle“, dann lachte Papa, dass Kitty vor Schreck flüchtete und unser Leibwächter herein sah. Er kann angeblich nichts hören, er spürte wohl die Schallwellen an der Türe.
***
In der Halle erregten wir irgendwie Aufsehen, als wir von vier schwer bewaffneten Dienern und der bezaubernden Marni abgeholt wurden. Ein ganz klein wenig erinnerte es mich an einen Faschingsumzug. Das sagte ich aber nicht.
Das armselige Haus der Radamas entpuppte sich als ein Palast. 249 Zimmer, erfuhr ich später. Der Empfang war ... nein, ich kann es nicht beschreiben. Gigantisch wäre maßlos untertrieben. Als wir in eine große Halle traten, verbeugten sich gut 200 Leute vor uns. Die Augen von Lis glitzerten, Kristin und Axel schienen etwas verschüchtert. Nur Papa sah stolz um sich, als sei er es gewohnt, stets so empfangen zu werden.
Leila Radama war eine noch recht junge, sehr gepflegte Frau. Ich schätzte sie so auf Mitte 30, sehr schön gekleidet, mit schwerem Schmuck um den Hals. Sie drückte mich an ihre Brust.
„Sohn, ich habe vernommen was du für unsere Schwester Rama getan hast. Sie folgte leider der Liebe nach Deutschland, obwohl sie die ältere von uns ist und - natürlich immer noch Prinzessin. Ich bin nur die gewählte Älteste. Marni ist unsere jüngste Schwester. Nun, heute ist dein Tag der Ehre als Gwaihir. Erweise sie uns, zusammen mit deiner entzückenden jungen Frau.“ Sie drückte die arg verlegene Lis ebenfalls an sich, die bisher eher unbeobachtet neben mir stand und große Augen machte. Die Pracht des Palastes schien sie völlig zu faszinieren.
Leila die Ältere wendete sich an Papa. „Dies ist wohl euer Vater, sei auch du gegrüßt. Deine Geschäfte haben sicher noch etwas Zeit. Unser Geschäftsführer wird dich später im Hotel erwarten, um eure Termine abzusprechen. Und ihr seid“, sie sah auf ein Blatt Papier. „Kristin und Axel. Du Kristin siehst ja deiner Schwester sehr ähnlich. Genauso hübsch.“
Sie klatschte in die Hände. Singh, der Majordomus, kam angeschossen. Sie befahl ihm etwas. Er brachte daraufhin die wunderhübsch angezogene Leila und ein Mädchen, wohl etwas jünger als sie.
„Leila, meine Nichte, kennt ihr ja. Leila möchte neben dir und deiner Frau sitzen. Ich denke, der Wunsch deiner Schwester wird dir Befehl sein.“ Dann rief sie etwas zu den Anwesenden, die still unserem Gespräch lauschten, natürlich auf Persisch.
Freudiges Gemurmel begann.
„Das Fest beginnt“, flüsterte Leila.
Ein Diener führte uns zu den Plätzen. Lis saß zwischen Papa und mir. Leila auf meiner anderen Seite. Das Mädchen saß neben ihr auf dem Boden. Offenbar eine Dienerin. Vor unserem Tisch war eine große Fläche freigelassen. Dahinter, uns zugewandt, ein gleich großer Tisch, an dem ich in der Mitte die Älteste erkannte, ein vornehmer Herr neben ihr. Marni sah ich auch.
Die Menge verteilte sich hufeisenförmig um uns.
Es war das Fest der Feste. Köstliches Essen wurde aufgetragen, als Getränke gab es etwas, was so ähnlich wie Lessy klingt. Es war verdünnter Joghurt mit etwas Zitrone. Süß oder salzig war die Auswahl. Alternativ Tee. Auf der freien Fläche unterhielten, wie in einem Zirkus, Gaukler und Akrobaten die Gäste. Im Hintergrund spiele eine Kapelle unbekannte Melodien mit für meine Ohren auch etwas zu schriller Musik.
„Hier wird kein Alkohol ausgeschenkt, wenn das Volk da ist“, flüsterte Leila neben mir. Laut genug, dass es Lis verstand. Wir waren bei Baklava und Mokka. Was sonst konnte man hier erwarten. Dann kamen, die Szene kam mir bekannt vor, drei Jungs auf Knien angerutscht. Sie schoben einen großen goldenen Blumenkübel vor sich her. Was mich verblüffte war, dass sie genau auf mich zukamen.
Vor mir kniete einer auf und las von einem Papier ab, in einem schrecklichen Deutsch: „Sohn Paul, Tochter Lis! Große Freude, dass Haus euch ehren. Haben unserer Schwester gefreut. Freuen uns alle. Uns Ehre dir nennen Sohn. Uns Ehre nennen Lis Tochter. Uns Ehre nennen Vater Onkel. Uns Ehre nennen kleine Schwester und kleine Onkel von Schwester, Freund. Alle gehören zu Familie. Onkel sein erwünschter Partner in Geschäft. Bitte nehmen Ehre an.“
Leila stieß mich an: „Steh auf. Verneige dich tief. Nimm eine Rose und gib sie Lis. Dann sage die Ehre ist bei mir. Ich bin ein Sohn der Radama. Auf Englisch.“
Ich tat es, tosender Beifall brach aus, als ich Lis die wundervolle Rose gab. Sie stand auf, küsste die Rose und sagte, wohl instruiert von Leila, auf Persisch: „Wir sind uns der Ehre bewusst und werden sie immer würdigen.“ Der Beifall verstärkte sich, Lis bekam rote Ohren. Meine wurden zumindest heiß.
Gegen sechs verabschiedete sich die Älteste mit einem huldvollen Lächeln zu uns und zum Volk. Wir wurden kurz danach ins Hotel gebracht. Leila und ihr Mädchen kamen mit.
„Das ist Irma, meine Sklavin“, wurde das Mädchen nun erst mal vorgestellt. Bisher saß sie ja auf dem Boden und Sklaven stellt man nicht vor. „Sklaven gibt es heute zwar nicht mehr, aber in unseren Kreisen gibt es noch viel, was es nicht gibt. Sie ist mir halt zugeteilt worden und ich behandle sie als meine Freundin“, erfuhren wir noch.
Im Hotel wurden Papa, Axel und Kristin von einem Herrn abgefangen. Der Geschäftsführer des Teppichreiches. Er schleppte die Drei in ein Nebengelass. Wir gingen zu unserer Suite, wo wir nach einer tiefen Verneigung unseres Leibwächters, eingelassen wurden. Bakschisch wechselte den Besitzer. Kitty verneigte sich ebenfalls tief und servierte uns ungefragt Champagner. Wir konnten ihn vertragen. Ich verlangte danach nach einem Whisky. Er kam sofort.
„Hast du eigentlich deine Kamera dabei?“, wollte Leila wissen.
„Ja, die Kleine.“
„Darf ich dir etwas sehr Unschickliches erzählen? Willst du es hören, meine liebe Schwester Lis?“
„Meine liebe Schwester Leila kann sagen, was sie möchte. Ich liebe Unschickliches. Vor allem Unschickliches“, grinste mein Weib.
Ich staunte jedoch etwas, wir schienen uns mit unserer Ausdrucksweise irgendwie den Gegebenheiten angepasst zu haben; Lis und Leila zumindest. Die begann nun zu erzählen:
„Dann hört. In Persien haben die Männer das Sagen, die Frauen aber haben die Macht. Erwachsen sein bedeutet, dass eine Frau mit einem Mann nicht so einfach nackt baden kann, wie wir es in Deutschland tun“, grinste sie. „Die Männer in Persien würden auch nie so Kavaliere sein, wie mein Bruder und wie mein geliebter Freund Peter. Eine Frau wäre augenblicklich geschändet und zur Hure abgestempelt, damit nicht mehr heiratsfähig. Das ist so und wird sich kaum ändern.
Die Frauen des Hauses Radama haben nun einen Weg gefunden, sich einen Mann zu angeln, ohne sich einem Unbekannten zu ergeben. Ich gestehe euch nun etwas: Ich habe Mama doch die Bilder gezeigt, die Paul von mir gemacht hat.“ Sie holte tief Luft und verlange nach mehr Champagner. Kitty brachte ihn. „Ich fürchtete zwar einen schrecklichen Krach, die Ehrlichkeit war es mir aber wert. Mama sagte zu meiner Verblüffung aber nur: „Paul scheint mehr von Perserinnen zu wissen, als ich annahm.“ Das konnte ich nun überhaupt nicht verstehen und bohrte nach, dabei kam Folgendes raus:
Es ist trotz Verbotes üblich, von einer vertrauenswürdigen Person solche Aufnahmen machen zu lassen. Ein sympathischer Mann bekommt erst ein harmloses Bild. Das steigert sich, wenn er durch passende Liebesbriefe antwortet. Bekommt er dann ein Foto von der bloßen Brust, ist das ein Zeichen, dass ein Antrag erwartet wird. Bekommt er ein Foto vom Wesentlichen, dann ist der Antrag angenommen; es wird geheiratet. Zumindest der Mann hat keine Katze im Sack umworben. So weit, so gut. In Persien gibt es aber nur wenige vertrauenswürdige Fotografen und die machen meist auch noch schlechte Bilder. Daheim würde ich Scheißbilder dazu sagen.
„Daran hat sicher keines deiner Opfer gedacht, Paul, als sie dir ihre Muschi entgegenhielten“, lachte Lis schallend.
„Ich auch nicht“, antwortete Leila. „Aber dein Problem liebster Bruder kommt jetzt: Marni weiß Bescheid. In meiner grenzenlosen Dummheit und weil mir meine Tante so sympathisch ist, habe ich ihr gesagt, dass du Fotograf bist. Dumm genug, sie wusste es schon. Mama hatte es ihr geschrieben. Und noch viel Schlimmer, Mama hat mir eines der Fotos geklaut und mitgeschickt.“ Ich war entsetzt. „Mach dir deshalb aber keine Sorgen. Tante Marni möchte ganz einfach Fotos von sich und von der ältesten Tochter von Tante Leila. Dann bat sie um die Gunst, ja, sie sagte Gunst, auch Fotos einer gemeinsamen Freundin zu bekommen. Nach dem Motto: Ein Sohn des Hauses muss ja ein Ehrenmann sein. Nun gilt es aber als schlechtes Omen, für solche Fotos zu bezahlen“, jetzt kicherte Leila auch noch. „Marni bietet dir dafür eine Kette aus 52 grauen Perlen an. Ein ideales Hochzeitsgeschenk für meine Freundin Lis. Irdana, die Tochter von Tante Leila, würde zuerst zu euch in die Suite kommen. Sie bringt die Kette mit. Natürlich musst du Marni und Lakhsmi, die Freundin, auch noch fotografieren. Alle vertrauen dir natürlich.“
Ich war platt. Lis, mein geliebtes Biest, lachte sich jedoch fast tot. „Deine Berufung holt dich ein, Liebster. Auf die Kette bin ich aber gespannt. Ich verspreche dir, ich werde ab der Hochzeitsnacht jede Woche im Jahr, eine Perle genussvoll abarbeiten.“
„Ich bin mit dem Deal einverstanden“, sagte ich zu Leila. Was blieb mir sonst auch übrig.
„Für Morgen ist die Besichtigung der Lager vorgesehen“, fuhr Leila fort. „Onkel Bronner wird dich sicher noch informieren. Er und Axel haben dann harte Arbeit. In den Teppichlagern zu wühlen ist keine reine Freude, wurde mir bedeutet. Du hast frei. Wenn du möchtest, kannst du mit uns durch die Stadt bummeln. Mich interessiert sie auch, ich kenne meine Heimat ja nur vom Hörensagen. Marni stellt uns eine Dienerin zu Verfügung, die sich auskennt. Am Donnerstag will sie dich sehen. Für Freitag ist eine Abschiedsfeier arrangiert. Samstag fliegen wir spät am Abend wieder heim und sind Sonntag, sehr früh, zu Hause. Nun, das war eine kurze Information. Marni hat mich gebeten, dir das auszurichten. Und noch was, das ist von mir; Kitty ist dazu da euch Freude zu machen. Lis weiß es schon. Nun ein letzter Tipp von Marni, wenn du auch Bilder von Kitty machst, ist das sehr, sehr viel mehr wert als jedes Bakschisch. Und ich haue jetzt ab.“ Sie gab jedem von uns einen Kuss, winkte ihrem Mädchen, das rannte zur Türe, unser Wächter pfiff und gleich drei, in unseren Augen sehr verwegene aussehende Burschen kamen, und geleiteten Leila nach Hause. Alleine im Zimmer, hielt meine Lis wieder mal eine ihrer beeindruckenden Reden:
„Leila ist so ein liebes nettes Mädchen, eine richtige Freundin. Aber hier, hier ist sie wirklich die Prinzessin. Hast du gesehen, mit welcher Achtung, aber auch mit welcher Liebe sie behandelt wird? Sie muss es im Blut haben. Die Familie Radama kommt mir aber auch sehr integer vor. Dabei hat sie die pure Macht. Ich habe gehört, sie ist älter und angesehener als selbst der Schah. Der ist nur ein armer Verwandter. Sie sind direkt verwandt mit den Mogulkaisern, die einmal Indien beherrschten. Daher die Ähnlichkeit in Kleidung und Bräuchen, in dem eigentlich sonst pro westlichen Persien - und daher der Titel der Prinzessinnen. Die Radamas sind aber keine Herrschertypen, es sind Kaufleute. Leila hat mir das alles an unserem ersten Abend daheim gesagt“, referierte Lis. Geschichte ist ihr Hobby. „Ach noch was. Ich war genauso erschrocken wie du, als ich plötzlich als deine Frau galt. Als Verlobte gilt man hier halt als solche. Es bedeutet nur, dass die Ehe noch nicht vollzogen wurde. Die Seite, an der man den Ring trägt, ist nebensächlich. Lass mich in unserer prachtvollen Suite halt bitte deine Frau sein, denke einfach ich hab meine Tage. Dann geht das nicht, aber sonst ...“
Sie küsste mich heftig. Da konnte ich mich natürlich nicht lumpen lassen. Erst Kitty weckte uns aus diesem Traum.
„Onkel Bronner vor Türe. Kann kommen?“
„Natürlich“, sagte Lis. Es war kurz nach acht.
Papa hatte Kristin und Axel im Schlepptau. Ich bat Kitty, unserem Zerberus vor der Türe beizubringen, wenn wir nicht schlafen die Familie immer einzulassen.
Papa meinte: „Das wird gegen seine Ehre gehen.“
Ich ging Kitty nach und bekräftigte ihre Gesten mit einem großen Bakschisch. Kitty hielt sich die Ohren zu und unser Wächter griff zur Pistole als Papa loslachte. Entwarnung. Meine Handbewegung beruhigte ihn. Er erkannte dann wohl auch, dass es nur ein Lachen war, und gab Töne von sich, die auch als solches gelten durften. Ich kann dazu nur sagen: sehr laut.
Wir sprachen die Termine ab, dann fielen wir todmüde ins Bett. Lis schlief schon, als ich das Licht ausmachte.
***
Dienstag. Kitty weckte uns schon um sechs. Eine Stunde vor dem Aufwachen in Deutschland. Eigentlich waren wir ja noch müde, andererseits trieb uns natürlich die Neugierde - warten neue Abenteuer?
„Brauchen Hilfe? Wollen Bad? Wollen mich?“
Lis lächelte. „Du kannst mich massieren und Sohn Paul auch.“
„Ich bin nackt“, erschrak ich.
„Und? Das wird Kitty auch gleich sein.“ Und so war es. Kitty ließ ihr Arbeitskleid einfach fallen und kam zu uns ins Bett. Das war 3 x 2,5 Meter groß, eine echte Spielwiese mit genug Platz. Sie massierte erst mich, dann Lis. Es war Sieben, als wir aufstanden. Im Esszimmer stand ein kleines Frühstücksbuffet bereit. Kitty war also schon lange fleißig. Nur mit dem Bademantel bekleidet frühstückten wir.
„Woher wusstest du, dass Kitty - na, ja.“
„Leila“, nuschelte Lis mit vollem Mund.
„Jetzt helfen anziehen. In zehn Minuten abholen.“ Kitty hatte alles bereitgelegt und half Lis. Ich war bereits angezogen, als sie zu mir kam. Mit einer Bürste fuhr sie mir über die Jacke. So was braucht man hier, trotz der Wärme, jetzt im Oktober hatten wir noch 25°C. Papa hatte es mir noch daheim gesagt. Er und Axel trugen sogar Krawatten. Dieses Marterwerkzeug hatte ich nur beim Empfang um.
Zuerst wurden wir zu einer Seitenstraße des Basars gebracht. Wir wurden schon fast peinlich devot begrüßt. Es gab Tee. Papa verhandelte auf Persisch. Dann gingen wir ins Teppichlager. Papas leuchtende Augen zeugten von der Spitzenqualität, die er bewunderte. Axel hatte auch schon so einen seltsamen Blick.
Endlich kam auch Leila. Sie zog Lis und Kristin auf die Seite und winkte mir ebenfalls zu. „Draußen steht unsere Führungs- und Bewachungstruppe, lasst uns die Stadt erkunden. Du Paul, wirst nicht mehr gebraucht, deine Rechte sind jetzt an Onkel Bronner verliehen. Er ist sozusagen dein Stellvertreter.“
***
Teheran ist eine schöne Stadt. Wir besichtigten den Gulistanpalast, die Schahmoschee, die Seraph-Salar-Moschee und was es sonst so noch gibt. Wir waren eine recht bunte Truppe, die da losmarschierte; zwei Leibwächter vorne, dahinter ein Mädchen, die Führerin, gefolgt von Leila und uns. Kristin ganz hinten, fast eingerahmt von zwei besonders grimmigen dreinblickenden Leibwächtern.
Kurz nach zwölf waren wir wieder im Hotel. Papa und Axel kamen wenig nach uns. Im Speisesaal war ein großer Tisch für uns gedeckt. Wir aßen vom Buffet. Mädchen betreuten uns. Die Leibwächter wechselten ab. Hier im Hotel war nur einer da. Der Rest aß in einem dafür vorgesehenen Raum, wie ich unweigerlich von Leila erfuhr.
„Mein lieber Schwiegersohn Paul“, erfuhr ich beim Mittagessen. „Da hast du mir ja was eingebrockt: In den Lagern bin ich der Hochedle Onkel. Ich, Hochedler“, lachte Papa.
„Ich bin durch jede Ecke geschleift worden, in der womöglich ein Schmuckstück liegt, und habe Teppiche gesehen, aus Seide, deren Qualität ich nie für möglich gehalten habe. Der erste, natürlich viel zu hohe Preis, lag aber nur knapp über dem, was ich schon für weitaus mindere Ware bezahlt habe. Deine Frau Lis“, lachte er wieder mal. „Der Ring deines Pop hat sich bezahlt gemacht. Eine Verlobte gilt hier wie eine Verheiratete, denn es gibt so gut wie keinen Schritt zurück. Da Elisabeth glücklich ist - ehrlich gesagt, mir ist es recht. Schlimmer, ich hoffe auf euere Vernunft. Mir hat das verdammte Teppichgeschäft ein wenig den Verstand geraubt. Versteht mich recht, hier geht es um Millionen. Axel sollte mir eine volle Stütze sein, der Verkaufschef hat ihn mir aber leider geklaut, er bekommt eine komplette Einweisung in alles, was mit Teppichen zu tun hat. Diese Prinzessin Marni hat das wohl veranlasst. Leidtragend ist die arme Kristin, da ihr Axel kaum noch da ist. Ich bin zum Glück das einsame Aussuchen von Teppichen ja gewohnt.“
„Ich finde das Ganze höchst interessant“, reagierte Axel. „Und Kristin wird mich wohl noch lange genug haben. In unserer kurzen Nacht versuche ich ja, sie zu trösten.“
Papa lachte wieder einmal und Kristins Ohren färbten sich tiefrot.
„Ich habe mich doch überhaupt nicht beschwert“, erklärte sie ihrem Vater. „Ich fühle mich wundervoll, alle sind so nett zu mir. Das Mädchen, das unsere Suite betreut und abends, man stelle es sich nur mal vor, noch einmal einen Berg Handtücher bringt und eine Rose auf mein Kopfkissen legt, spricht ein wenig Englisch. Von ihr hörte ich, dass alle sich besondere Mühe mit uns Hochedlen Gästen geben. Der Schah hätte nicht viel Verwandtschaft in Deutschland. Kann mir jemand das erklären?“ Sie scheint so neugierig wie die Schwester.
„Ich könnte es, liebe zukünftige Schwägerin. Lass es dir aber genauer von meiner Schwester, unserer Prinzessin Leila erklären. Ich hoffe du kannst die überraschenden Tatsachen halbwegs verdauen. Mir liegen sie noch etwas quer im Magen.“ Ich war halt ebenfalls noch etwas verwirrt und wählte so den einfachen Weg.
***
Kitty stand hinter mir und flüsterte mir ins Ohr. „Bitte fragen: Prinzessin Irdana sagen, ob drei Uhr können kommen. Bitten Tochter Lis auch sein da. Schicken Mädchen, sprechen englisch, um mit kleine Tochter Kristin dann machen Führung durch Haus Radama. Sein gut?“
„Ach ja, Kristin. Wie ich eben von Kitty hörte, wirst du heute Mittag zu einer speziellen Führung durch das Haus der Radama abgeholt“, reagierte ich sofort. „Papa wird wohl wieder Staub schlucken müssen und dein Axel muss halt alles über Teppiche lernen. Lis und ich haben einen Termin mit Prinzessin Irdana“, gab ich auch den Grund dazu preis.
Es wurde nickend zur Kenntnis genommen.
„Mom bekommt einen Schlaganfall, wenn wir ihr erzählen, mit wem wir hier so verkehren“, flüsterte ich Lis zu.
Das Biest lachte schallend auf. Ihr Lachen erregte Aufsehen. Es war nicht so laut, dafür viel hübscher als das von Papa.
Papa, Kristin und Axel wurden abgeholt. Die Diener warteten unaufdringlich fordernd an der Tür. Ein Mercedes wartete davor. Lis, Leila und ich gingen hoch auf unsere Suite. Leila sprach ein paar Worte mit unserem Wärter. Da sah ich es, er konnte von den Lippen lesen, aber wohl nur persisch. Kitty stellte uns eine Schale mit Obst hin und schälte mir einen Apfel.
„Leila, meine liebe Schwester, mir fiel auf, dass es hier wohl Ehemänner gibt, aber warum keine Prinzen?“, ließ ich meiner Neugierde endlich auch mal freie Bahn.
„Ja, das ist seit Generation das Problem in unserem Haus. Wir Prinzessinnen gebären scheinbar nur Mädchen. Seit über 100 Jahren gab es keinen Prinzen mehr. Daher auch die Angewohnheit einen Sohn anzunehmen. Wenn wir heiraten, behalten wir hier unseren Namen und der Ehemann bekommt den Rang eines Prinzgemahls. Die Macht bleibt aber bei den ältesten Prinzessinnen. Wenn die Älteste zurücktritt oder stirbt, wird von der Familie eine neue Älteste gewählt. Käme ein Prinz, würde er mit zwanzig automatisch Ältester, wenn sonst keiner vor ihm ist. Du als Gwaihir, angenommener Sohn, und deine Frau Lis, werdet sicher eines Tages ebenfalls mal wählen müssen. Es gibt halt auch Verpflichtungen. Onkel Bronner ist dazu nicht berechtigt. Auch kleine Töchter nicht und ein kleiner Onkel ist nur ein Anhängsel, natürlich immer noch weit über den Angestellten oder gar Dienern und Sklaven stehend“, wurde ich von Leila informiert.
Es hämmerte an die Tür. Unser Wächter. Er ließ ungefragt drei Mädchen ein. Leila stand auf und ging ihnen entgegen, dann stellte sie vor: „Mein Bruder Paul, dies ist Prinzessin Irdana und die Freundin Lakhsmi.“ Sie senkte die Stimme und sagte auf Deutsch: „Begrüße sie als Schwester, die andere als Freundin, das Mädchen nicht.“
„Es ist mir eine Freude, meine Schwester Irdana kennenzulernen. Meine Frau Lis kennst du sicher auch noch nicht?“, begrüßte ich also Irdana.
Sie sah mir tief in die Augen, dann lächelte sie. „Deine Augen sind gut. Leila hat recht, du bist ein Sohn und mein Bruder“, sie gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Lis wurde genauso begrüßt. Ich begrüßte Lakhsmi, die Freundin. Dem Mädchen zwinkerte ich zu. Sie war die Hübscheste der Drei und - sie zwinkerte zurück.
„Du kennst unser etwas unschickliches Anliegen, lass uns aber zuerst plaudern. Unsere Freundin hat die gleiche Bitte. Kannst du sie wohl erfüllen?“
„Ich fotografiere hübsche junge Damen sehr gerne. Meine Frau ist Garant, dass keiner ein Leid angetan wird, dazu mein Wort als Sohn. Auch Leila ist um euer Wohl besorgt.“
„Dein Wort ist genug, die Begleitung ist nur zu Abwendung aller Gerüchte, die da entstehen könnten.“ Sie hielt die Hand zu ihrem Mädchen hin. Die gab ihr ein schmales Kästchen. „Du warst einverstanden unseren bescheidenen Dank entgegen zu nehmen. Darf ich es meiner Schwester geben? In der Hand eines Mannes bringt es vielleicht Unglück.“ Sie drückte das Kästchen Lis in die Hand.
Sie öffnete es, ihre Augen weiteten sich. „Oh Paul, so was Wunderschönes habe ich ja noch nie gesehen. Das soll für mich sein? Als Hochzeitsgeschenk? Oh Paul“, staunte sie.
„Wenn dir die Kette gefällt, dann lass uns einfach anfangen. Kitty, sag Abdallah, wir wollen unter keinen Umständen gestört werden.“
„Gib mir die Perlen bitte während der Aufnahmen“, bat Irdana. „Sie sollen mir Glück bringen, danach sind sie dein. Wohin?“
„Ich denke du im großen Schlafzimmer und Lakhsmi im Gästezimmer. Die Location spiegelt so sicher den Rang der Damen wieder.“
Irdana ließ sich von ihrem Mädchen bis auf ein wundervolles Unterkleid mit eingewebten kleinen Rosensträußchen, entkleiden. Sie war nicht unbedingt eine schöne Frau. Ebenfalls siebzehn, wie ich erfuhr. Ich erklärte ihr, wie ich mir das Shooting vorstellte. Sie nickte, legte die Perlen achtlos in den Aschenbecher auf dem Nachttisch und posierte mit ernstem Gesicht. Es ging ja auch um eine ernste Angelegenheit. Sie war ein wenig moppelig, ihre Brüste waren zwar groß aber flach. Nach gut zehn Minuten waren wir fertig. Sie ließ sich von ihrem Mädchen ins Bad bringen, wir anderen zogen weiter ins Gästezimmer.
Lakhsmi betrachtete das Shooting als puren Spaß. Ihre Figur war viel besser als die von Irdana. Ihr Busen war kleiner, obwohl ebenfalls flach, wirkte er aber größer. Sie war für meinen Geschmack viel begehrenswerter als Irdana. Sie bedankte sich, was meine Schwester wohl vergessen hatte. Dann ging sie ebenfalls ins Bad und kam erst nach einer Weile mit der Prinzessin und dem Mädchen wieder heraus.
„Unser Bruder machte es gut. Ich freue mich auf die Bilder. Jetzt muss ich gehen. Vergiss bitte nicht den Termin bei Tante Marni.“ Ein Küsschen, ein bisschen in den Arm nehmen und sie waren weg.
„Ich dachte ja immer alle Perserinnen wären da unten rasiert. Es sieht einfach schöner aus. Aber es geht mich ja auch nichts an“, sagte ich zu Leila.
„Die meisten sind es. Haare wachsen aber nach. Rasieren ist mühsam und nur wichtig, wenn es sich lohnt, sich so zu zeigen“, antwortete sie lachend.
„Oh, nicht mögen Haare?“, fragte mich dagegen Kitty, als sei es von höchster Wichtigkeit.
„Zumindest nicht an der Spalte“, antwortete ich. Da fiel mir auf, dass wir, mittlerweile fast aus Gewohnheit, englisch gesprochen hatten und Kitty natürlich alles mitbekam. Ich wusste allerdings auch keinen Grund, warum Kitty nicht zuhören sollte.
„Paul mag es am liebsten, wenn oben ein kleines Büschel ist und unten alles Kahl“, erklärte ihr Lis gerade.
„Oh, merken“, sagte Kitty lachend.
„Kitty, ich habe noch reichlich Zeit, was ist, hast du Lust?“, fragte ich sie.
„Lust, machen Bumbum?“, kam es zurück.
„Das nicht. Lust machen Foto?“
„Mit mir?“ Ihre Augen strahlen. „Ja, haben viel Lust. Machen wo? In meine Zimmer bitte. Möglich? Oh, freuen sehr.“
„Ja, natürlich“, kam ich ihrem Wunsch nach.
Lis, Leila, Kitty und ich zogen los. Kitty hatte im Nu ihr Arbeitskleid aus. Sie zog sich, zur Feier des Tages wohl, schwarze Unterwäsche an, dann zog sie sich langsam, gekonnt und ohne jede Scheu wieder aus. Zum Schluss machte ich noch ein sehr freches Bild, in dem sie dem Betrachter ihre Muschi zeigt. Wenn da kein Bräutigam zuschlägt, weiß ich auch nicht - vielleicht Geschmacksverwirrung?
Sie warf wieder ihr Arbeitskleid über, dann geleitete sie uns dankbar lächelnd ins Wohnzimmer. Minuten später waren wir wieder mit Köstlichkeiten versorgt. Auch Leila mochte ein kleines Glas Champagner. Wir unterhielten uns weiter auf Englisch. Es war für uns auch eine gute Übung. Kitty kniete wieder neben meinen Sessel. Sie strahlte immer noch. Ich wollte ihr ein Bakschisch geben, für die gute Versorgung.
„Nix. Bilder genug. Nix können bezahlen. Wie bekommen?", fragte sie dann doch.
„Die Bilder gehen nächste Woche als Luftpost an Prinzessin Marni. In versiegelten Umschlägen. Du bekommst deine Bilder von ihr“, gab ich Bescheid.
„Darf küssen, bitte?“, bat Kitty.
Lis nickte lächelnd und Kitty küsste. Nicht wie eine Schwester, überhaupt nicht. Dann entschuldigte sie sich für ihren Übermut und brachte uns eine neue Obstschale.
Kurz nach fünf wurde an die Türe gehämmert. Papa, Axel und Kristin waren zurück. Kristin war am aufgeregtesten. Sie erzählte vom Palast und, dass es dort noch einen Harem gibt. „Es sind aber nur wenig Mädchen drin. Einen alten Eunuchen haben sie auch noch. Dem haben sie schon vor Jahren, die Ei… etwas Wichtiges abgeschnitten.“ Das schien ihr, neben der Pracht des Palastes als solche, die aufregendste Information.
Axel saß mit Kristin zusammen, in einem der breiten Sessel. Er konnte wohl nicht umhin, ihr hin und wieder den Nacken zu küsse, als sie uns berichtete. Dann übernahm er das Wort:
„Also, meine Schulung war intensiv. Ich habe da Dinge gelernt, von denen ich absolut keine Ahnung hatte. Es gibt Meister, die schaffen viele Hundert Knoten auf einem kleinen Stück. Unglaublich. Ich habe gelernt, wie man sehr gute Qualität, aber auch üblen Schund erkennt.
Ganz ehrlich, ich freue mich schon auf Morgen. Aber jetzt Schluss mit der Arbeit, meine Braut hat ein Anrecht auf mich.“ Dann wurde Kristin heftig abgeschmatzt.
„Ich bin im achten Himmel“, gestand Papa. „Das ist der mit den Millionen von guten Teppichen. Ich bin heute davon überzeugt, dass ich bisher meist nur zweite Wahl verkauft habe. Meine Absprache mit den Kollegen hat sich gelohnt, die Hälfte meines Geldes stammt ja von ihnen. Sie bekommen dafür Ware zu einem Preis, da hätte ich vor einem Jahr noch meine Seligkeit dafür gegeben, und jetzt verdiene ich auch noch gut daran. Ich hab mich entschlossen, für meine Töchter je ein Prozent meines Gewinnes auf nem Konto zu sammeln. Das Geld bekommt ihr am Hochzeitstag. Ich denke es werden einige Markfünfzig. Haha!“
Der Leibwächter schaute rein, sah Papa lachen, grunzte mit und schloss die Tür wieder. Von außen.
Kristin küsste den Vater prompt ab. Papa Bronner hatte diese Freude von seinen Töchtern offenbar recht selten. Seine Augen strahlten als Lis diese Prozedur wiederholte.
„Ach Paul, ich bin halt ein Teppichhändler. Die haben einen schlechten Ruf, aber so zufrieden und glücklich war ich noch nie. Ich würde euch in meiner Euphorie alle möglichen Schandtaten verzeihen. Aber ich weiß inzwischen sehr wohl, ihr tut sowieso nur das, was ihr wollt.“ Er sank glücklich in seinen Sessel zurück.