Wir fuhren mit dem ersten D-Zug und hatten gerade unser Abteil erobert, da kam noch eine junge Frau herein. Ich schätze zwanzig oder so. Wir ließen uns nicht stören und redeten vom gestrigen Shooting und von dem Kleinbus voller Schönheiten von vor einer Woche. Ich erfuhr einige pikante Einzelheiten. Da räusperte sich die junge Frau.
„Ich entschuldige mich für meine Neugierde. Ich habe ihre Unterhaltung natürlich mitbekommen. Ich entnehme daraus, dass sie Fotograf sind. Ich meine verstanden zu haben, dass sie besonders auf pikante Bilder von Frauen spezialisiert sind. Verzeihen sie, aber ist das richtig, sie machen freizügige Bilder von Frauen?“
„Ja, das ist richtig“, bestätigte ich und gab ihr meine Karte.
„Oh, hier in Stuttgart“, lächelte sie. „Ich bin übrigens Micki Klein, wenn auch weder mickrig noch klein.“
„Für alle netten Mädchen bin ich Paul, du Paul. Das ist Lis, meine Verlobte.“ Sie ließ den Diamantring blitzen, den sie für die Reise mitnahm. Ich trug meinen ebenfalls, dazu die Rolex. Ich bildete mir ein, die würde uns älter aussehen lassen, als wir sind. Da ging es aber nur um Herrn Wollweber. Immerhin machte ich mit ihm große Geschäfte. Aber auch Renate wollte vorgestellt sein: „Und das ist Renate, enge Vertraute und unverzichtbare Assistentin.“
„Ich habe da eine schreckliche Idee und eine ganz verrückte Bitte. Sie ... Entschuldigung, ihr macht einen vernünftigen Eindruck auf mich. Darf ich euch eine traurige, eine aufbauende und eine recht hoffnungsvolle Geschichte erzählen?“
„Hast du jemals eine Frau erlebt, die nicht neugierig ist?“, kicherte Renate und Lis nickte eifrig. Geschichten mag sie.
„Alsdann. Wenn ihr genug habt, sagt Bescheid.“ Micki holte tief Luft. „Im Alter von siebzehn stieß ich in Karlsruhe zu einer Motorradbande. 17 Kerle in den Zwanzigern und 15 Mädchen, die meisten davon kaum älter als ich. Wir hatten eine tolle Zeit, wie wir meinten. Dass wir fast täglich die Betten wechselten, war uns nur recht. Es kam, wie es kommen musste, wir rückten von zu Hause aus. Alkohol, Drogen, die ganze Bandbreite. Die meisten von uns ließen sich tätowieren und piercen.“ Sie hob den Pullover und zeigte den Bauchnabel. Dort war ein silberner Ring mit blauem Knopf.
„Tut das nicht weh?“, wollte Lis wissen.
Micki zog die Hose noch etwas tiefer, eine kleine Wildgans flog vom Nabel weg. „Das Tätowieren schon eher, aber was macht man als junge dumme Gans nicht alles, um den Freunden zu gefallen“, erläuterte sie weiter. „Nun, ich liebte Hamburger. Die durfte ich zu Hause nie essen. Jetzt bekam ich davon, soviel ich wollte, mit der Folge, dass ich zunahm. Vor zwei Jahren wog ich fast doppelt so viel wie heute. Aber weiter. Unsere Gruppe besetzte ein Haus in Karlsruhe. Dann wurden unsere Herren größenwahnsinnig - sie überfielen Tankstellen. Eines Tages war es aus. Gefängnis oder Jugendhaft. Wir Mädchen wurden auf die Reichenau ins Erziehungsheim in einem Kloster gebracht. Zwei der Novizinnen dort erzählten uns, dass sie ebenfalls von der Straße kamen. Uns war nichts mehr fremd.“ Sie starrte einen Augenblick vor sich hin. Lis und Renate seufzten, es klang fast mitfühlend. Dann riss sich Micki zusammen:
„Das war die traurige Geschichte. Nun kommt die Aufbauende: Wir hockten nach dem letzten Gebet im Aufenthaltsraum. Da meinte eine, also Nonne werde sie nicht. Dann redeten wir die ganze Nacht.
Wir waren uns einig, dass wir aber auch nicht mehr auf die Straße wollten. Am andern Tag baten wir die Mutter Oberin um Rat. Sie sprach sehr eindringlich zu uns und wir hörten nicht nur zu, sondern befolgten auch ihren Rat. Wir lernten in intensiven Lehrgängen und heute haben wir alle einen Beruf. Friseurinnen, Maskenbildner und Visagistin, Köchin, Schneiderin und Sekretärin. Seit einem halben Jahr sind wir nun draußen. Jetzt haben wir uns ein großes Haus in Singen gemietet und leben dort in unserer eigenen großen WG. Zwei von uns rauchen noch Zigaretten. Bier oder Wein gibt es an den Wochenenden. Wir haben alle einen Job. Neue Männer gibt es noch keine. Auf keinen Fall wollen wir halt mehr in irgendeine Abhängigkeit kommen.“ Sie atmete nochmals tief durch. Wir lauschten fasziniert.
„Nun zur hoffnungsvollen Geschichte: Wir sind von den verwahrlosten jungen Huren, zu topp fitten jungen Frauen mutiert. Unsere Körper sind sehr gepflegt, die Tätowierungen tragen wir mit Stolz. Wir sind unseren ehemaligen Herren dankbar, dass sie dabei wenigstens Geschmack hatten.
Vor zwei Monaten entschlossen wir uns, nicht als kleine Handwerksmädchen zu versauern. Wir opfern einen Teil unseres Geldes und heuerten eine Tanzlehrerin an. Dann haben wir noch eine Gesanglehrerin, denn Einige wollen versuchen eine tanzende und singende Mädchengruppe zu werden. Wir erhoffen uns davon eine ausgefüllte Freizeit und ein noch besseres Selbstverständnis. Sie üben wie die Verrückten. Im Frühjahr wollen wir unseren ersten Auftritt haben.
Und nun kommt meine verrückte Idee und unverschämte Bitte: Könntest du ein paar Fotos von uns machen? Wir sind zu allem bereit, was im Rahmen des Gesetzes bleibt. Tugend ist nicht unbedingt unser Motto, Anstand schon - inzwischen. Ich kann garantieren, dass keines der Mädchen ausflippt oder gar irgendeinen Unsinn macht. Wir sind, wie ich schon sagte, clean und vernünftig geworden. Puh, das war’s. Jetzt seid ihr dran.“
Ohne mich zu fragen, sagte Lis: „Unsere Termine sind völlig ausgebucht. Am nächsten Donnerstag ist aber Allerheiligen, ein Feiertag. Das möchte ich hier mal so einflechten“, Renate nickte heftig dazu.
„Wenn ich euch nicht hätte“, lachte ich auf. „Meine Frauen haben immer die richtigen Ideen wie sie mir Arbeit verschaffen können. Ihr habt völlig recht. Was käme da auf mich zu, Micki?“
„Wir sind jetzt vierzehn Mädchen.“
“Das könnten der Verlag und dein Gast von heute Abend abdecken. Vielleicht durch eine komplette Serie für den Verlag. Das müsste die doch interessieren“, erkannte Renate.
„Mom würde es sicher auch interessieren. Sie soll für uns alle ein Buffet spendieren und die Mädchen erzählen ihr dafür etwas von sich. Pop schicken wir zum Stammtisch“, schlug Lis vor.
„Das passt zu meinen Vorstellungen. Ich werde heute Abend mit unserem Gast sprechen und Montag telefoniere ich mit dem Verlag.“ Dann wendete ich mich an Micki. „Wenn ihr am Donnerstag um 9 Uhr bei uns seid, Adresse auf der Karte, dann werde ich von euch kostenlos Fotos machen. Ich werde diese Bilder einem Verlag anbieten, der Softcore Bilder veröffentlicht. Wir haben dazu auch viel Wäsche einer Firma, die diese herstellt. Jede stellt sich für ein paar Bilder in dieser Wäsche, die nach dem Fotografieren beim jeweiligen Model verbleibt. Wenn die Firma die Bilder annimmt, werden sie im deutschsprachigen Europa veröffentlicht. Für jedes angenommene Bild bekommt ihr 100 Mark. Bilder, die der Verlag nimmt, werden besser bezahlt. Der ist natürlich schon auf Richtung Porno aus. Da geht es aber ebenfalls um die Annahme. Von diesen Bildern ziehe ich 33% Provision ab. Unser Studio hat ja auch Kosten. Ihr bekommt einen Satz Bilder, alle Weiteren müsst ihr selbst bezahlen. Und noch eines, ein Freund und ich, sowie drei Mädchen werden da sein. Krumme Dinger sind ausgeschlossen. Ihr seid jedoch so sicher wie in Abrahams Schoß. Wenn ihr euch aufregt, du weißt schon was ich meine, dann könnt ihr meinetwegen auf dem Klo onanieren. Ein Schwanz steht keinesfalls zur Verfügung. Das ist unser Geschäftsprinzip. Baut ihr Mist, seid ihr schneller draußen, als ihr glaubt. Können wir uns darauf einigen?“
„Ja. Mickis wilde Mädchen, so nennen wir uns auf allgemeinen Beschluss, werden sich freuen und sich benehmen. Auch das haben wir gelernt. Ich könnte dich küssen vor Freude.“
„Es war nur vom nicht Bumsen die Rede. Von Küssen hat keiner gesprochen“, bemerkte Lis der freche Teufel.
„Wir sind alle sauber und total gesund. Wir sind wieder normale Menschen. Darf ich?“, dann küsste sie mich. Fast zärtlich.
„Noch was. Du hast es bestimmt mitbekommen. Wem es nicht zu peinlich ist, würde ich gerne zu einem kleinen Interview bei meiner Mom einladen. Sie sammelt Stoff für ihre Romane. Namen sind unwichtig, die Story zählt, je tragischer und je verrückter umso besser.“
„Sie ist die Schriftstellerin Beatrix Mai“, ergänzte Renate.
„Die Mai? Wir haben drei Romane von ihr in der WG. Die persische Prinzessin, der geliehene Mann oder so, und noch einen. Wir sind wohl wieder der Gefühle mächtig, denn wir haben fast alle beim Lesen der Romane geheult. Wir werden auf alle Fälle pünktlich sein.“
Der Zug hielt; Singen/Hohentwiel. Sie stieg aus.
„Also ich hätte ihr nichts angesehen. Sie sieht proper aus und ist gut gekleidet. Eine Motorradbraut? Nie! Falls die anderen Mädchen genauso gepflegt sind, dann gehst du kaum ein Risiko ein, und wenn wir den Exbräuten helfen können …“, fing Renate an.
„Solche Mädchen sind sicher von Grund auf verdorben, dachte ich. Ich war gespannt, wie sie dich küsst. Gierig? Ich fand es eigentlich eher freundlich. So wie Kristin dich küsst. Hat sie die Zunge benutzt?“, war Lis wie stets unhaltbar neugierig.
„Die Zungenspitze. Als ich nicht reagierte, zog sie sich sofort zurück. Ich hatte eher den Eindruck, als sei ich getestet worden.“
***
Wir hatten leichtes Gepäck, so liefen wir die etwa 500 Meter vom Bahnhof zum Inselhotel. Wir bekamen die Suite, die damals Kristin hatte.
Renate war voll weg. „Ich werde heute Nacht wohl ein wenig an deiner Schulter weinen müssen“, drohte sie mir schon mal an.
Am Blumenstand kaufte ich einen Blumenstrauß für Rama, dann fuhren wir, auf eigene Kosten, mit dem Taxi zu ihr. Wir wurden erwartet. Es gab eine herzliche Begrüßung. Ich küsste Rama erst auf die Wangen, dann stellte ich Renate vor. Diese machte eine Art Hofknicks und sprach sie per Prinzessin an. Rama hob sie lachend hoch.
„Nennen mich Rama, wie Sohn auch. Er haben gute Geschmack, du schöne Nebenfrau. Deine Augen sehen klug. Wir nachher reden, ich denken Marni werden sehr froh sein, Renate zu haben. Dann wandte sie sich Lis zu, die sie ja von unserer Verlobung her persönlich kannte. Renate wurde ihr damals nicht vorgestellt. „Seien willkommen, Tochter Lis“, wurde auch sie freundlich empfangen.
Die Begrüßung ging reihum. Traudl war natürlich auch da, sie wirkte allerdings etwas sehr eingeschüchtert und gab zuerst Lis, dann Renate, danach erst mir die Hand.
„Willst du ihn nicht endlich küssen, deinen Sommerfreund im nächsten Jahr? Küsse schaden keinem, ich liebe sie auch und ich habe nichts dagegen. Paul hat mir alles erzählt, wir leben wohl unter gleichen Bedingungen. Also, mach schon“, lachte Lis, als sie das traurige Gesicht von Traudl sah. Traudl gab mit strahlenden Augen zuerst Lis, dann Renate einen kleinen Kuss. Dann wurde ich so richtig liebevoll abgeschleckt. Vati Schmitt und Mutti Rama lachten im Duett. Leila reihte sich, ebenfalls lachend, in die Schlange der zu Küssenden ein. Sie wollte auch. Rein schwesterlich war es nicht ganz...
Rama kam zum Wesentlichen. „Essen bereits fertig. Danach sprechen mit Renate. Ihr gehen spazieren. Zurück vier Uhr, dann Mokka.“
Vati Friedrich berichtete während des Mittagessens vom Stand der Dinge: „Unser Haus ist immer voll mit Nachbarn. Sogar Osswalds Heini und Frau haben um die Ehre gebeten. Dann hat er ein paar Sünden gut gemacht, ich bin in der Firma eine Treppe hoch gefallen. Heinrich hatte da seine Finger drin. Ich weiß jetzt auch, warum er das Theater machte: Türken haben in Berlin seine Frau vergewaltigt. Als er ihr zu Hilfe kam, wurde er krankenhausreif geprügelt. Er ist ja leider etwas klein geraten. Uns hielt er für Türken, daher der Aufstand.
Die Neugierde hat zwar nachgelassen, das gute Verhältnis zu den Nachbarn aber nicht. Rama ist glücklich, Leila schrecklich verliebt und Peter vernünftig. Er macht nach der Schule eine Lehre und danach will er Leila heirate. Er hat es mir verkündet. Wir haben nichts dagegen. Er will Kaufmann werden. Rama hat schon darüber nachgedacht, nachdem die Reise von Renate bekannt wurde, ihm ebenfalls ein Praktikum in Teheran zu beschaffen. Als Außenhandelskaufmann. Renate ist übrigens ein sehr hübsches Mädchen. Mehr mein Geschmack. So schlank wie Lis und Leila ist halt nicht so ganz mein Fall“, als er lachte, hüpften die Gläser auf dem Tisch.
„Sie könnten eine ernsthafte Konkurrenz zu meinem Papa sein“, lachte Lis mit, während Renate tiefrot wurde.
„Leila hat es mir schon erzählt. Es wäre bestimmt landschaftsverändernd, wenn wir es einmal gemeinsam probieren.“
„Da Pauls Pop auch zu dieser Sorte von Lachern gehört, könnt ihr zu dritt sicher ganze Wohnsiedlungen einreißen“, schoss Renate den Vogel ab. Vati Friedrich ließ noch einmal alles zittern.
***
Nach dem Essen zog ich mit Lis und Traudl los. Leider waren weder Onkel noch Tante daheim. „Die sind in Friedrichshafen“, wusste Traudl. „Meine Leute sind auch weg. Nur Peter ist da.“
Peter fand Lis offenbar auf Anhieb sympathisch. Sie bekam einen Kuss und sie erwiderte ihn, ohne zu zögern. Da scheint sie nicht scheu zu sein.
„Lasst uns zur Mainau radeln. Kim weiß, dass du da bist, Paul. Sie würde sich sicher freuen. Lis will bestimmt auch den Badeplatz sehen, an dem wir so viele schöne Tage hatten. Die Naturisten haben jetzt leider geschlossen“, schlug Traudl vor.
Peter und ich fuhren vorne, Lis und Traudl hinterher. Unser Badeplatz sah traurig aus, jetzt im Herbst.
Traudl schluckte. „Ich freue mich auf den nächsten Sommer.“ Sie schmiegte sich eng an mich. „Ich träume manchmal davon. Ein netter Junge macht mir neuerdings den Hof. Ich habe ihm gesagt, ich sei nicht abgeneigt. Einen Kuss könne er vielleicht bekommen, wenn er bei uns daheim war, sich vorzustellen. Schmusen gäbe es aber erst nach den Sommerferien, dann sei ich alt genug dazu.“ Sie wurde entzückend rot. „Ich will es halt, mit dir Paul, in den Sommerferien üben. Sozusagen lernen, die Grenzen abzustecken.“
„Da tust du gut daran“, bestätigte ihr Lis ernsthaft. „Ich war mit Paul fast ein Jahr zusammen, nicht einmal ein Küsschen gab es. Ich bin fast umgekommen vor Sehnsucht danach. Wenn ein Junge das durchsteht, dann, da bin ich mir ganz sicher, dann kann man ihn als Freund oder gar als Zukünftigen, sehr wohl ins Auge fassen.“
„Ich bedauere euch ja“, grinste Peter. „Ich bin wenigstens mit meiner Leila schon auf Stufe zwei. Ich darf schon weiter gehen. Wir sind aber schon sehr neugierig auf den letzten Schritt. Neugierde hält aber die Liebe wach. Der Meinung sind wir beide, aber wir setzten treudoof auf Hochzeitsnacht. Wenn wir miteinander schmusen, ist es manchmal sehr hart. Leila sagte einmal, je näher am Hochzeitstermin, umso schöner würde es. Neuerdings bekommt sie dabei sogar glänzende Augen. Einmal hat sie sogar geweint.“ Die Augen von Lis blitzten mich an, sie dachte wohl an das gemeinsame Abenteuer in Persien.
Wir fuhren weiter zu den Gewächshäusern. Auf der Insel war wenig Betrieb. Kim hatte heute frei, sie war nur meinetwegen da. „Ich fürchte, gleich wird ein Tornado losbrechen. Vergib mir Lis; du kennst sie ja Traudl und ich bin gefasst“, warnte ich schon einmal. Und der Sturmwind kam.
Kim hüpfte aus ihrem schmutzigen Winteroverall, dann, halb nackt auf mich zu. Ich wurde zu Boden gerissen und ganz gewaltig geschmust und geküsst. „Danke Paul! Danke!“, dann wurde sie, trotz ihrer dunklen Hautfarbe knallrot. Sie zog den Overall wieder an und ging zu Lis. „Bitte entschuldige, du musst Lis sein. Es tut mir unendlich leid, dich beleidigt zu haben. Aber Paul war, war ... ein wahrer Freund. Egal, was er dir erzählt hat, ein Freund. Nicht mehr und nicht weniger. Mein Dank war gering. Meine Mutter war überglücklich, als ich kam, und ich hatte noch so viel Geld übrig. Davon kann sie fast ein Jahr leben.“
Meine Lis umarmte sie einfach. Sie ist deutlich größer als Kim. „Ich habe die Fotos gesehen und Paul hat mir das Geschehen im Schilf geschildert. Ich habe keine Probleme damit und du scheinst auch keine zu haben. Lass mich deine Freundin sein und mache dir keine Gedanken. Paul ist nun mal ein Pfundskerl.“
Kim küsste Lis und dann wieder mich. Traudl und Peter bekamen dann auch noch ihr Fett weg. „Ich liebe euch alle und freue mich auf den Sommer, wenn wir endlich wieder gemeinsam baden können.“
„Dann ist Paul mein Sommerfreund. Danach werde ich wohl ernsthaft an Liebe denken müssen und vielleicht meinen neuen Freund erhören“, sagte Traudl etwas verschämt.
„Ich denke du wolltest lange in Thailand bleiben?“, fragte dagegen ich.
„Wollen schon, können nicht. Sonst wäre meine Arbeit hier weg und damit die Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland.“
Wir radelten zusammen zurück. Kim flüsterte mir zu, dass sie im nächsten Sommer gerne für mich als Mädchen für Alles dienen würde. Sie kam mit hoch zu Rama, freudig erkannt und begrüßt.
Nach dem Kaffee zog ich mit Renate ab. Wir fuhren mit dem Bus bis zum Pulverturm. Im Hotel bekam sie das, was sie und ich jetzt brauchten: ein Quickie mit Blick auf den Bodensee. Danach erfrischten wir uns im Bad, wir ruhten ein wenig, zogen uns dann nett an und gingen in die Halle, unsere Gäste zu erwarten. Es war fast vorauszusehen: Lis, Traudl und Peter waren die Ersten, die kamen. Überpünktlich.
„Familie Schmitt kommt zehn Minuten zu spät“, wusste Peter. „Mutti Rama ist sich einen kleinen Auftritt schuldig. Wir gehen am besten schon mal rein“, erkannte er voll die Situation.
***
Wir hatten einen schönen Tisch. Lis saß neben Traudl. Sie hatten sich offensichtlich bereits angefreundet. Renate saß neben mir.
Ein junger Mann mit einer jungen Frau kam in den Speiseraum.
„Sie sind aber bestimmt kein Professor“, wurde ich angelacht.
„Herr Wollweber“, begrüßte ich ihn, denn er konnte es nur sein. „Hallo Michaela“, seine Freundin; die freche Schwarze vom Shooting, die auf das Foto in der Halle bestand. „Der Professor ist mein Vater. Da hat ihr Nachrichtendienst nicht funktioniert. Mein Vater, der Professor, und ich sind Partner, er macht nur noch Bilder als Kunst, ich bin für die Frechheit zuständig.“
„Das macht mich etwas weniger Verlegen. Aus Michaelas Schilderung hätte ich es eigentlich ahnen müssen. Auch aus der Art der Bilder. Die sind jung und frech.“
Ich stellte ihm meine Mannschaft vor. Bei Lis, die ich als meine Verlobte vorstellte, stutzte er.
„Und warum ...“
„Ach ja, Renate meine überaus tüchtige Sekretärin und Hilfe bei den Aufnahmen, hat heute den Platz neben mir gewonnen. Wir sind ein vertrautes Team und Lis sitzt heute lieber bei ihrer neuen Freundin.“
„Das Gefühl hatte ich bei den Aufnahmen auch“, gab Michaela kund. „Ich erzählte dir doch, die arbeiten knallhart, ohne jede Aufregung und kommen gut miteinander aus. Es ist eine wahre Freude dort als Model zu arbeiten.“
Herr Wollweber saß neben mir, auf seiner anderen Seite Michaela. Wir hatten gerade unsere Aperitifs, als Rama und Anhang kamen, prächtig, wenn auch nicht übertrieben gewandet.
Ich stellte vor: „Herr Wollweber, dies sind Prinzessin Rama und Prinzessin Leila, aus dem Hause Radama. Dies ist Prinzgemahl Friedrich.“
„Hoheiten“, sagte Herr Wollweber. „Es ist mir eine unerwartete Ehre. Ich hätte mich sicher mit noch sehr viel mehr Ehrfurcht gekleidet, wenn ich auch nur geahnt hätte mit welch hohen Gästen ich heute die Freude habe zu speisen.“
Ich küsste die Prinzessinnen demonstrativ, dann umarmte ich den Prinzgemahl. Der unterdrückte mühsam ein Lachen. Meine Schwester Leila biss mich noch schnell ins Ohr, bevor sie sich neben ihren Peter setzte. Die Neuankömmlinge bekamen ihren Aperitif. Der Small Talk begann. Familie Schmitt brillierte; das Essen war hervorragend, der Ober übertraf den Standard. Der Begrüßer, eine Eigenart in süddeutschen Restaurants, war der Manager selbst. Ich sah die Achtung für mich in Herrn Wollwebers Augen steigen. Papa hatte also, damals im Flugzeug, wirklich recht.
Rama und Leila gefiel es, den Ober ein wenig zu fordern. Da sie keinesfalls unverschämt und blöde sind, machte er sich eine Freude daraus zu dienen. Ein kleines Bakschisch, das hatte ich in Persien auch gelernt, verdoppelte die Freude. Es wurde ein gelungener Abend. Um zehn rauschte die sichtlich zufriedene Rama mit Anhang ab. Zusammen mit Lis, die vorschützte, müde zu sein. Herr Wollweber mit Freundin und Renate blieben.
„Ich habe ein kleines Problem“, begann Herr Wollweber den geschäftlichen Teil des Abends. „Der Vorstand hat 100 Bilder genehmigt. Die von Michaela übrigens auch. Die Herren fanden die Location gut, die Frau zwar etwas zu nackt, aber die geilen Molche hätten sicher gerne noch mehr gesehen. Mein Problem ist nun, es passt nicht mehr in den Monatsetat. Können wir da was schieben?“
„Herr Wollweber, das ist kein Problem. Wenn die wirklich tüchtigen Mädchen ihr Geld haben, bei mir kommt es nicht auf die Woche an. Ich mache alle Bilder fertig, die Hälfte berechne ich sofort, der Rest geht auf Valuta von 30 Tagen. Im nächsten Monat also. Das müsste ihnen doch entgegenkommen.“
„Das passt. Ich bin jetzt so frech wie manche ihrer Fotos: Sag Willi zu mir, es erleichtert die Zusammenarbeit, denke ich, in der Hoffnung, dass sie lange halten möge.“
„Ich duze alle Mädchen, mit dir habe ich auch kein Problem. Meine überaus tüchtige Assistentin Renate und auch meine müde Braut Lis, würde ich jedoch gerne einschließen.“
Willi bestellte eine Runde, notiert auf sich. Michaela wuschelte mir durchs Haar. Dann erzählte ich ihm von Micki Klein, kräftig dabei unterstützt von Renate.
„Wenn die Mädchen bringen, was sie sollen, dann spricht nichts dagegen“, meinte er nur. „Hübsche Frauen sind immer gefragt.“
„Ich sehe mir die Mädchen an. Wenn sie so sind, wie ich denke, dann opfere ich gerne ein paar Stunden. Ich lasse sie gnadenlos in deiner Wäsche posieren. Dann denke ich, ich verkaufe den ganzen Tag an den Verlag. Ich werde ihm eine neue Serie vorschlagen, darauf drängend, euch im Begleittext zu nennen. Ich denke mir, dass du die Bilder mit dem Text: Mit freundlicher Unterstützung von IGDuM, in sexy Unterwäsche aus Deutschland oder so ähnlich freigibst.
Das Honorar wird die Mädchen freuen. In welchem Zeitraum du die Bilder dann bestellst, das ist dann dein Problem. Taugen die Mädchen nichts, gibt es keine Bilder. So einfach ist das.“
Willi überlegte nur kurz. „Wenn sie als Models taugen, warum nicht. Wenn sie gut sind, mein Etat ist es auch, solange nicht alles auf einen Schlag kommt. Ich würde nach neuesten Erkenntnissen vorschlagen, wenn du ein paar scharfe Bilder machst, schicke sie mit. Die geilen Herren werden sie zwar nicht aussuchen, zurück bekomme ich sie jedoch auch nicht. Du verstehst mich doch?“
Renate lachte laut auf. Der verbliebene Ober wurde unruhig. Willi Wollweber wusste, was Sache war. Michaela lächelte gequält. Sie ist zwar nicht blond, scheint aber doch ein bisschen blöd.
Renate und ich kamen spät auf unser Zimmer. Lis war ja bei Leila. Wir duschten erst kalt, dann liebten wir heiß. Mit meinen Frauen würde ich es mir nie verderben, ihre Wünsche sind mir Befehl. Es war Sieben, als Renate mich aufweckte.
„Mit Kim hätte ich, als Mann, auch gerne ein Quickie gemacht. Die ist so klein und wirkt so unschuldig. Ich kann dich jetzt verstehen. Die Bilder zeigten leider nicht die Zierlichkeit von Kim. Sie scheint so agil und ist so liebenswert, sie würde - darf ich es sagen?“ Ich nickte. „Sie würde gut zu uns passen. Aber Konstanz ist halt zu weit weg. Aber denke im nächsten Sommer eher an sie, als an Hellen. Die war, zumindest den Fotos nach, nicht so ganz unser Typ“, setzte sie hinzu.
„Sie wurde mir auch mehr - nein, aufgezwungen will ich nicht sagen, aufgedrängt vielleicht. Ich hatte damals ja nur Erfahrung mit dir. Ich denke, das Thema Hellen dürfte jedoch längst gegessen sein.“
„Welche Hellen?“, lachte sie fröhlich.
Wir frühstückten unten, dann checkte ich uns aus und fuhren zu Rama. Renate erzählte mir unterwegs, dass sie gestern sehr umfangreich belehrt wurde. Viele Eigenarten, die im Unterricht kaum zur Sprache kommen, wurden besprochen.
„Mein Wörterbuch ist gut gefüllt. Mein Wissen, wie ich mit den Leuten umgehen kann oder muss, ist fast vollkommen“, erfuhr ich noch.
Es war ein netter Vormittag, das Mittagessen war ein Genuss. Kim war übrigens auch da. Renate und Lis quatschten sehr viel mit ihr. Sie schien ihnen wirklich sympathisch zu sein. Dann ging es mit dem Zug wieder heim.
***
Vorsichtshalber rief ich noch im Verlag an und unterbreitet Mikel Down den Vorschlag von Renate, für eine neue Serie. Ich erfuhr, sie hätten immer Interesse an guten Bildern und ich hätte ja inzwischen gezeigt, was ich könne. Ich bekam die Freigabe, obwohl der Verlag bisher nur meine Bilder kannte.