Vor der südlichsten Küste Afrikas liegt das Sklavenschiff Meermin begraben, dessen tödliche Reise ein verlorenes Kapitel in der Geschichte des Sklavenhandels sowie eines über den ersten Freiheitskämpfer Südafrikas erzählt: Massavana.
Die Geschichte begann vor beinahe 260 Jahren, Ende Januar 1766, als die Meermin von Madagaskar aus in See stach, um Sklaven nach Südafrika zu bringen. Angekettet und so eng unter Deck zusammengepfercht, dass sie sich kaum bewegen konnten, war die menschliche Fracht auf dem Weg in die Kapstädter Kolonie der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Aufgrund einer dramatischen Wendung des Schicksals erreichte das Schiff niemals seinen Bestimmungsort. Stattdessen stachelte ein Mann, der sich weigerte, ein Sklave zu werden, seine Mitgefangenen zu einer Meuterei an und übernahm das Schiff.
Im Nachfolgenden befahl er der holländischen Besatzung, sie in die Freiheit zu segeln. Doch die erfahrenen, holländischen Matrosen täuschten die Sklaven und steuerten das Schiff trotz allem in Richtung Kapstadt.
Nachdem die Sklaven erfasst hatten, was geschehen war, kam es zu einem blutigen Kampf mit der Miliz an Land, durch den die überlebenden Sklaven erneut in Gefangenschaft gerieten und die Meermin zu einem sinkenden Wrack wurde.
Das letzte Kapitel dieser Angelegenheit wurde vor dem holländischen Gericht in Kapstadt geschrieben. Lediglich die Aufzeichnungen dieses Prozesses ermöglichen es heute, die Geschichte nachzuerzählen.
Das außergewöhnliche Ergebnis des Ganzen war, dass der damals 26-jährige Meuterer Massavana aus Mangel an Beweisen von der Hinrichtung verschont blieb. Die beiden höchstrangigen Offiziere des Schiffes hingegen wurden wegen Unfähigkeit entlassen.
Drei Schlüsselfiguren, die zum Untergang der Meermin beitrugen, waren der Kapitän Gerrit Muller, der zum ersten Mal ein Sklavenschiff befehligte, der Sklavenhändler Johann Krause sowie dessen Assistent Olaf Leij.
Als erfahrener Schiffskapitän untergrub Krause die Autorität Mullers. Um zu verhindern, dass die Sklaven in dem überfüllten Frachtraum starben und Krankheiten verbreiteten, überzeugte er den Kapitän davon, sie von ihren Fesseln zu befreien und auf Deck arbeiten zu lassen. Dies verstieß jedoch gegen die Vorgehensweise der Niederländischen Ostindien-Kompanie.
Krause glaubte, dass er als Sklavenhalter den Sklaven intellektuell überlegen war und sie an Deck kontrollieren konnte. In einem schockierenden Akt der Impertinenz befahl er ihnen, madagassische Speere zu reinigen, die er als Souvenirs aus Madagaskar mitgenommen hatte. Sobald die Waffen den Sklaven ausgehändigt worden waren, ergriffen Massavana und seine Mitstreiter die Gelegenheit beim Schopfe und begannen einen gewalttätigen Aufstand gegen die Seeleute.
Bei diesem blutigen Schlagabtausch wurde Muller schwer verletzt und Krause getötet. Leij wurde im Folgenden die Verantwortung für die Mannschaft übertragen. Diese erhielt von Massavana Anweisung nach Madagaskar zurück zu segeln, was sie jedoch nicht tat. Sie fuhren ersatzweise in Richtung der niederländischen Siedlung Struisbaai.
Da Massavana an Leij zweifelte, sandte er seine Männer aus, um drei Lagerfeuer an der Küste zu entzünden, die bestätigen sollten, dass es ihr Land war. In seiner Verzweiflung schickte Leij eine Flaschenpost, die wie durch ein Wunder in die Hände von Johannes La Sueur, dem Magistrat der Siedlung, gelangte. La Sueur entfachte die Feuer und stellte eine behelfsmäßige Miliz aus Bauern zusammen, um die rebellischen Sklaven zurückzudrängen - mit durchschlagendem Erfolg. Die Konfrontation endete letztlich damit, dass die schrottreife Meermin auf Grund lief und nie wieder in See stach.
Rückblickend waren die Urteile des Gerichtshofs ein großer Schritt bei der Anerkennung unterdrückter Menschen als frei denkende Individuen.
Leij wurde von der Niederländischen Ostindien-Kompanie entlassen, Muller seines Kapitänsamtes enthoben und nach Amsterdam zurückgeschickt, Massavana zu einer Haftstrafe auf Robben Island verurteilt, wo er drei Jahre später verstarb.
Von 1658 bis 1838 deportierte die Niederländische Ostindien-Kompanie schätzungsweise 63.000 Sklaven in die Kapkolonie und Millionen weitere nach Nord- und Südamerika. Massavana war nur einer von vielen. Sein Kampf und sein Mut erinnern an die damalige Zeit. Seine Reaktion war Ausdruck des unbeugsamen menschlichen Geistes, der bis in die heutige Zeit nachwirkt.