Zunächst muss man sich die Seefahrt im frühen 18. Jahrhundert vorstellen. Die Navigation war ebenso eine Kunst wie eine Wissenschaft. Der Kompass zeigte Norden an, und Berechnungen lieferten einen guten Näherungswert für die geographische Breite (die Entfernung nördlich oder südlich des Äquators), doch niemand hatte bisher herausgefunden, wie man die geografische Länge (die Entfernung von Ost nach West) berechnen konnte.
Die meisten Seefahrer verwendeten eine Version der Navigation, die sie Dead Reckoning nannten. Dabei machte sie sich Notizen wie: Wir sind 6 Stunden lang mit etwa 7 Knoten nach Nordwesten gefahren, haben dann gewendet und sind 2 Stunden lang mit etwa 4 Knoten weitergefahren.
Unter der Voraussetzung, dass man wusste, wo man am Anfang war, und dass man richtig gerechnet hatte, konnte man sich ausrechnen, wo man am Ende des Tages ankommen würde.
Wer glaubt, dass dies eine erschreckend ungenaue Methode sei, um zu bestimmen, wo man sich befand, der hat recht. Wenn man dann noch bedenkt, dass viele europäische Schiffe an Orte fuhren, über die sie keinerlei Aufzeichnungen hatten, ist das Ganze ein Rezept für eine Katastrophe.
Schiffe liefen auf Grund. Dies geschah, wenn der Boden des Schiffes - wie bei Eisbergen befindet sich ein großer Teil der Schiffsmasse unter Wasser - auf den Meeresgrund (Korallenriff, Felsen oder Küste) traf.
Schiffe versuchten, Informationen über den Meeresboden zu erhalten, indem sie ein mit Wachs beschichtetes und an einer Schnur befestigtes Stück Blei fallen ließen. Sobald das Bleigewicht auf dem Grund aufschlug, wurde es hochgezogen und untersucht. Die Länge der Schnur gab Aufschluss über die Tiefe des Meeresbodens, und das, was am Wachs klebte, gab Aufschluss darüber, was sich dort unten befand... Es konnte weicher Sand oder harter Fels sein.
Dieses System war weitaus besser als gar nichts, aber eine plötzliche Veränderung konnte dazu führen, dass ein Schiff auf dem Grund aufkrachte. Geschah dies hart genug, konnte das Schiff auf Grund laufen.
Ein auf Grund gelaufenes Schiff war in echten Schwierigkeiten. Das Aufschlagen auf eine harte Oberfläche beschädigte den Boden des Schiffes, so dass Wasser eindringen konnte. In diesem Fall musste der Schiffszimmermann sein Können unter Beweis stellen. Ein guter Zimmermann war in der Lage, Löcher zu stopfen, bevor das Schiff zu viel Wasser aufnahm.
Und selbst wenn der Rumpf nicht beschädigt war oder der Schaden repariert werden konnte, saß das Schiff erst einmal fest. Die Reibung mit dem Meeresboden hinderte das Schiff daran, sich zu bewegen.
Die Besatzung konnte vieles tun, um sich von der Unterwassergefahr zu befreien. In einigen Fällen sorgte die steigende Flut dafür, dass das Schiff einfach aus dem Wasser gehoben wurde. Ereignete sich der Unfall jedoch, wenn die Flut bereits hoch war, konnte ihr Zurückgehen, dass Schiff buchstäblich auf dem Trockenen sitzen lassen.
Schiffe waren nicht dafür konzipiert, in der Luft zu hängen, wobei sie an einem Punkt von einem festen Gegenstand gestützt wurden, während andere Teile freitragend baumelten. Einige Schiffe überstanden solche Unfälle, doch im überwiegenden Teil der Fälle brach der Kiel (im Wesentlichen das Rückgrat des Schiffes). Ein Schiff mit einem gebrochenen Kiel war irreparabel beschädigt. Die einzige Möglichkeit für die Besatzung sich zu retten, bestand darin, Vorräte in kleinere Boote zu verladen und zu versuchen, auf andere Weise nach Hause zu gelangen, oder die Vorräte an die nächste Küste zu bringen, vorausgesetzt, eine Insel oder anderes Festland waren in der Nähe.
Eine weitere Methode war, das Schiff zu erleichtern. Kanonen (jede Kanone wog mehrere Tonnen) oder schwere Ladung konnten über Bord geworfen werden oder, wenn die Mannschaft Glück hatte, an ein nahe gelegenes Ufer geschleppt werden. Wenn die Besatzung extrem verzweifelt war, war es sogar möglich, dass das kostbare Trinkwasser über Bord gepumpt wurde.
Auf diese Weise war es denkbar, dass das Schiff bei der nächsten Flut frei trieb.
Andere Maßnahmen, um ein auf Grund gelaufenes Schiff zu befreien, bestanden darin, eine Leine zu einem anderen Schiff oder sogar zu einem kleinen Boot zu legen und zu versuchen, das größere Segelschiff wegzuschleppen. Natürlich wurde auch versucht, den Wind zu nutzen, um das Schiff vom Grund wegzutreiben. Befand sich ein anderer fester Gegenstand - wie eine Insel - in der Nähe, konnte man ein Seil an irgendetwas Brauchbarem befestigen, beispielsweise an einem in den Felsen geschlagenen Dorn oder vielleicht an einer Palme, um das Schiff freizuziehen.
Saß das Schiff im Schlamm fest, konnte es einen unbeschädigten Rumpf haben und dennoch durch den Sog festgehalten werden. Um die Spannung des Schlamms zu brechen, versuchte die Besatzung, sich von einer Seite des Schiffes zur anderen zu bewegen, um so viel Bewegung zu erzeugen, dass der Sog nachließ. Kriegsschiffe feuerten manchmal mit ihren Kanonen in den Schlamm, in der Hoffnung darauf, dass die Erschütterungen und Vibrationen sie befreien würden.
Die eben genannten Möglichkeit waren die guten, auf Grund zu laufen.
Die schlimmste Art war, von Sturmwinden an eine felsige Küste getrieben zu werden. Das war der Albtraum eines jeden Seemanns. In einer dunklen Nacht oder an einem unbekannten Ort konnte es ohne Vorwarnung passieren, dass man auf Grund lief. Die Schwungkraft des Schiffes würde die Masten so stark belasten, dass sie nicht selten brachen.
Der Verlust der Masten und damit auch der Segel bedeutete, dass das Schiff jegliche Fahrt verlor. Damit war das Schiff der Gnade des Meeres ausgeliefert. Ohne Vorwärtsdrang drehte das Schiff mit der Breitseite zu den Wellen. Und bei hohem Seegang konnten die Wellen über das Deck schwappen. Bei starkem Seegang konnte ein Schiff sogar auf den Kopf gestellt werden.
Auf diese Weise wurde das mächtige Piratenschiff Whydah versenkt. Nur 7 Seeleute der 150 Mann starken Besatzung überlebten.