Ich laufe. Immer schneller. Meine Füße verschwinden im dichten Nebel auf dem Boden. Doch das hält mich nicht auf. Denn ich renne immer weiter durch die Leere. Nichts, als weißer Nebel über dem Boden und einem strahlend blauen Himmel.
Es hätte so schön sein können. Wenn es nicht so leer wäre. Wenn ich nicht auf der Flucht wäre. Wenn der Wind nicht von vorne kommen und mich ausbremsen würde. Wenn, wenn, wenn...
Ich höre Schritte hinter mir. Atem, der gegen den Wind drückt.
In der Bewegung drehe ich mich um und starre ins...Nichts. Nur leere.
War es mein eigener Atem? Waren es meine eigenen Schritte auf dem Boden? Bilde ich mir das alles nur ein? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Ich werde nicht langsamer; ich werde schneller. Noch schneller als eben. Ich fliege schon fast. Oder vielleicht ganz? Der Boden scheint mich zu federn, als würde ich auf Luft laufen.
Was? Auf Luft laufen? Das ist doch unmöglich. Was erzähle ich denn da?
Worauf ich wirklich laufe, kann ich nicht erkennen, denn der Nebel verdeckt noch immer die Sicht auf meine Füße und den Boden.
Ich laufe immer weiter. Wohin? Das weiß ich selbst nicht. Alles sieht gleich aus. Ich scheine gar nicht voran zu kommen und doch laufe ich. Ich laufe weg. Weg von etwas. Etwas, dass ich gar nicht gesehen habe. Ich weiß gar nicht, wovor ich weglaufe. Hier bin nur ich und die Luft. Nichts, wovor ich weglaufen könnte. Und doch renne ich. Immer weiter. Immer der Luft entgegen. Ich laufe nach rechts, doch noch immer kommt der Wind von vorne.
Es ist sinnlos, dass ich laufe, doch fühlt es sich richtig an. Sicher. Immer in Bewegung bleiben. Ich laufe einen Bogen und schließlich den gleichen Weg zurück, aus dem ich gekommen bin. Zumindest glaube ich es, denn alles sieht gleich aus.
Schon wieder kommt mir der Wind entgegen. Der Wind will mich bremsen! Doch ich lasse mich nicht bremsen. Nicht von der Luft!
Ich kann mich an nichts erinnern, doch ich spüre es. Ich fühle, wie die Luft mich versucht zu unterdrücken. Mich! Doch wer bin ich überhaupt? Egal, unwichtig. Wichtiger, ist es in Bewegung zu bleiben. Niemals stehen bleiben.
Noch immer bleibe ich nicht stehen. Ich komme langsam aus der Puste und meine Schritte werden immer langsamer. Es kostet mich immer mehr Überwindung nicht einfach stehen zu bleiben. Doch ich gebe nicht auf. Ich kämpfe mich voran, schiebe mich immer weiter gegen den Wind. Meine Bewegungen werden immer langsamer, die Wand aus Luft immer undurchdringlicher.
Schnaufend bleibe ich schließlich doch stehen. Niemals stehen bleiben. Stille. Kein Wind mehr. Ich mache einen Schritt nach vorne; die Luft schiebt mich sofort wieder zurück.
Das ist wirklich merkwürdig. Langsam setzte mich auf den Boden, mein halber Oberkörper verschwindet im Nebel. Stille umschlingt mich und umhüllt mich, wie in einer Blase. Ich starre in die Ferne, doch überall noch immer nur der weiße Boden.
Warum passiert hier nichts? Sollte hier nicht irgendwann etwas passieren? Wenigstens etwas? Wenigstens eine kleine Bewegung oder so? Selbst der Neben klebt bewegungslos auf dem Boden.
Aber rein gar nichts? Das ist doch langweilig! Ich weiß nicht einmal, wo ich bin. Wer ich überhaupt bin. Ich weiß nichts und bin hier im Nichts. Ich sitze mitten im Nebel und warte. Warte auf nichts. Und doch auf alles. Ich warte, bis sich etwas verändert und doch passiert nichts.
Zeit vergeht. Doch nichts passiert. Vergeht die Zeit überhaupt, wenn nichts passiert? Oder bleibt sie einfach stehen, bis wieder etwas passiert? Zeit bedeutet doch normalerweise Veränderung. Doch selbst der Wind steht still. Völlig still. Wie kann das sein?
Langsam stehe ich auf. Ich renne los, will schneller sein, als der Wind. Doch ich knalle nach ziemlich kurzer Zeit gegen eine unsichtbare Wand und werde zurückgeworfen. Langsam stehe ich auf und strecke meine Hand vorsichtig nach vorne, doch ich kann nichts fühlen. Ich schüttel meinen Kopf, um ihn wieder frei zu bekommen, denn es fühlt sich an, als sei all das plötzlich viel weiter weg.
Wie aus dem Nichts beginne ich erneut zu sprinten, doch erneut schlägt mein Körper mit voller Wucht gegen die unsichtbare Wand.
Wieder richte ich mich auf. Wieder schüttel ich meinen Kopf, um ihn klar zu bekommen. Doch diesmal sprinte ich nicht mehr los, sondern bleibe stehen. Ein leichter Luftzug weht an meinem Ohr vorbei und scheint mir etwas zuzuflüstern. »Du wirst mich nicht austricksen können. Egal was du tust«
Das kann doch nicht sein! Ich schaue mich um, doch ich kann nichts erkennen. Ich habe eindeutig diese Stimme gehört. Bin ich nun endgültig verrückt geworden?
Ich sprinte ein weiteres Mal los und wieder trifft mit der Schlag. Doch diesmal bin ich darauf vorbereitet und kann mich gerade noch auf den Beinen halten. Ich strecke erneut meinen Arm aus, doch dort ist wieder nichts.
Ich bin scheinbar doch verrückt geworden. Ich gehe langsam los und der Wind drückt mich zurück. Jeder Schritt ist unheimlich anstrengend, doch ich komme voran. Wenn auch langsam. Die Luft pfeift an mir vorbei. »Warum strengst du dich so sehr an, voran zu kommen. Merkst du nicht, dass es nichts bringt und nur Kraft kostet? Warum läufst du immer weiter?«
Die Luft scheint wirklich zu mir zu sprechen. Aber dann bin ich wenigstens nicht mehr so alleine. Hier ist ja sonst nichts.
»Warum sollte ich nicht gehen?«, erwidere ich und mache einen weiteren Schritt. »Was soll ich sonst machen? Stehenbleiben?«
Kurz darauf flüstert mir die Luft zu: »Ihr Menschen seid doch alle so gleich. Deshalb werden wir immer über euch stehen. Ihr haltet euch für so schlau. Fremdwahrnehmung und Eigenwahrnehmung. Versucht doch mal was neues«
Ich bleibe stehen. »Wer ist wir?«, frage ich nach, bekomme aber keine Antwort. Ich starre meine Umgebung an. Schon wieder die Blase aus Stille. »Was soll ich neues probieren?«, rufe ich in die Stille und versuche die Blase zu durchbrechen.
Vorsichtig mache ich einen Schritt nach vorne. »Das musst du eigentlich selbst wissen«, zischt es. »Doch diesmal werde ich mal freundlich sein«. Das zischen hört auf und ich spüre, wie ich nach oben gedrückt werde. »Versuch es doch mal mit Fliegen«
Unsichtbare Hände ziehen mich immer weiter nach oben. Unter mir die unendlich weiße Fläche. Sie scheint gar nicht kleiner zu werden, obwohl ich immer weiter nach oben steige.
Plötzlich werde ich durch die Luft gewirbelt, mal nach Rechts, dann nach Links. Ich verliere völlig die Orientierung, immer wieder plötzliche Richtungswechsel. Alles verschwimmt ineinander.
»Was soll das?«, schreie ich in das Getöse des Windes.
»Denkst du ehrlich, dass ich dir kleinem Menschen helfen würde? Warum sollte ich dir helfen? Einem so langweiligen Wesen? Du kannst nicht einmal fliegen«, lautes Gelächter übertönt das Tosen und ich spüre den Fall. Immer schneller. Immer weiter dem Boden entgegen.
Ich wusste es! Ich wollte die ganze Zeit vor dem Wind weglaufen, doch bin die ganze Zeit im Kreis gelaufen.
Der Boden kommt immer näher. Der Wind eilt an mir vorbei nach oben, vielleicht um einen besseren Blick zu haben. Wofür auch immer. Gleich habe ich den Boden erreicht. Ich beginne zu schreien und liege plötzlich auf dem weichen Boden. Ich werfe meine Decke zur Seite und setze mich auf.