Peter hatte sich die Unterlagen seines letzten Auftrages aus dem Auto geholt und saß nun vor seinem Rechner. Er war aber nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Trotz der geschlossenen Zimmertür, bildete er sich ein, Ricardas Stimme zu hören...
Ricarda putzte sich die Nase. Wie sollte sie Peter nur erklären, das er in dem Moment, als er sie umarmen wollte, für sie der gestrige Angreifer war. Er würde ihr vermutlich nicht einmal zuhören. Es tat ihr unendlich leid, ihn so enttäuscht zu haben. Es war ihr schon klar, dass ein Mann, der ihr die ganze Nacht Wärme und Geborgenheit im "Löffelchen" gegeben hatte, ohne sie auch nur einmal zu "berühren" ihr niemals mit einer Umarmung zu nahe gekommen wäre. Deshalb verstand sie auch so gut, warum er dermaßen enttäuscht von ihr war. Ihr Blick fiel auf ihr Handy. Sogar das hatte er für sie repariert. "Ricarda, du bist so eine dumme Ziege!" dachte sie. Sie nahm das Handy zur Hand. Tatsächlich Hatte der Akku wieder 90%. Sie schaltete es an und gab ihre PIN ein. Es funktionierte! Einige unbeantwortete Anrufe wurden aufgelistet. Darunter ihre beste Freundin Erika. Als sie deren Namen las spürte sie einen Hauch Erleichterung. Sie musste mit Erika reden. Die wusste immer Rat! Sie rief zurück und klagte Erika ihr Leid.
Peter hatte eine Stimme gehört und wer könnte das schon sein, außer Ricarda. Ein paar Sekunden haderte er mit sich, ob er lauschen sollte und kam schließlich zu dem Schluss, dass er in seinem Haus auch bei offener Arbeitszimmertür arbeiten könne. Also öffnete er die Tür. Da auch die Küchentür nach wie vor sperrangelweit offen stand, hörte er jedes Wort.
"Erika, der ist nicht so! Du musst dir vorstellen, er hat mich die ganze Nacht in seinen Armen gehalten, aber er hat mir nur Wärme und Geborgenheit gegeben! Er ist so geduldig und lieb gewesen. Und ich dumme Ziege tue ihm so weh! Er kann das nicht wissen, dass er in diesem Moment für mich Niemeier war. Der hat mich am Telefon so zur Sau gemacht, dass alles wieder da war. Ich spürte förmlich seine Hände überall auf meinem Körper, genau wie gestern Abend! Und genau in dem Moment wollte Peter mich in den Arm nehmen und ich blöde Kuh dreh mich angewidert weg! Ich hab alles Kaputt gemacht, verstehst du? Da war was gewachsen zwischen uns, das konnte ich spüren, und das hab ich zerbrochen. Er ist tödlich beleidigt und das mit Recht! Es tut mir so leid, aber er wird mir wahrscheinlich gar nicht mehr zuhören wollen. Du bist gut! Sag ihm genau das was du mir gesagt hast! Wie denn? Soll ich ihn auch anrufen? Als er rausgegangen ist, hab ich ihm nachgerufen, dass es mir leid tut. Er hat nur gesagt: "Mir auch!" ganz kühl. Das ist nicht seine Art verstehst du! Und als er rausgegangen ist, bin ich mir darüber klar geworden, dass ich noch nie so verliebt war. Ich würde alles tun um es ungeschehen zu machen! Was heißt da, auf der Stelle mit ihm schlafen? Glaub mir, selbst das würd ich tun! Aber der ist nicht so! Doch, er würde sicher liebend gern mit mir schlafen, aber jetzt nicht mehr, weil er mir nicht mehr glauben würde, dass ich das wirklich will! Ja ich sagte doch, der ist anders! Erika was soll ich denn tun, verdammt? Hilf mir doch! Was kann ich tun, damit er mir glaubt, dass ich ihm vertraue? Nein, ich glaube NICHT, dass ich heute auch zu ihm ins Bett darf. Ich habe mir so gewünscht, das er mich nur zufällig berührt, als er die Taschentücher brachte, aber er ging an mir vorbei, als hätte ich eine ansteckende Krankheit! Ich wollte nach ihm greifen, aber ich hab mich nicht getraut... Ich hab alles kaputt gemacht. Ja, ich weiß, dass ich nichts dafür kann! Aber ER kann es nicht wissen! Meinst du?... Zu ihm... Vielleicht hast du recht, ich sehe mal nach, ob er überhaupt noch mit mir spricht... Halt mir die Daumen! Ich meld mich später nochmal!"
Peter war erleichtert. Es war wohl doch das Trauma. Zugegeben, Niemeier war am Telefon wirklich brutal gewesen. Deshalb hat Peter ihm auch gedroht. Peter würde ihr verzeihen, aber nicht sofort! Sie musste lernen, ihm Vorbehaltlos zu vertrauen. Leise schloss er die Zimmertür um den konzentrierten Programmierer zu geben. Es klopfte. "Komm rein!" Ricarda sah mitgenommen aus. Ihr Gesicht war fleckig vom Weinen und auch sonst wirkte sie total fertig. "Peter, ich möchte dir so viel sagen..." Peter drehte sich zu ihr um, sagte aber kein Wort. "Ich hab dir sehr weh getan, das weiß ich, aber das hatte nichts mit DIR zu tun..." - "Ach ja?" - "Ich.. Ich werde uns jetzt was kochen... ich find mich schon zurecht!" sie ging wieder zur Tür. Sie drehte sich nochmal um. "Peter, ich weiß, du wirst mir nicht glauben, aber... ich hab dich sehr lieb... ich meine wirklich sehr lieb, nicht so wie die im Computer schreiben..." Mit hochrotem Kopf verließ sie das Arbeitszimmer...