Johann schenkte den Champagner ein und sie stießen alle an. Die beiden Frauen, die Ricarda bisher nicht gekannt hatte, schienen durchaus sympathisch zu sein. Allerdings merkte man Beiden an, dass sie Irina gegenüber (noch) etwas skeptisch waren. Wenn man bedachte, wie sich Irina früher gegeben hatte, war das nicht sehr verwunderlich. Ricarda legte ihre Scheu sehr schnell ab und eh man sich's versah, berichtete sie über den Abend, an dem ihr Golf gestreikt hatte. Elke und Michaela, die nur von ihren Männern das Eine oder Andere gehört hatten, lauschten aufmerksam Ricardas Ausführungen bis zu der Stelle an der Peter in den Sattelschlepper geknallt war. Nun erzählten abwechselnd Peter und Gernot weiter, bis man schließlich an Irina abgab, die nach ihrem eigenen Ermessen den Umfang ihrer Information gestalten konnte. Rupert hatte davon ja auch noch nichts mitgekriegt. Alle waren schließlich beeindruckt, wie Irina eingegriffen hatte und jeder war über ihre riskante Entscheidung ihre Identität preiszugeben, um ihnen zu helfen, positiv überrascht. Sie hatte sehr an Sympathie gewonnen. Durch ihr neues Auftreten und ihr angenehmes Verhalten, hatte sie in den Herzen der Freunde einen Platz erworben, was sie sichtlich beruhigte, hatte sie doch große Zweifel daran gehegt, von ihren alten ehemaligen Rivalinnen je respektiert zu werden. Natürlich waren die großen schwerwiegenden Kindheitserlebnisse Irinas nicht auf den Tisch gekommen. Sie hatte nur ein, zwei Mal erwähnt, dass sie durch ihre familiäre Situation zum Geheimdienst gezwungen worden war, woran Peter, Ricarda und Leonhard keinen Zweifel ließen und sich für ihre Integrität verbürgten.
Schließlich kam man zu den heutigen Erkenntnissen. Von den in Deutschland aufgetauchten Gabelschlüsseln bis zu den Gegenständen, die in Gernots Werkstatt aufgetaucht waren. Auch das morgige Treffen in Salzburg mit Frau Weinberger wurde noch erläutert, bevor der Hauptgang serviert wurde.
"Das ist ja eine unglaubliche Geschichte!" sagte Elke schließlich. Auch Michaela war geschockt über die jüngsten Ereignisse und Irinas Identität. "Bitte seid mir nicht böse!" sagte Irina, "Ich durfte niemanden nahe an mich heranlassen! Glaubt mir, es ist nicht leicht, immer nur der Kotzbrocken zu sein und nie eine Vertraute, eine Freundin zu haben. Ich hoffe, ihr könnt mir vergeben, denn ich möchte auch einmal ein normales Leben in einem normalen Freundeskreis führen, ohne mich weiter verstellen zu müssen." - "Das kannst du ja nun, Irina, Jetzt wo wir wissen, worum es geht." Michaela kam Irina offensichtlich ein Wenig entgegen.
Sie und Elke kannten Irina schon lange, aber nicht besonders gut. Wie auch, bei dem Verhalten, dass sie bisher gezeigt hatte? Es würde wohl noch einige Zeit vergehen, bis die Beiden richtiges Vertrauen zu ihr entwickeln könnten, aber der Anstoß dazu war erfolgt. So wie Irina gehofft hatte, zog das Neue, endlich gute Verhältnis zu Peter und Ricarda nun auch den Rest der Klique in ihre Richtung und wie sie richtig erkannt hatte, war Peter der am meisten Respektierte unter den Freunden, dessen Wohlwollen auch den Weg zu anderen Herzen erleichterte.
Schließlich richtete Peter das Wort an Rupert. "Der Grund, warum wir heute hier zusammengekommen sind und euch umfassend informiert haben, ist der, Rupert, dass ich glaube, dass wir bisher nur die Spitze des Eisberges gesehen haben, das heißt, unser Abenteuer ist hier sicher noch nicht zu Ende. Da wir beide bisher immer gemeinsam unsere größten Kämpfe gemeistert haben, wollte ich dich an meiner Seite wissen. Wenn unser Wissen uns in Gefahr bringt und die uns mundtot machen wollen, ist es wichtig, dass Einer weiß was Sache ist, ohne dass denen klar ist, dass es diesen Mitwisser gibt. Sollte einem von uns etwas passieren, könntest du uns mit dem Wissen über den Fall vielleicht freipressen. Du bist in dieser Causa nie in Erscheinung getreten und keiner bringt dich damit in Zusammenhang, aber bei dir bin ich absolut sicher, dass du die Courage und die Intelligenz hast, uns da raus zu hauen. Ganz abgesehen von deinem persönlichen Willen, deine Freunde nicht im Stich zu lassen." - "Auch wenn es überheblich klingen sollte, Peter, ich denke, du hast wieder mal eine gute Wahl getroffen, mein Freund!" grinste Rupert. Allerdings müssen wir uns dazu auch noch unter vier Augen unterhalten." - "Allerdings Bertie, es gibt Material, das jemand für mich verwahren sollte und es gibt noch ein paar Einzelheiten, die nur du wissen solltest, für den Fall, dass einem Involviertem etwas zustoßen sollte."
Elke lehnte sich zurück und sah hinter Michaelas Rücken zu Ricarda. "Die ganze Sache beginnt mir Angst zu machen, Ricarda. Glaubst du auch, dass noch etwas passiert?" - "Ich weiß es nicht, Elke, aber ich weiß dass Peter vorsichtig ist und sich deshalb bestmöglich absichert. Ich glaube, dass er niemandem so blind vertraut, wie deinem Rupert." - "Ja, ich weiß. Sie sind seit ihrer Jugend beste Freunde..."
Nach dem Hauptgang entschuldigten sich Peter und Rupert kurz. Sie gingen in Ruperts Büro. "Es ist gut, dass du mir reinen Wein eingeschenkt hast, auch wenn wir das vielleicht besser ohne unsere Frauen besprochen hätten." - "Ich habe drüber nachgedacht, Rupert, aber ich bin es Irina schuldig, sie zu rehabilitieren, wenn ich ihre Identität schon so gefährlich weit enttarnt habe. Sie ist nicht so ein schlechter Kerl, wie wir immer geglaubt haben und was Recht ist muss Recht bleiben. Peter gab ihm ein Kuvert mit einem Schriftstück und einem USB-Stick. Auf diesem Stick hier, sind unglaubliche Dateien. Ich habe sie kopiert, um im Falle eines Problems ein Druckmittel zu haben. Die Dateien sind nach wie vor auch auf der Kamera, damit ich glaubhaft versichern könnte, nicht zu wissen worum es geht, wenn es ernst wird. Außerdem ein paar Notizen, die wichtig für dich sein könnten, wenn es ernst werden sollte. Bitte schau dir alles genau an, wenn du alleine bist. Vielleicht fällt dir noch was auf, was ich übersehen haben könnte."
Rupert nahm den Umschlag an sich und legte ihn in seinen Safe. "Ich weiß. du möchtest nicht, dass ich in Erscheinung trete, weil ich für dich eine Art geheimer Versicherung darstelle, aber lass es mich rechtzeitig wissen, wenn du mich an der "Front" brauchen solltest. Das liegt mir mehr, wie du weißt. Du kannst dich zu hundert Prozent auf mich verlassen, aber deshalb fiel deine Wahl ja auf mich. Lass uns wieder zu den Anderen gehen." - "Bertie: Danke! Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann!"
Als die beiden an den Tisch zurückkamen, wurde gerade das Dessert serviert. "Es ist immer wieder ein Erlebnis, in deinem Felsenkeller zu essen, Rupert." lobte Leonhard. "Dein Koch hat sich heute wieder selbst übertroffen!" Alle stimmten zu. Peter hatte auf dem Weg zum Tisch bemerkt, das sich die Mädels alle miteinander gut unterhielten. Es wäre ihm nur recht, wenn sie sich anfreunden würden. Das Dessert war ebenso eine Gaumenfreude, wie alle vorangegangenen Speisen. Den restlichen Abend unterhielt man sich angeregt über Alles Mögliche, seltsamerweise aber mit keiner Silbe mehr über den Grund des Treffens...