Ein lautes, kurzes Jaulen riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Kopf schnellte nach oben, und aufmerksam suchte er nach der Quelle des unerwarteten Geräuschs.
Hatte sich ein Hund hier hinauf verirrt?
Das Poltern fallender Steine, gefolgt von einem weiteren Schmerzenslaut verriet die Richtung, in der sich das Tier befinden musste.
Hier geschah selten etwas Überraschendes. Die Tage kamen und gingen mit absoluter Zuverlässigkeit. Das Wetter änderte sich, ja, und er hatte auch schon dreimal den Wechsel von Sommer zu Winter hier in den Bergen mitgemacht. Dass sich ab und an ein paar Tiere in die Nähe seiner Behausung verirrten, wenn sie scheinbar verlassen dalag, kam gelegentlich vor, war aber nicht unvorhersehbar.
Nur die Menschen, die sich selten hier herauf verirrten, störten seinen geregelten Tagesablauf. Wanderer. In der Regel hatten sie sich verlaufen - und das, obwohl man einfach nur bergab gehen musste.
Er beschloss, nach dem Rechten zu sehen, um sicherzugehen, dass er in den nächsten Tagen nicht wegen eines entlaufenen Schoßhunds belästigt werden würde. Diese nichtsnutzigen Tiere waren wohl nicht einmal in der Lage, sich von losem Untergrund fernzuhalten – dabei war es dank des Mondlichts hell genug, um die trügerischen Stellen gut zu erkennen.
In der lauen Sommernacht gab es auch sonst nichts, das einen ablenken könnte, keinen Regen, Nebel oder starken Wind – nur die leise Musik aus dem Tal. Sie verklang, je näher er der Quelle des Geräuschs kam.
Als er sich mit langen, aber bedächtigen Schritten dem kleinen Felsrutsch bis auf wenige Dutzend Meter genähert hatte, durchbrach ein Laut die abendliche Stille, der ihn innehalten ließ: das tiefe, kehlige Knurren eines Wolfs.
Er kannte dieses Geräusch. Er und die Wölfe, die manchmal durch diese Gegend streiften, hielten respektvollen Abstand zueinander, und er wollte sich schon aus den Angelegenheiten dieses Exemplares zurückziehen, als ein verängstigtes Winseln ihn zögern ließ.
Dort waren mindestens zwei Wölfe.
Was geschah dort? Sollte er nachsehen?
Nüchtern betrachtet ging ihn die ganze Sache nichts an. Es konnte ausgesprochen gefährlich sein, einen Blick auf das Geschehen zu riskieren. Aber dennoch ... irgendetwas in ihm verlangte danach. Und war es nicht besser, über das Bescheid zu wissen, was sich in der Umgebung seiner Hütte abspielte?
Entschlossen packte er seinen Wanderstab, der sich im Notfall gut als Waffe einsetzen ließ, und schlich näher an das kleine Geröllfeld heran.