Das letzte Schiff unseres Clans tanzt über die Wellen. Gischt spritzt uns in die Augen und der Wind zerrt an meinen Haaren. Vom Bug meines Vaters Schiff spähe ich bis zum Horizont und suche nach den Schiffbrüchigen vom Clan Aslak. Jede Sekunde auf den wilder werdenden Wellen ist ein Risiko. Nach all dem Unglück, das unseren Clan heimgesucht hat, wäre der Verlust unseres einzigen verbliebenen Schiffes – und der Mannschaft – ein endgültiger Todesstoß.
Endlich sehe ich sie! Inmitten der Trümmer eines Schiffes, das dem aufziehenden Sturm zum Opfer gefallen ist, schwimmen an die fünfzig Männer im Wasser. Sofort ändern wir den Kurs und verlangsamen, bis wir die Schiffbrüchigen aus dem Wasser ziehen können. Wir haben kaum angefangen, als zwei Flotten am aufgewühlten Horizont erscheinen. Sieben Schiffe vom Clan Ingun und neun vom Clan Skialg.
„Wieso schickt Jarl Skuld uns nur ein einziges Schiff?“, fragt Svart, der Kapitän des gesunkenen Schiffes. Sein Blick ist wütend, so als hätten wir ihn nicht gerade aus einem heraufziehenden Sturm gefischt.
„Das ist das einzige Schiff des Clans Skuld“, antworte ich dem Aslak-Mann. Dessen Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig. Kein Wunder, immerhin hat sich die Situation gerade von einer tödlichen Beleidung unsererseits zur höchsten Ehre für ihn gewandelt.
Auf dem tobenden Meer werden die restlichen Männer eingesammelt. Wir drehen, wobei wir aufpassen müssen, dass der vom großen Langschiff genommene Anker an unserem Flickwerkboot nicht den Rumpf der nahen Schiffe zerkratzt.
„Der Sturm wird immer stärker!“, ruft uns ein Kapitän von einem der Ingun-Schiffe zu. „Wir müssen das auf See aussitzen, bis zu den Inseln schaffen wir es nicht mehr.“
Das fehlt uns gerade noch! Die zur Rettung herbeigeeilten Schiffe geraten selbst in Seenot.
„Unsere Insel ist ganz nah!“, antworte ich. „Kommt einfach mit.“
Mit unserer leicht angeschlagenen Flotte aus den Schiffen zweier Clans eilen wir vor dem Sturm her zurück zu der kleinen Insel, die mein Clan neu besiedelt hat. Zum Glück ist die Burgmauer fertig. Mein Flaggschiff, aus den Resten von Vaters Schiff und mit unzähligen Flicken, segelt zuerst in den Hafen und wir werfen den überproportional schweren Anker in die Tiefe. Die wenigen Überlebenden meines Clans strömen neugierig zum Hafen, als so viele Fremde hier Unterschlupf suchen.
„Wo ist Jarl Skuld?“, fragt Svart mich leise. „Was ist geschehen?“
„Der Jarl wurde ermordet“, antworte ich. „Dann wurden wir angegriffen. Das hier ist alles, was von unserem Clan noch übrig ist.“
Der Wind schlägt gegen den Stein der Burgmauer. Während die letzten Schiffe in den Hafen gezogen werden, eile ich mit Svart noch einmal nach draußen. Der flache, dunkle Sandstreifen vor den Klippen wird von Wellen überrollt, doch wir kämpfen uns hindurch bis zu dem einzigen Flecken mit Erde auf der Felseninsel. Der heftiger werdende Wind hat Paprika, Zierkürbisse und Avocado aus den wenigen Bäumen und Büschen geschüttelt. So schnell es geht, sammeln wir ein, was wir tragen können. Unsere Burg hat zwar Vorräte, doch auf den Andrang der Männer und Frauen der anderen Clans waren wir nicht eingestellt. Wir werden alle Nahrung brauchen, die wir kriegen können, ehe der Sturm uns in der Burg einschließt.
Pitschnass kehren wir zurück, die Arme voll mit Gemüse.
„Schließt die Tore!“, befehle ich.
Draußen wütet ein Jahrhundertsturm. Jetzt sitzen wir hier fest.