Der Rebellenführer gewinnt nach langem Krieg
"Morgen, meine Freunde", erhebe ich die Stimme, "beginnen wir unseren Sturm auf die Burg."
Der Jubel ist eher verhalten. Meine Leute sind müde nach den fünf Jahren Krieg und Rebellion. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Viele hält wohl nur noch die Aussicht auf ein baldiges Ende der Kämpfe an meiner Seite.
Ich sehe auf den rechteckigen Tisch vor mir. Ich stehe vor der Längsseite, gegenüber von meinem nun verwaisten Stammplatz. Vor mir sitzen Pancho und Eis, gegenüber, auf dem Stuhl rechts von meinem, sitzt Murlak.
"Um zu verhindern, dass Streit ausbricht, werde ich heute meinen Erben bestimmen", fahre ich fort. "Wir wissen nicht, was der morgige Tag bringen wird, aber eines ist gewiss: Wir dürfen in unseren Bestrebungen nicht nachlassen!"
Die Männer und Frauen tauschen unsichere Blicke. Mein Hauptaugenmerk gilt Eis und Pancho. Eis ist ein schlanker, kräftiger Mann mit kahlem Schädel, Pancho, der auf dem Stuhl direkt hinter ihm sitzt, ist anderthalb Köpfe größer, breiter und gleicht ihm ansonsten wie ein Zwilling.
Ich gebe Murlak ein Zeichen und mein Vertrauter erhebt sich. "Eis! Du wirst zuerst geprüft", verkündet der Veteran und deutet auf einen der Trinkenden am Tisch. "Töte ihn!"
Eis sieht sich gehetzt um, dann zieht er seine Pistole und zielt auf den Mann.
"Nein!", brüllt Pancho. Er zückt seinerseits eine Waffe und zielt auf Murlak. Kurz zögert er, dann schwenkt er seine Waffe herum und zielt auf meine Brust. "Nein, hört auf!"
Verwirrt zögert Eis.
"Damit ist die Prüfung abgeschlossen", sage ich ruhig. "Pancho wird mein Nachfolger."
Eis guckt ein wenig verletzt zu dem Größeren, doch er akzeptiert das Urteil schweigend und steckt die Waffe weg.
Durch einen geheimen Tunnel kommen wir unter der Burgmauer her in die Feste. Auf dem grasbewachsenen Hof sehe ich mich um. Zu allen Seiten erheben sich Gebäude, in denen Kämpfer lauern können.
"Ihr!", rufe ich einem der kleineren Teams zu. "Durchsucht die Kellergewölbe. Ihr!" Ich wähle als zweites eine größere Gruppe aus. "Überprüft das umliegende Gelände, alle Ausgänge. Lasst den Magier nicht entkommen!"
Ich packe das Schwert fester und eile los. Nun folgt das Ende unseres langen Kampfes.
Die Gesichtslosen sind ein merkwürdiges Volk
"Verteilt euch!", brüllt der Magier seinen Untertanen zu. Schlanke, nur kindergroße Wesen sind es, die weiße Kapuzen tragen. Anstatt Gesichtern sieht man bei ihnen nur schwarze Flächen.
Sie schwärmen in alle Richtungen aus und übernehmen die friedliche Burg, gehorsam und fleißig.
"Das Schlimme ist, dass man keine eigene Meinung hat." Der kleine Mann streicht sich über den langen, weißen Bart. "Man tut, was einem befohlen wird. Nur ein Bestreben existiert: Man möchte unbedingt verhindern, dass jemand herausfindet, was man ist. Ich habe damals Menschen getötet - unschuldige Menschen, die weder mit dem Krieg noch mit der Rebellion etwas zu tun hatten -, weil sie mein Gesicht gesehen haben. Ich habe ihre Leben ausgelöscht, ohne zu Zögern, weil allein die Tatsache, ein Gesichtsloser zu sein, so unerträglich war, dass niemand davon wissen durfte."
Inzwischen hat er ein Gesicht, das Gesicht eines rotbäckigen Zwerges. In seinen blauen Augen schimmert Reue.