Am nächsten Morgen bemerkte Violet, dass ihre Mitschüler sich irgendwie anders ihr gegenüber verhielten. Weit weniger distanziert oder schlicht gemein. Sie wurde immer noch beäugt von manchen, doch ihr gestriger Ausbruch schien zumindest bei einigen bewirkt zu haben, dass sie darüber nachdachten wie idiotisch sie sich ihr gegenüber benahmen.
Im Zaubertrankunterricht arbeitete Violet mit Colin, der ihr gegenüber irgendwie entkrampfter wirkte. Professor Tane, ein älterer Herr mit einer Halbmondbrille und einem braunen Cordjackett, hatte ihnen einen einfachen Schlaftrank als Aufgabe gestellt. Violet gab zu, dass es ihr leicht fiel, während alle um sie herum sich mit den Rezepturen abmühten. Das hatte man davon, wenn man einen Meister der Zaubertränke als Vater hatte. Außerdem maßte sie sich an das Rezept etwas abzuwandeln.
„Aber auf dem Rezept steht das ganz anders!“, sagte Colin, dem der Schweiß auf der Stirn stand.
„Ja, diese Methode ist aufwendiger. Wenn man die Käfer leicht drückt kann man ihr Sekret direkt verwenden und muss sie nicht erst auseinander schneiden. Außerdem überlebt so der Käfer.“, erwiderte Violet.
Sie nahm einen der braunen Käfter zwischen Daumen und Zeigefinger, drückte ihn leicht zusammen und er stieß ein stinkendes Sekret aus seinem Hintern aus, dass Violet in den Trank tropfen ließ.
„Wir kriegen nur Ärger, wenn du das machst wie du willst!“, sagte Colin leise mit Blick auf Professor Tane, der gerade durch die Reihen ging.
„Vertrau mir einfach!“, entgegnete Violet. „Oder noch besser, hilf mir, dann geht es schneller.“
Colin gefiel es sichtlich nicht und trotzdem half er ihr dabei die Käfer auszuquetschen. Schon bald nahm der Trank die vorgeschriebene, hellgrüne Farbe an.
„Was haben wir denn hier?“, fragte Professor Tane tattrig hinter ihnen. „Oh, phantastisch, nur ...“ Er warf einen Blick auf die noch lebenden Käfer in der Schüssel vor ihnen. „Hmm, meine Liebe, Anweisungen eines Rezeptes sollte man schon akribisch befolgen.“
Professor Tane begutachtete ihren Trank näher und rührte mit dem Löffel noch einmal darin herum.
„Wie haben Sie es gemacht?“, fragte er schließlich.
„Ich habe die Käfer ausgedrückt. Damit bekommt man mehr Sekret heraus als wenn man sie zerschneidet.“, antwortete Violet.
„Ich kann mir schon denken, wer Ihnen diesen Trick gezeigt hat, aber in Zukunft wäre es mir trotzdem lieber, wenn Sie sich an das Rezept halten.“, erklärte Professor Tane.
„Ja, Sir.“, erwiderte Violet etwas enttäuscht.
„Trotzdem, gut gemacht.“, fügte Professor Tane noch hinzu und ging dann weiter.
Colin schien die ganze Zeit die Luft angehalten zu haben. Erst jetzt atmete er geräuschvoll aus. Offenbar hatte er damit gerechnet, dass sie von ihrem Lehrer eine ordentliche Standpauke bekamen, weil Violet sich über die Anweisungen hinweg gesetzt hatte.
Nach dem Ende der Stunde ging sie mit Colin im Schlepptau in den Verwandlungsunterricht. Den hatten sie bei einer Hexe namens Helga O'Neill. Sie war eine untersetzte Frau mit kurzen, roten Haaren, die jedoch vor allem durch ihre kumpelhafte Art auffiel. Außerdem war sie die Hauslehrerin von Hufflepuff. Während der Stunde sollten sie die Stecknadeln vor sich in Streichhölzer verwandeln. Violet fiel es deutlich schwerer als Zaubertränke. Sie versuchte die ganze Stunde über ihre Stecknadeln zu verwandeln, doch es passierte nichts. Colin, neben ihr, ging es allerdings auch nicht viel besser.
Nach dem Mittagessen hatten sie eine Freistunde und Violet dachte es sei eine Gute Idee es noch einmal mit dem Anschluss zu versuchen, wo die Atmosphäre ihr gegenüber heute doch wesentlich sachlicher schien. Im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum setzte sie sich zu der Gruppe Erstklässler vor dem Kamin. Sie waren nicht besonders viele. Ihr Vater hatte einmal erzählt, dass deutlich weniger als die Hälfte auf die drei übrigen Häuser verteilt wurden und der Großteil nach Slytherin ging. So verlangte es wohl irgendeine Regelung des Ministeriums. Die Wahrscheinlichkeit nach Ravenclaw – oder Hufflepuff oder Gryffindor – zu kommen lag also bei deutlich unter zehn Prozent. Trotzdem waren sie vier Jungen und drei Mädchen, während es nur zwei Gryffindors und drei Hufflepuffs in der Klasse gab. Violet hatte schon einmal versucht die genaue Einteilung anhand ihrer Klassenkameraden auszurechnen, aber irgendwie machte es für sie keinen rechten Sinn. Vielleicht rechnete der Sprechende Hut auch einfach nicht prozentual, sondern ging nach seinem Gefühl. Wer wusste schon wie so ein Hut tickte?
Violet wurde jäh aus ihrem komplizierten Gedankengang gerissen als sie angesprochen wurde.
„Was?“, fragte sie verwirrt.
Ein großer Junge mit blonden Locken sprach mit ihr. Er hieß … verdammt, sie hatte seinen Namen vergessen … Finch? Finn? Finck?
„Ich sagte, ich habe heute gesehen, was du in Zaubertränke abgezogen hast.“, sagte der Junge und es klang nicht besonders nett.
„Ähm ...“, machte Violett.
„Ach lass Sie doch, Fennigan!“, sagte Colin.
„Ja, du profitierst auch mächtig davon neben ihr zu sitzen!“, entgegnete Fennigan. „Ich wette jeden anderen hätte Tane es nicht durchgehen lassen sich nicht ans Rezept zu halten! Der Alte ist doch pingelig wie sonstwas!“
„Willst du mir etwa jetzt die Schuld geben?“, fragte Violet.
„Ich denke schon. Kann ja nicht jeder 'nen Zaubertrankmeister als Daddy haben.“, sagte Fennigan.
„Du bist ein Blödmann!“, erwiderte Violet und spürte einmal mehr wie sie wütend wurde.
„Ach ja?“, sagte Fennigan drohend.
„Jetzt hör auf, Marc!“, sagte ein Mädchen mit braunem Haar, dass deutlich genervt wirkte.
„Warum? Hast du Angst sie rennt los und heult?“
Das war zu viel. Ohne darüber nachzudenken stürzte Violet sich auf Marc Fennigan und haute ihm eine rein. Sie wälzten sich über den Boden und schnell bildete sich eine Traube Schüler um sie, die das Spektakel anfeuerte.
„Was ist hier los?“, rief ein älterer Schüler mit einem Vertrauensschülerabzeichen. „Los, auseinander! Keine Prügeleien im Gemeinschaftsraum, ich meine es ernst!“
Der Vertrauensschüler ging dazwischen, packte Violet und Fennigan. Der Blödmann hatte eine tiefe Kratzspur ihrer Fingernägel im Gesicht. Sie hingegen blutete an der Lippe.
„Zehn Punkte Abzug für jeden!“, donnerte der Vertrauensschüler. „So ein Kindergarten! Jetzt geht!“
Violet nahm ihm beim Wort, schnappte sich ihre Tasche und stampfte aus dem Gemeinschaftsraum.
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Severus saß hinter seinem Schreibtisch und las einen Brief von Amelia, der gerade herein geflattert kam. Offenbar hatte sich Violet ordentlich mit einem Klassenkameraden geprügelt. Normalerweise hätte man den Täter vor den Direktor gezerrt, aber was tat man, wenn der Direktor ihr Vater war?
Er hatte sich während seiner Schulzeit auch viel geprügelt, allerdings meinte er sich zu erinnern, dass die ersten Wochen in Hogwarts vergleichsweise ruhig waren. Violet war ein gutes Mädchen, doch ihr Temperament neigte zur Hitzigkeit. Es blieb ihm nichts anderes übrig als Amelia zurück zu schreiben sie solle seine Tochter zu ihm schicken. Anschließend gab er den Brief dem großen Uhu, der auf seinem Tisch saß und wartete. Der Vogel flog durch das Fenster davon.
Severus stand auf und ging im Raum auf und ab. Irgendwie musste er versuchen die Gemüter zu beruhigen und vor allem die Gerüchteküche beenden, die seiner Tochter das Leben schwer machte. Als sie gestern bei ihm saß und weinte machte ihn das zutiefst traurig. Insbesondere da sie nicht zu ihm gekommen war, weil sie glaubte wenn er sich einmischte würde es ihr nur schlechter ergehen. Severus wusste wie gemein Kinder untereinander sein konnten. Seine eigene Schulzeit war, nett formuliert, ein Alptraum. Das wollte er seiner Tochter unter allen Umständen ersparen.
Severus sah aus dem Fenster und ließ den Blick über die Ländereien schweifen. Aus dem Turm des Direktors sahen die Schüler auf den Ländereien winzig aus. Sie bewegten sich wie kleine, schwarze Punkte über das noch grüne Land. Einige einzeln, andere in Gruppen. Es war immer das Selbe.
Ein zögerliches Klopfen an der Tür riss Severus aus dem Gedanken.
„Herein!“, sagte er und Violet steckte den Kopf durch die Tür. Sie sah furchtbar aus mit ihrer aufgeplatzten Lippe und dem Veilchen unter dem Auge.
„Professor.“, sagte sie angestrengt als sie eintrat. Er konnte ihr ansehen wie ungern sie hier war.
Severus trat auf sie zu und nahm ihr kleines Gesicht in seine Hände, um sich ihre Blessuren genauer anzusehen.
„Wer war das?“, wollte Severus wissen.
„Marc Fennigan.“, sagte Violet. „Ich hab mich im Gemeinschaftsraum mit ihm geprügelt.“
„Darf ich fragen warum?“, fragte Severus.
Violet wand sich aus seinen Händen.
„Er hat mich provoziert.“, sagte sie.
„Wie?“, fragte Severus. „Ich kenne mein Mädchen. Du prügelst dich nicht einfach so.“
„Ich habe in Zaubertränke eine Aufgabe etwas anders gelöst als vorgeschrieben war. Fennigan meinte später ich könne mir das nur erlauben, weil ich ja die Tochter des Direktors wäre. Na ja, ich war so wütend.“
„Ich weiß, dass es schwer ist, aber du darfst dich von diesen Idioten nicht so provozieren lassen.“, sagte Severus.
„Soll ich denn einfach alles schlucken?“, fragte Violet.
„Nein, aber du machst dich angreifbar, wenn du so emotional reagierst. Genau das wollen Leute wie Fennigan und beim nächsten Mal wird es noch schlimmer, weil sie dich dann mit deiner letzten Reaktion aufziehen.“, antwortete Severus.
Violet sagte nichts. Sie stand einfach nur da und sah an ihm vorbei.
„Ich bin ein grässlicher Ratgeber.“, fügte Severus hinzu. „Deine Mutter hätte bestimmt die passenderen Worte parat.“
Violet zuckte mit den Schultern und ging hinüber zum Kamin, wo sie sich in einen Sessel fallen ließ.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
Severus setzte sich ihr gegenüber.
„Sei einfach du selbst.“, antwortete Severus.
„Dann bin ich aber wieder emotional.“, gab seine Tochter an ihn zurück.
„Du sollst dich ja nicht verstellen. Zeig Fennigan das nächste Mal die kalte Schulter.“, sagte Severus.
„Wenn das so einfach wäre!“, entgegnete Violet und stützte ihr Kinn auf ihrer Hand auf und sah in die Flammen des Kaminfeuers.
Severus erhob sich und ging zu seinem Schreibtisch. Er nahm ein Blatt Pergament und setzte einen Brief an seine Frau an.
Liebste Narzissa,
Violet hatte hier keinen guten Start und ich fürchte es liegt auch an mir. Ihr geht es gerade nicht besonders gut, weil ihre Mitschüler sie sehr gemein behandeln. Besuche uns doch in den Herbstferien. Vielleicht kannst du unsere Tochter auf andere Gedanken bringen. Du weißt, ich bin kein besonders guter Problemlöser, was das betrifft.
Ich liebe dich.
Severus
Er steckte das Stück Pergament in einen Umschlag und gab ihn seiner Eule; einem großen, schwarzen Tier, dessen Augen in dem dunklen Gefieder bedrohlich leuchteten. Severus nannte sie Rubeus, nach einem alten Freund, der in der Schlacht um Hogwarts sein Leben gelassen hatte. Die Eule nahm seinen Brief in den Schnabel und flog durch das offene Fenster davon. Violet hatte von alldem nichts mitgekriegt. Sie saß noch immer vor dem Kamin und sah betrübt in die Flammen.
Severus ging wieder zu seiner Tochter hinüber. Er beschloss das Thema auf etwas zu anderes zu lenken.
„Was war das, was du in Zaubertränke anders gemacht hast?“, fragte er sie.
„Professor Tane hat uns einen Schlaftrank aufgegeben. Ich habe die Käfer ausgedrückt statt sie aufzuschneiden. Vielleicht hätte ich alles nach Rezept machen sollen, dann hätte Fennigan keinen Grund gehabt mir das übel zu nehmen.“
„Was ist das für ein Idiot, dass er dir so was übel nimmt?“, fragte Severus.
„Er war der Ansicht, dass Professor Tane jeden anderen rund gemacht hätte, wenn er vom Rezept abweicht. Nur ich sei ja die Tochter des Schulleiters und deshalb was besseres.“
„Trottel!“, sagte Severus und schüttelte den Kopf. „Du bist nichts Besseres nur weil du meine Tochter bist, aber vielleicht bist du etwas Besseres, weil du die Tochter eines anerkannten Fachexperten bist. Im ernst, diese Schulbuch-Rezepte konnte ich nie leiden. Zugegeben, es könnte sein, dass ich sie hin und wieder missachtet habe.“
Das zumindest brachte ein Lächeln in Violets Gesicht.
„Ich wette, Professor Tane sähe das anders.“, erwiderte sie.
„Professor Tane lehrt auch aus Schulbüchern mit dem Stand von vor fünfzig Jahren.“, antwortete Severus. „Oh, sag ihm das bloß nicht!“
„Ich weiß, du versuchst mich aufzumuntern, aber ich denke es ist besser, wenn ich wieder gehe.“, sagte Violet und erhob sich. „Trotzdem danke, Dad!“
Sie umarmte ihn und ging aus dem Büro.
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Nach dem Zwischenfall mit Fennigan blieb es erstaunlich ruhig. Violet hatte sogar das Gefühl , dass einige ihrer Klassenkameraden sie am Liebsten beglückwünscht hätten, weil sie ihn verprügelt hatte, sich aber nicht trauten ihr das auch offen zu sagen. Fennigan hingegen saß im Unterricht missmutig auf seinem Platz. Er blickte wütend zu ihr hinüber, aber mehr passierte nicht. Noch nicht einmal böse Bemerkungen ließ er fallen.
An einem Vormittag, während Zauberkunst, klopfte es an der Tür und ihr Vater trat ein.
„Kann ich mir mal Mister Fennigan für ein paar Minuten ausleihen, Amelia?“, fragte Severus.
„Oh, natürlich.“, sagte Professor Cordworth.
Fennigan hingegen wurde ganz blass und als er wieder zurück kam war er kreidebleich und redete kein Wort mit niemanden. Violet ahnte, dass ihr Vater ihn sich wohl zur Brust genommen hatte. Sie wünschte sich er hätte das gelassen. Wer wusste, was die anderen jetzt erst denken würden?
Am Nachmittag ging es nach draußen. Besenflugunterricht. Zuhause hatte Violet keinen Besen. Ihre Eltern waren der Meinung es gäbe noch genug Gelegenheiten sich den Hals zu brechen und das man das ja nicht noch provozieren müsse indem man auf einem Besen wild herumflog. Violet hatte also keine Ahnung, was sie erwartete.
Den Unterricht machte ein Mann aus dem Ministerium. Er war groß und schlaksig und trug eine schwarze Robe über einer Art Schutzkleidung mit Knieschützern, Stiefeln und Handschuhen.
„Ich bin Mister Hodges. Leiter des Kurses für Besenverkehrserziehung, Abteilung Sport- und Unterhaltungswesen des Ministeriums.“, stellte sich der Mann vor. „Wer von euch ist schon mal mit einem Besen geflogen?“
Einige Hände gingen hoch.
„Gut, bildet zwei Gruppen. Eine ohne Erfahrung und die mit und nicht schummeln, ich werde es merken, wenn ihr die Gruppe wechselt!“, sagte Mister Hodges.
Violet ordnete sich bei den Unerfahrenen ein. Neben ihr waren das die zwei Jungs aus Hufflepuff, ein Mädchen aus Gryffindor und fünf Slytherins. Nachdem Mister Hodges Anweisungen an die Erfahreneren verteilt hatte kam er zu ihnen.
„Bevor ihr einen Besen besteigt müsst ihr wissen, dass ein Besen nicht einfach nur ein Stück Holz ist. Er besitzt ähnlich wie euer Zauberstab einen eigenen Willen und ein eigenes Wesen. Ihr müsst ihn also gut behandeln damit er euch gut behandelt. Zunächst einmal zur Grundhaltung: Nehmt den Besen zwischen eure Beine, die Knie ein wenig gebeugt und ein fester Griff am Stiel. Stoßt euch ganz leicht vom Boden ab. Zieht den Besen an euch um in die Luft zu steigen und lehnt euch nach vorn um wieder herunter zu steigen. Je nachdem wie ihr das Gewicht verlagert fliegt euer Besen in die entsprechende Richtung. Probiert es, aber steigt nicht zu hoch. Bleibt knapp über dem Boden, dann passiert euch nichts.“
Violet stand da, in der von Hodges gezeigten Grundstellung, und stieß sich sachte vom Boden ab. Sie stieg vielleicht einen halben Meter in die Luft. Nervös umklammerte sie den Stiel. Das fühlte sich wirklich seltsam an. Sie verlagerte das Gewicht. Zumindest versuchte sie es. Violet merkte wie sie nach hinten rutschte. Sie klammerte sich an den Stiel, doch schließlich rutschte sie mit dem Hintern über die Reisigzweige und fiel dumpf auf ihren Hintern. Zum Glück war sie nicht die einzige, die sich so anstellte. Violet griff nach dem in der Luft schwebenden Besen und versuchte es nochmal. Sie stieg erneut in die Luft und versuchte sich auf ihren Besen zu halten. Warum musste das auch so unbequem sein? Hätten sie keinen Sitz darauf montieren können damit man nicht herunter rutschte?
Dieses Mal rutschte sie zur Seite weg. Violet umklammerte mit den Armen und Beinen den Stil und fühlte sich dabei ziemlich albern. Sie ließ langsam los und versuchte es noch einmal. Beim dritten Mal klemmte Violet den Besenstiel so hart zwischen ihre Beine, dass es ihr schon weh tat. Krampfhaft versuchte sie sich auf dem Besen zu halten. Sie lehnte sich nach vorn nach vorn und der Besen begann zu beschleunigen. Für ihren Geschmack etwas zu schnell. Dennoch schaffte sie es sich zu halten und flog eine torkelige Runde. Der Wind schlug ihr ins Gesicht und wehre ihre Haare nach hinten. Als sie wieder landete fror sie und ihr Hintern fühlte sich völlig zermatscht an.
Alles in allem war Violet froh als die Besenflugstunde vorbei war und die Aussicht darauf, dass es keine weitere geben würde machte sie nicht gerade unglücklich. Mit beiden Beinen auf dem Boden fühlte sie sich deutlich wohler. Daher nervte es sie auch, dass Colin unbedingt darüber sprechen wollte wie toll Besen waren. Klar, er war auch in der Erfahrungs-Gruppe und war einige, große Loopings geflogen.
„Du musst einfach üben!“, sagte Colin.
„Weißt du eigentlich wie weh mir alles zwischen meinen Beinen tut?“, entgegnete Violet. „Ich werde eine Woche nicht richtig sitzen können!“
„Schade, dass wir uns dieses Jahr noch nicht für die Qudditsch-Mannschaft einschreiben können. Ich fände es toll für Ravenclaw zu fliegen.“
Violet schnaufte unüberhörbar, trotzdem hörte Colin nicht auf zu reden. Den ganzen restlichen Tag musste sie sich daher anhören wie gern er Quidditsch mochte, wer seine Lieblingsspieler waren und welche Mannschaft er bevorzugte. Violet war sich sicher das war so ein Jungs-Ding. So wie Autos oder Motorräder. Wobei es in ihrer Familie kaum jemanden gab, der derart darauf abfuhr. Selbst Onkel Lucius, der angeblich recht gut auf dem Besen war, fand das wohl nicht so spannend, dass er ständig darüber reden musste.
Als sie wieder im Gemeinschaftsraum waren klemmte sich Violet hinter ihre Hausaufgaben. Colin hätte am Liebsten alles von ihr abgeschrieben, doch sie ließ ihn nicht. Schließlich spickte er ja schon in den Stunden andauernd. Am Abend saß sie im Sessel vor dem Kamin und blätterte durch Zaubertränke und Zauberbräue von Arsenius Bunsen. Viele der Tränke kannte sie schon, da sie ihrem Vater Zuhause oft im Labor half, allerdings bemerkte sie deutliche Unterschiede in der Zubereitung. So wie schon neulich bei dem Schlaftrunk. Violet dachte an die Worte ihres Vaters, der meinte ihre Schulbücher seien nicht mehr auf dem neusten Stand.
Jemand räusperte sich und sie sah auf. Vor ihr stand Fennigan, immer noch mit der Kratzspur in seinem Gesicht.
„Ich wollte mich entschuldigen.“, sagte er leise.
„Ach?“, machte Violet.
„Ich denke, ich war ziemlich gemein zu dir.“, antwortete Fennigan.
„Was hat mein Vater heute zu dir gesagt?“, fragte Violet.
Fennigan sah sie nun sehr unwohl an.
„Er meinte, wenn ich dich nicht in Ruhe lasse mischt er mir was in den Morgentee.“
Violet musste bei dem Gedanken daran kichern. Ja, das sah ihm ähnlich.
„Das ist echt nicht komisch!“, entgegnete Fennigan. „Jeder kennt seinen Ruf! Vielleicht vergiftet er mich sogar!“
„Warum sollte er sein gutes Zeug an ein Großmaul wie dich verschwenden?“, fragte Violet. „Ich kenne meinen Dad und es gibt wirklich fiesere Dinge mit denen er deinen Tee versetzen könnte als Gift!“
„Na toll!“, machte Fennigan und begann nun wieder blass zu werden.
„Lass mich einfach in Ruhe, dann hat er auch keinen Grund seine Drohung wahr zu machen.“, sagte Violet. „Waffenstillstand?“
„Hmm.“, machte Fennigan. „Waffenstillstand.“
Der Junge trabte davon. Violet sah ihm noch kurz amüsiert hinterher.