Lucius brachte Severus die darauffolgende Nacht an den Treffpunkt der angeblichen Verschwörung, allerdings unter der Bedingung sich die Augen verbinden zu lassen. Das alles war ihm nicht geheuer, trotzdem stimmte er zu.
Als ihm die schwarze Stoffbinde abgenommen wurde fand er sich in einem abgeschlossenen Raum wieder. Es war stickig und Staub rieselte von der Decke. Es wirkte wie ein alter Keller, jedoch war außer den glatten Betonwänden und abgebrannten Kerzenleuchtern nichts zu erkennen. Vor ihm standen im Halbkreis in schwarze Roben gehüllte Gestalten. Ihre Kapuzen waren tief ins Gesicht gezogen. So war es unmöglich zu erkennen, wer sich dahinter verbarg. Sie schwiegen. Eine seltsame Atmosphäre. Als hätte man sich nicht zwischen Stephen King und Alistair Crowley entscheiden können. Das war selbst für Todesser schräg.
Lucius trat hinter Severus hervor und stellte sich in die Mitte des Raumes.
„Oh, wie reizend.“, sagte Severus. „Also, wer führt diese Bande denn nun an?“
„Der steht vor dir.“, antwortete Lucius.
Severus schlief glatt das Gesicht ein.
„Du?“, fragte Severus ungläubig.
„Ich.“, sagte Lucius. „Der Kopf der Verschwörung. Und es ist wahr, was ich dir erzählt habe. Der Dunkle Lord soll sterben. Am besten vor aller Augen, damit es die Welt auch glaubt.“
„Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“, entgegnete Severus.
Es tut mir leid, dass ich dich unter diesem Vorwand hergelockt habe, aber ich wusste du würdest den Dunklen Lord ohne einen Beweis nicht belästigen.“, sagte Lucius.
„Ich könnte dir eine reinhauen!“, rief Severus wütend.
„Tu dir keinen Zwang an.“, antwortete Lucius ruhig.
Severus war wütend. Nicht weil Lucius diesen selbstmörderischen Plan ausgeheckt hatte, sondern weil er ihn da mit hineinziehen wollte.
„Warum? Ist es wegen Draco?“, fragte Severus.
„Ich bin nicht der Einzige, der einen Sohn verloren hat. Es gab so viele Dracos da draußen. Ich habe Jahre gebraucht, um endlich klar sehen zu können.“
„Du bist verrückt! Was ist wenn ich jetzt einfach verschwinde und es dem Dunklen Lord berichte?“, sagte Severus.
„Dann muss ich dich mit Gewalt daran hindern, aber ich weiß, dass du das nicht tun wirst.“, entgegnete Lucius.
Severus knirschte mit den Zähnen.
„Wie kommst du darauf, dass ich bei diesem Irrsinn mitmachen würde? Ich habe es akzeptiert, verstehst du? Was geschehen ist lässt sich nicht mehr ändern. Schon gar nicht nach über zehn Jahren!“
„Ich verstehe, dass du dich schützen musst. Genau deshalb bist du ja auch der Schwarze Falke geworden.“, sagte Lucius.
„Hast du bei deinem tollen Plan jemals an mich gedacht, an Zissa, an meine Tochter oder die unzähligen Leben in der Schule?“, entgegnete Severus wütend.
„Mehr als alle anderen.“, sagte einer der Robenträger. Er kannte diese Stimme, aber das war unmöglich! Severus trat auf die Stimme zu, nahm die Kapuze und zog sie dem Träger vom Kopf. Zum Vorschein kam jemand, den er niemals erwartet hätte: Amelia Cordworth.
„Nein.“, hauchte Severus.
„Doch.“, erwiderte Amelia. „Weil es sein muss.“
„Noch jemand, den ich kennen sollte?“, fragte Severus an die anderen Robenträger gewandt. Niemand antwortete.
„Wir wissen in welche Lage dich das bringt.“, sagte Amelia.
„Nein, wisst ihr nicht! Ihr habt nicht die geringste Ahnung!“, rief Severus aufgebracht. „Der Krieg ist vorbei, verdammt nochmal! Er ist vorbei!“
„Er war nie vorbei.“, entgegnete Amelia.
„Argh!“ Severus machte seiner Frustration Luft und trat mit dem Fuß gegen die Wand.
„Woher der Zorn?“, wollte Amelia wissen.
„Woher …?“, rief Severus nun noch aufgebrachter. „Wofür habe ich all das auf mich genommen, wenn ihr alles zunichte machen wollt?“
Amelia und Lucius tauschten vielsagende Blicke, die Severus jedoch nicht zu deuten wusste.
„Du wärst nicht hier, wenn wir dich für einen treuen Todesser halten würden.“, sagte Lucius. „Auch ich habe etwas gegraben, und zwar in deiner Vergangenheit, Severus. Weißt du noch, als die Todesser zweifelten, ob du auf ihrer Seite bist. Sie zweifelten zu recht wie ich erfahren habe. Du und Dumbledore habt immer gegen den Dunklen Lord gearbeitet. Du warst immer sein Spion beim Dunklen Lord, nicht umgekehrt. Ich hatte das vermutet.“
„Wer?“, fragte Severus. „Wer hat dir das erzählt? Es gibt niemanden, der es wusste und der noch lebt.“
„Theodore?“, rief Amelia.
Einer der Robenträger zog seine Kapuze vom Kopf. Zum Vorschein kam der zum Irokesen rasierter Kopf eines Teenagers. Er konnte nicht älter als dreizehn sein und doch kannte jeder in der Zaubererschaft sein Gesicht und seinen Namen.
„Ist das?“, fragte Severus.
„Theodore Lupin. Ted für meine Freunde und Warmachine für meine Feinde.“, stellte sich der Junge vor und sprach seinen Spitznamen aus als sei er besonders cool.
Severus blickte ihn verdutzt an.
„Ach komm schon, Warmachine, der meistgesuchte Verbrecher der Magierschaften!“, sagte Theodore als müsste ihn ja wohl jeder kennen.
„Natürlich weiß ich wer du bist, Werwolf! In deinem Alter so ziemlich alle Schwerverbrechen abgerissen, die es gibt. Dreizehn getötete Todesser. Mehrfache Flucht aus Askaban. Zum Abschuss freigegeben.“, antwortete Severus.
„Das Ministerium verfälscht immer meine Killlist. In Wirklichkeit sind es fast dreißig getötete Todesser, aber die zählen immer falsch!“
„Der Sohn von Remus und Nymphandorea Lupin sollte nicht so verdammt stolz auf seine Killlist sein!“, entgegnete Severus ungehalten.
„Uh, spürt ihr das auch? Der Typ verbreitet Erziehungsberechtigten-Vibes!“, sagte Theodore.
„Woher willst du wissen, dass ich für Dumbledore gearbeitet habe. Du warst kaum ein halbes Jahr alt als ...“, sagte Severus und wurde von dem Jungen unterbrochen.
„... meine Eltern während der Schlacht von Hogwarts fielen? Tja, meine Nanny kannte dich, alter Mann.“
„Alt? Wer ist hier alt? Du bist nur zu jung, das ist alles!“, antwortete Severus. „Wer war deine sogenannte Nanny? Es kann niemand vom alten Orden sein, die wurden alle exekutiert.“
„Alle bis auf denjenigen, der ohnehin nie beachtet wurde und der den Todessern im letzten Moment entkam.“, sagte Theodore. „Aberforth Dumbledore. Oh ja, er kämpfte mit, aber die Schweine haben ihn nie gekriegt und mich hat er versteckt als er vom Tod meiner Eltern erfuhr.“
„Aberforth lebt noch?“, fragte Severus.
„Ist letztes Jahr gestorben.“, sagte Theodore.
„Was hat er dir erzählt?“, wollte Severus wissen.
„Das du Dumbledores wichtigster Mann warst und das der Plan seines Bruders schief gegangen ist. Er hat dich wohl ziemlich bewundert, obwohl ich kein blassen Schimmer habe warum.“
„Ich habe seine Kneipe am Laufen gehalten.“, erwiderte Severus.
Das war nichts als die Wahrheit. In den Eberkopf ging man nur was trinken, wenn keine Gesellschaft wollte und keinen Wert auf Hygiene legte. Er hatte Aberforth gut gekannt. Vermutlich besser als Albus ihn je kannte.
„Na schön, nehme ich mal für einen Augenblick an ich würde bei eurem gemeinsamen Suizidversuch mitmachen wie wollt ihr den Dunklen Lord töten? Wir haben es ja offensichtlich nicht geschafft, obwohl wir uns Jahre darauf vorbereitet haben.“, sagte Severus.
„Genau deshalb brauchen wir dich.“, antwortete Lucius. „Du wusstest über Dumbledores Pläne bescheid.“
„Glaubst du ich hätte in all den Jahren nicht darüber nachgedacht, was schief gelaufen ist? Ich weiß es nicht. Alles verlief genauso wie Dumbledore es voraus gesagt hatte und trotzdem überlebte der Dunkle Lord. Es gibt nur eine Erklärung: Der alte Mann hat trotz seiner Genialität nicht alle Möglichkeiten bedacht. Ergo ist es sinnlos so etwas noch einmal zu versuchen!“
Severus verschränkte die Arme.
„Ich weiß warum du, Lucius, und Theodore ihn töten wollt, aber was ist mit dir, Amelia?“
„Das gleiche könnte ich dich fragen, Severus. Es läuft doch immer darauf hinaus, dass der Dunkle Lord uns jemanden genommen hat. Nur weil wir es verdrängen heißt es nicht, dass der Schmerz nicht da ist.“, sagte Amelia.
„Wohin soll dieser Kreislauf der Rache führen?“, fragte Severus.
„Besser als aufzugeben, so wie du.“
„Ich habe nicht aufgegeben, aber ich weiß, wann ein Krieg vorbei ist. Wenn ihr euch unbedingt alle umbringen lassen wollt, dann tut es ohne mich! Ich werde kein Wort über euch verlieren, wenn ich nach Hogwarts zurück kehre, aber ihr dürft auch nicht auf meine Hilfe hoffen. Das hier hat einfach nicht stattgefunden!“
„Sehr schade, Severus.“, sagte Lucius und ging an ihm vorbei. Ohne Vorwarnung schlug er seinem alten Freund mit der Faust ins Genick. Severus ging ohnmächtig zu Boden.
„Und jetzt?“, fragte Theodore.
„Wir können ihm nicht vertrauen.“, sagte Lucius und zog seinen Zauberstab. „Oblivi-“
„Halt!“ Amelia drückte seinen Arm beiseite. „Vielleicht brauchen wir ihn genau so.“
„Er wird uns alle verraten, wenn es ihm dient.“, sagte Lucius. „Wir waren lang genug Todesser, um das zu wissen.“
„Lass mich auf ihn aufpassen. Ich sorge dafür, dass er schweigt, aber er sollte sich an dieses Treffen erinnern damit er weiß wer wir sind falls er es sich doch anders überlegt.“
„Wenn du versagst, dann sind wir alle dran.“, ermahnte Lucius sie.
„Genau deshalb werde ich auch bei ihm sein. Ich kann den Kontakt zwischen uns halten, ohne das es auffällt. Du solltest doch am besten wissen, dass er nicht immer gleich das Richtige tut.“
„Du spielst ein gefährliches Spiel, Amelia.“, antwortete Lucius.
„Das tun wir alle.“
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Als Severus wieder zu sich kam lag er auf der Couch in seinem Büro. Sein Schädel brummte als hätte er ein Saufgelage hinter sich. Allerdings wusste er ziemlich genau das ein solches nicht stattgefunden hatte. Einen Eisbeutel und zwei Whiskey später fiel ihm auch wieder ein, was passiert war. Er war bei diesem Treffen gewesen. Oh Gott, er hatte das nicht alles nur geträumt, oder?
Lucius war der Verschwörer und Amelia und der verrückte Ted Lupin! Verdammt, Unwissenheit hätte er diesem Kater wirklich vorgezogen. Die waren doch alle komplett Irre! Komisch nur, dass sie sein Gedächtnis nicht gelöscht hatten. Er hätte das bei einem fehlgeschlagenen Anwerbungsversuch auf jeden Fall getan.
Warum? Was bezweckten sie damit? Sie hatten ihn auf diese Art eingeweiht, aber jede Logik hätte das verboten. Er konnte nicht in eine Verschwörung eingeweiht sein ohne sie zu unterstützen. Das ging nicht! Die einzige Konsequenz wäre gewesen, dass er den Dunklen Lord benachrichtigte, doch das war ebenso unmöglich, denn es hätte Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung sie alle zum Tode verurteilt hätte. Vielleicht war Lucius davon ausgegangen er, Severus, würde so ein Unterfangen bedingungslos unterstützen. Sein früheres Ich hätte das vermutlich getan, doch es war so viel Zeit verstrichen. Er hatte ein neues Leben angefangen. Severus war nicht mehr der Spion, ohne Hoffnung, der die ganze Zeit auf seinen Tod wartete. Sein Leben hatte, trotz der unglücklichen Wendung während der Schlacht, heute mehr eine Zukunft als je zuvor.
Sicher, er schützte die Schüler um jeden Preis. Er hatte sich über Anordnungen hinweg gesetzt und sich verteidigt, aber all das tat er nur für sich und seine Familie. Die Todesser waren selbst untereinander tödliche Feinde. Man konnte keine Freundschaft aufbauen zu ihresgleichen, ohne mit einem Messer im Rücken rechnen zu müssen. Severus war der Schwarze Falke, weil er seinen Standpunk klar gemacht und die Grenzen gezogen hatte. Eine Einmischung in Hogwarts war die rote Linie, die niemand überschreiten konnte ohne dafür zu bezahlen. So wie auch Dumbbledore es einst allen klar gemacht hatte. Dumbledore. Wegen ihm war er überhaupt hier.
Severus trank ein weiteres Glas auf Ex.
„Albus!“, rief er das Portrait des früheren Schulleiters. Dieser tat so als würde er in seinem Stuhl schlafen. Die Potraits waren keine echten Menschen oder Geister. Sie waren eine Art abgespeicherte Persönlichkeit, deren Erinnerungen und Äußerlichkeiten dem Verstorbenen bis aufs Haar glichen. Sie brauchten weder Essen noch Schlaf, taten jedoch gerne so als ob. Eine wunderliche Art der Magier sich an Tote zu erinnern.
Der Portrait-Albus-Dumbledore öffnete die Augen und tat so als ob er wirklich aus einem Nickerchen gerissen wurde.
„Oh, Severus, wir haben uns ewig nicht mehr unterhalten.“
„Hmm.“, machte Severus. „Wir hatten auch lange nichts mehr zu bereden.“
„In der Tat. Ich frage mich warum?“, entgegnete Dumbledore.
„Sie sind doch allwissend ...“
„Bin ich das?“, fragte Dumbledore zurück.
„Man hat es zumindest immer gern behauptet. Was war der Fehler in der Schlacht von Hogwarts? Warum hat es nicht so funktioniert wie es sollte?“
„Zerbrechen Sie sich immer noch den Kopf über diese Frage?“, fragte Dumbledore.
„Hin und wieder, ja. Meine Hypothese ist ja, dass Sie, die Genialität in Person, etwas übersehen haben. Ich frage mich seit Jahren, was es wohl gewesen sein könnte.“, sagte Severus.
„Nun, was soll ich Ihnen antworten? Ich bin tot.“, entgegnete Dumbledore.
„Sicher, aber sie haben alles in ihrem Kopf. Sie können immer noch dort an der Wand herumhängen und Theorien durch ihren großen Verstand geistern lassen.“
„Also bin ich so etwas wie ein Nachschlagewerk? Eine Enzyklopädie des Versagens?“, fragte Dumbledore.
„Das haben Sie jetzt gesagt.“, antwortete Severus.
„Zuweilen fühle ich mich so.“, gab Dumbledores Portrait seltsam offen zu. „Niemand glaubt es, wenn ich das sage, aber ich habe viele Fehler gemacht, die ich bereue.“
„Oh, die da wären?“, fragte Severus. Der echte, lebende Dumbledore hatte immer ein arges Problem damit sein Scheitern öffentlich zuzugeben.
„Wo soll ich da anfangen? Hundertfünfzig Jahre sind eine lange Zeit, um jede Menge Fehler zu begehen.“
„Nennen Sie mir doch einfach ihren Schlimmsten.“, sagte Severus.
„Meine ärgsten Verfehlungen? Hmm, vermutlich dass ich nicht genug auf andere gehört habe. Dass ich immer dachte ich allein müsse alles richten. Wohl ein familiäres Problem von uns Dumbledores. Und immer war ich auf der Suche nach Menschen, die ich in dieses Dilemma mit hineinziehen konnte.“
„Sie waren ein Schachspieler, Albus. Immer auf der Suche nach Bauern, die man strategisch opfern konnte, um den König Matt zu setzen. Ich muss es wissen, ich war ein Bauer. Genauso wie Harry Potter oder die gute Minerva. Manche von uns wussten, dass sie Ihre Bauern waren und andere kamen nie im Leben darauf. Sie hatten die Eigenschaft, dass Menschen Ihnen bedingungslos vertrauten, obwohl sie besser daran getan hätten es nicht zu tun.“
„Severus, warum führen wir dieses Gespräch?“, fragte Dumbledore.
„Es ist etwas passiert und ich weiß nicht wie ich es deuten soll.“, antwortete Severus.
„Ah ja?“
„Es gibt trotz des Sieges des Dunklen Lords immer noch Menschen, die sich an Sie erinnern, ja, an den Orden und an ihre Pläne. Und alle Fragen sich was in jener Nacht vor zwölf Jahren passiert ist. Warum ihr genialer Plan fehlgeschlagen ist. Ich kann es nicht beantworten, so sehr ich auch darüber nachdenke.“
„Ich mag nur noch eine Erinnerung auf einem Stück Leinwand sein, aber mich hat die Sache ebenso beschäftigt. Schon witzig, wir Magier verewigen unsere Toten mit all ihren Persönlichkeiten, Erinnerungen und Problemen und so können sie sich intellektuell noch mit Dingen beschäftigen, die zu ihren Lebzeiten als unlösbar galten. Irgendwie glaube ich nicht, dass wir Zauberer das je richtig berücksichtigen. Ein Portrait sollte keine Nachforschungen anstellen können, oder?“, sagte Dumbledore.
Severus verzog grimmig das Gesicht. Natürlich hatte Dumbledore Nachforschungen angestellt. Selbst in diesem wahrhaft beschränkten Zustand war es immer noch der Dumbledore, der ein Nein nicht akzeptieren konnte.
„So?“, machte Severus.
„Es war womöglich gar kein Fehler, Severus. Weder Ihrer, noch meiner, noch ein Zufall. Die Horcruxe sind zweifellos allesamt zerstört worden. Aber warum weilt Lord Voldemort dann noch unter den Lebenden? Warum konnte er nicht sterben, obwohl er es sollte? Ich fürchte auf diese Antwort habe ich immer noch keine zufrieden stellende Antwort.“
„Besser als gar keine Antwort.“, entgegnete Severus.
„Wissen Sie, was ein Paradoxon ist?“, fragte Dumbledore.
„Die Theorie, dass sich etwas nicht so verhält wie es sollte. Ein Stein fällt nicht zu Boden, sondern fliegt in die Luft, obwohl man ihn fallen gelassen hat.“, antwortete Severus.
„Genau. In der magischen Theorie kommt so etwas hin und wieder vor. Besonders bei sehr mächtiger Magie. Die Horcruxe wurden zerstört, doch sie haben nicht getan, was sie normaler Weise tun. Vielleicht hat auch die lange Verbindung zu Voldemort dafür gesorgt. Erst recht, wenn man verrückt genug ist seine Seele sieben Mal zu teilen. Es gibt kein lebendes Beispiel für die Auswirkungen solcher Magie. Geht man von den üblichen Mustern der Magie aus, dann müsste jemand, der so oft sein Innerstes teilte daran zugrunde gehen. Stattdessen aber geschah nichts. Es ist als würde man vorwärts gehen, aber stattdessen tragen einen die Beine rückwärts. Es ist eben ein Paradoxon. Es dürfte gar nicht existieren.“
„Hmm, damit ist der Dunkle Lord seinem Ziel eine Art Gott zu werden verblüffend nahe gekommen. Selbst wenn er diesen Umstand nur einer Laune der Natur zu verdanken hat.“ , sagte Severus.
„Vielleicht weiß er es selbst nicht einmal warum das so ist.“, bemerkte Dumbledore. „Die Aufgabe ihn zu vernichten wird dadurch unlösbar.“
„Vielleicht sollten wir ihn ins All schießen? Sollen sich die Außerirdischen mit ihm herumärgern.“, entgegnete Severus.
„Jetzt werden Sie wieder sarkastisch.“, tadelte Dumbledore ihn.
„Aber natürlich. Ohne meinen Sarkasmus wäre das alles ja auch nicht zu ertragen.“, antwortete Severus.
Es klopfte an der Tür. Dumbledore tat wieder so als würde er in seinem Stuhl schlafen. Severus hingegen stand mit dem Glas in der Hand mitten im Raum und wirkte so plötzlich ohne Gesprächspartner etwas absurd. Warum auch nicht? Die letzten Stunden waren schließlich an Absurdität nicht zu überbieten.
Narzissa trat ein und sah ihn verwundert an.
„Hast du Lucius gesehen? Ich suche ihn schon den ganzen Morgen.“
„Ich glaube, er ist bereits gegangen.“, antwortete Severus und stellte das Glas in seiner Hand ab.
„Ach, wirklich?“, fragte Narzissa weiterhin verwundert. „Nun, egal, ich wollte ohnehin mit dir reden.“
„Ja?“, sagte Severus.
„Hab ein Auge auf Violett.“
„Hab ich das nicht immer?“, fragte Severus.
„Sie ahnt, dass wir Erwachsenen einiges zu verbergen haben.“
„So wie ich das sehe hat sich das ohnehin erledigt.“, sagte Severus. „Die Geheimnisse haben sich mit deinem Ex-Mann verflüchtigt.“
„Du hast hoffentlich nichts Dummes angestellt.“, ermahnte Narzissa ihn.
„Nein, wenn dann hat Lucius sich in Dinge hineingeritten, aber das soll nicht unsere Sorge sein.“, erwiderte Severus.
„Warum? Was hat er getan?“, fragte Narzissa.
„Das lässt sich schwer einschätzen.“, wich Severus der Frage aus.
„Geht es um diese Verschwörungssache?“
„Hmm.“, machte Severus. „Ich werde mich nicht daran beteiligen. Seine Geschichte ist nicht wasserdicht. Ich werde gewiss niemanden damit belästigen, schon gar nicht den Dunklen Lord. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, uns mit so etwas aufzusuchen.“
„Er hat sich sehr verändert.“, sagte Narzissa. „Er ist nicht mehr der Mann, den ich ich geheiratet habe und schon gar nicht der Mann, den ich verlassen habe. Er ist mir fremd geworden und auf eine sonderbare Art tut es mir leid um ihn.“
„Ja, sonderbar.“, antwortete Severus leise. „Komm, gehen wir nah unten.“