Nach Teds Annäherungsversuch wäre Violet am liebsten davon gelaufen, doch sie brachte es nicht übers Herz ihn stehen zu lassen. Zu ihrer eigenen Überraschung hielt sich Ted Lupin jedoch an sein Versprechen und es kam während sie mit ihm im Wald war zu keinen neuen Vorkommnissen. So schritt ihr Unterricht mit ihm voran. Sie lieh sich aus der Bibliothek ein Kinderbuch aus – Beedle, der Barde – und begann mit Ted ihren ersten Leseunterricht. Die Sätze waren einfach und auf Grundschulniveau. Teds Lesefluss war eher stockend, da er immer wieder überlegen musste wie man bestimmte Wörter aussprach. Mit der Zeit wurde er jedoch deutlich besser. Nur Violets Fortschritte beim Quidditsch waren bei weitem nicht so groß. Das kam davon, wenn man auf mehreren Hochzeiten tanzte. Am Abend, wenn sie all ihre Schularbeiten gemacht hatte sank sie nur noch todmüde ins Bett und das Aufstehen am Morgen war die reinste Qual. Trotzdem machte sie weiter.
Irgendwann im Frühling war sie dann endlich so weit und Colin stellte sie den anderen Quidditschspielern vor. Das Team von Ravenclaw bestand fast ausschließlich aus älteren Schülern. Der Jüngste war ein Jäger aus der Dritten Klasse. Colin war jedoch überzeugt, dass sie ihm zuhören sollten.
„Also, Kleine, was soll das werden?“, sagte ein hoch gewachsener Junge mit blonden Haaren.
„Ich möchte dir gern jemanden vorstellen.“, sagte Colin völlig von sich überzeugt. Er deutete auf Violet und wank sie mit einer schnellen Handbewegung an die Gruppe heran.
„Das ist ...“, wollte Colin sie vorstellen, doch ihm wurde sofort das Wort von dem älteren Schüler abgeschnitten.
„Wir wissen wer sie ist.“, sagte der Ältere. Er musterte Violet von oben bis unten. „Ich bin ja immer auf der Suche nach Nachwuchstalenten, aber ich weiß nicht.“
„Komm schon, Frank, sie hat einen Megatreiberarm! Wenn ihr sie richtig einsetzt schießt sie die Slytherins nächstes Jahr direkt von den Besen!“, entgegnete Colin enthusiastisch und tat so als würde er mit einem Baseballschläger jemanden treffen.
Die anderen Teammitglieder hatten bisher geschwiegen, doch nun ergriff ein schwarzes Mädchen mit kurzen, gelockten Haaren das Wort.
„Warum sollen wir Erstklässler vor dem Beginn der offiziellen Zeit bei uns aufnehmen? Weil er dein großer Bruder ist? Deine Freundin soll nächstes Jahr zu den Anwärtern gehen. So wie es sich gehört!“, sagte sie an Colin gewandt.
Erst jetzt wurde Violett klar, was hier eigentlich vor sich ging. Colin hatte ihr nie erzählt, dass der Captain der Quidditschmannschaft sein Bruder war. Schlimmer noch, dass sie offensichtlich kein Interesse an einer Erstklässlerin hatten.
„Aber wenn ihr sie jetzt schon mit trainieren lässt, dann ...“, begann Colin, aber ihm wurde nur wieder ins Wort gefallen.
„Nein, Colin! Egal wie gut sie angeblich ist. Wir müssen uns auf die laufende Saison konzentrieren. Wir haben auch schlicht keine Zeit noch jemanden nebenbei zu trainieren.“, antwortete Frank.
„Aber …!“, begann Colin, doch Violet klopfte ihm auf die Schulter.
„Ich hab schon verstanden. Es ist okay, Colin. Dann geh ich eben. Habe ohnehin nichts anderes erwartet.“, sagte sie an ihn gewandt mit dem Blick auf die großen Jungs aus der Mannschaft.
Sie drehte der Gruppe den Rücken zu und ging. Colin, der sein Unglück offenbar immer noch nicht fassen konnte, rannte ihr hinterher.
„Violet, warte!“, rief er über den Flur.
Widerwillig blieb sie stehen und drehte sich zu dem völlig aus der Puste geratenen Colin um.
„Ich hätte nicht gedacht, dass die so reagieren!“
„Wir sind halt nur dumme Erstklässler.“, antwortete Violet. „Und dass du einen großen Bruder hier hast und darüber versuchst mich ins Team zu bringen hättest du echt mal eher rausrücken können!“
„Ja, aber …!“
„Nichts Aber, Colin!“, entgegnete Violet ungehalten. „Es ist erledigt. Die großen Jungs wollen keine kleinen Mädchen unter sich haben.“
„Ich rede mit ihm! Der wird schon noch ein Einsehen haben!“, antwortete Colin.
„Ach, hör auf!“ Violet winkte ab und ging weiter, ohne noch groß auf Colin zu achten. Natürlich frustrierte es sie auch wie die anderen Mitspieler reagiert hatten. Andererseits hatte sie vor diesem Treffen schon ihre Zweifel gehabt. Jungs waren halt echt blöd, wenn es drauf an kam! Der eine wollte mit ihr knutschen und für die anderen waren sie halt noch kleine, doofe Kinder. Da kriegte sie manchmal echt 'nen Verzweifler!
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Ted Lupin schlich sich des Nachts ins Schloss. Violet hatte ihm beiläufig davon erzählt was geschehen war. Sie versuchte unbekümmert zu wirken, doch Ted spürte genau wie traurig sie es machte.
Er hatte das Schloss wochenlang ausgekundschaftet und kannte jeden Eingang und auch jedes Versteck im Inneren. Es war schließlich nicht das Erste Mal, dass er des Nachts durch die Flure schlich. Auch wenn Violet immer Angst hatte sie würden ihn entdecken, so wusste Ted es doch besser. Die paar Wachen, die es nachts gab, konnte man gut umgehen, wenn man sich nicht gar so dumm anstellte.
Ted folgte dem blonden Kerl, der als Frank identifiziert hatte, bis in die Waschräume. Dort versteckte er sich in einer Toilette bis seine wölfischen Instinkte sich sicher waren, dass sie allein waren. Vorsichtig stieg Ted aus der Kabine. Frank stand vor dem Spiegel und rasierte sich die paar spärlichen Stoppeln, die seiner Meinung nach ein Bart waren. Er trällerte gedankenverloren irgendein Lied vor sich hin und bemerkte nicht wie Ted sich geduckt von hinten nährte. Schließlich baute er sich hinter ihm auf. Frank erschrak bei dem nächsten Blick in den Spiegel und wollte sich gerade umdrehen als Ted ihn am Genickt packte und seinen Kopf mit der Stirn auf die Kante des Waschbeckens schlug. Frank ging zu Boden. Er blutete an der Schläfe und lag benommen auf dem gefliesten Boden. Ted packte ihn am Hals und hob ihn nahezu mühelos hoch. Der Werwolf in ihm verlieh ihn auch außerhalb seiner Verwandlung mehr Kraft als sie ein Teenager in seinem Alter normalerweise aufbringen konnte. Er drückte Frank, mit den Füßen über den Boden baumelnd, an die Wand.
„Wer zum Teufel bist du?“, krächzte Frank und klammerte sich mit den Händen an Teds Arm fest.
„Du warst heute nicht sehr nett zu der Kleinen.“, sagte Ted mit gebleckten Zähnen.
„Was? Wer?“, keuchte Frank.
Ted stieß ihn gegen die Wand. So sehr, dass es Frank die Luft nahm.
„Violett! Ihr Name ist Violett!“
Ted ließ ihn los und Frank krachte auf den Boden. Stöhnend versuchte er sich aufzurappeln.
„Scheiße!“ Frank hustete und blickten Ted von unten an. „Und ich dachte schon ihr Vater sei ein Irrer!“
„Du lässt sie bei euch mitmachen, sonst komme ich wieder und dann hast du ernsthafte Probleme.“, entgegnete Ted.
„Was bist du?“, fragte Frank. „Für ihren Bruder siehst du ihr nicht ähnlich genug.“
„Sagen wir einfach, dass ich auf sie aufpasse.“, antwortete Ted.
„Als müsste man auf die Tochter des Schwarzen Falken aufpassen.“, entgegnete Frank. „Und du glaubst es erginge ihr besser, wenn du mich einschüchterst?“
Ted beugte sich zu ihm herunter.
„Ich töte dich, wenn du nicht tust, was ich dir sage. Und wenn du jemanden von unserem kleinen Gespräch erzählst, dann töte ich dich ebenfalls.“
Frank spuckte ihm ins Gesicht.
„Wichser!“, sagte er.
Ted packte ihn erneut am Hals und warf ihn durch den halben Raum. Frank krachte in eine der Toilettenkabinen und nahm dabei noch zwei weitere Holzwände mit bis er ohnmächtig liegen blieb. Ted gab ein wölfisches Knurren von sich und verließ den Raum.
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Violet saß beim Frühstück Colin gegenüber. Sie waren beide von gestern noch bedrückt. Erst als Colin den Kopf hob und laut „Woah! Was ist denn mit dir passiert?“ rief hatte er auch ihre Aufmerksamkeit. Violet sah über ihre Schulter und erblickte Frank. Er sah ganz und gar furchtbar aus. An seinem Kopf hatte er eine Platzwunde und sein Hals wurde von blauen Flecken geziert.
„Ich bin in der Dusche ausgerutscht.“, antwortete Frank, doch Violet war sofort klar, dass er log.
„Quatsch!“, sagte sie. Frank beugte sich zu ihr herunter.
„Irgendein Irrer, der behauptet dich zu beschützen wollte mir eine Lektion erteilen. Nun, das hat geklappt. Gut gemacht! Bevor du mir das nächste Mal einen Schläger auf den Hals hetzt solltest du dir vielleicht im klaren sein, was das für Konsequenzen für dich hat.“
Violett riss erschrocken die Augen auf.
„Was?“, sagte sie völlig außer sich. „Oh verdammt, dieser .. dieser …!“
Violet sprang auf, ließ ihr Essen und ihre Tasche liegen und sprintete in Richtung des Verbotenen Waldes. Auf ihrer üblichen Lichtung fand sie Ted wie er gerade versuchte ein Feuer in Gang zu bringen.
„Hallo, Violet.“, begrüßte er sie.
„Sag mal hast du deinen gottverdammten Verstand verloren?“, rief Violet völlig außer sich.
Ted sah sie nur schweigend an.
„Hast du dazu nichts zu sagen?“, fragte Violet.
„Er war gemein zu dir.“, antwortete Ted schließlich.
„Ach, und deshalb prügelst du ihn halbtot? Weißt du überhaupt, was du getan hast?!“ Violet raufte sich das Haar und war den Tränen nahe.
„Er hatte es doch so gewollt.“, sagte Ted.
„Nein, verdammt!“, rief Violet. „Glaubst du ernsthaft, dass du mir damit einen Gefallen getan hast!? Meine Güte, du benimmst dich wie ein Tier!“
„Ja, natürlich.“, sagte Ted und senkte den Blick. „Was sollte ich auch anderes sein als ein Tier?“
„So hab ich das nicht gemeint!“, erwiderte Violet scharf.
„Nein, und wie dann? Ich bin doch für alle nur ein Vieh. Vielleicht eines dem man ein paar Kunststückchen beibringen kann, aber am Ende nur ein Tier, nicht wahr?“
„Warum geht das nicht in deinen Kopf? Du kannst nicht einfach zu anderen Leuten hingehen und sie verprügeln. Ja, selbst dann nicht, wenn sie gemein oder böse sind!“, sagte Violet.
„Und was ist dann der Sinn dieser Regeln, wenn am Ende immer die falschen verlieren?“, fragte Ted.
Darauf wusste Violet auch nichts zu sagen.
„Das ist einfach nicht richtig.“, meinte sie schließlich.
„In etwa so wie wenn sie dich zwingen eine Hinrichtung mitanzusehen oder deinen Vater zwingen sie durchzuführen? Meine Eltern haben sie genauso ermordet! Glaubst du, das war richtig?“, sagte Ted zornig.
„Das habe ich nicht gesagt!“, erwiderte Violet nun nicht minder wütend.
„Ja, aber du willst, dass ich mich an ihre Spielregeln halte! Wofür?! Hat es dir etwas gebracht sich an ihre Regeln zu halten? Haben sie dir nicht von Anfang an nur Hohn und Spott entgegen geworfen? Nein, Violett, sie verdienen es gar nicht anders!“
„Warum hasst du sie so?“, wollte Violet wissen.
„Sie lassen mir ja keine große Wahl, oder? Für die sind Menschen doch nur Insekten, die sie zertreten können. Ich lasse mich aber nicht einfach zertreten! Ich werde mich wehren bis zum Schluss!“, rief Ted ihr entgegen.
Violet ließ sich kraftlos auf den Baumstamm in der Mitte sinken.
„Wir können doch nicht immer nur kämpfen? Wie soll das gehen?“
„Wenn du aufhörst zu kämpfen gehst du unter. Sieh dir deine Eltern an! Sie kämpfen erbittert damit du leben kannst.“, antwortete Ted.
„Ich will das aber nicht.“, entgegnete Violet und spürte wie ihr die Tränen kamen. „Warum können wir nicht in Frieden miteinander leben? Warum muss immer alles ein einziger Krieg sein?“
„Weil das die Welt ist, die sie geschaffen haben. Und deshalb muss Voldemort sterben! Deshalb müssen sie alle sterben!“
„Und dann?“, fragte Violet trostlos. „Was kann aus einer Welt mit so viel Tod denn schon Gutes entstehen?“
Ted schwieg. Er wusste es offensichtlich auch nicht. Violet wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers die Tränen aus den Augen.
„Das ist doch alles Mist.“, sagte sie leise. Ted ließ sich neben ihr nieder. Zögerlich nahm er sie in den Arm. Mit einem Mal konnte Violett nicht mehr an sich halten. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter und begann bitterlich zu weinen. Irgendwie spürte sie, dass Ted recht hatte. Dass ihr Ringen um Anerkennung völlig fruchtlos war, wenn die Leute sich eh schon ihre Meinung gebildet hatten. Das war ja von Anfang an so gewesen. Seit sie den ersten Schritt in diese Schule gemacht hatte bewerteten sie alle nach dem, was ihr Vater war und wollten sie von sich fern halten. Niemand nahm sich die Zeit sie richtig kennen zu lernen. Ted wusste das. Er hatte es am eigenen Leib erfahren.
Sie saßen noch eine ganze Weile so da. Sich schweigend tröstend.
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Es klopfte an der Tür zum Büro des Schulleiters.
„Herein.“, sagte Severus, der an seinem Schreibtisch über einigen Papieren saß.
Ein Schüler aus der Siebenten Klasse betrat sein Büro. Ein großer Junge mit blonden Haaren. Severus kannte ihn. Es war der Quidditschcaptain von Ravenclaw, Frank Perkins.
Er hatte ihn schließlich selbst herbestellt nachdem er erfahren hatte, was geschehen war. Amelia hatte ihn informiert und ihren Verdacht geäußert, dass Ted ihn verprügelt hatte. Severus musste ihr im Gedanken zustimmen. Erst recht als der Junge hier vor ihm stand und er dessen blaue Flecken und die Platzwunde am Kopf sah.
„Sie wollten mich sehen, Sir.“, sagte Frank ruhig.
„Ich möchte gern deine Version der Geschichte hören.“
„Ich habe Professor Cordworth bereits alles gesagt.“, entgegnete Frank.
„Ich bin aber nicht deine Hauslehrerin.“, antwortete Severus. „Außerdem möchte ich es noch einmal aus deinem Mund hören.“
„Ich wurde in dem Waschräumen überfallen.“, sagte Frank.
„Von wem? Wie sah er aus?“, fragte Severus.
„Er war kleiner als ich und auch jünger. Aber er hatte Bärenkräfte! Konnte mich mit einer Hand in die Luft heben. Wirkte etwas wie ein Penner. Alte Lederjacke, Hosen, Stiefel, roter Iro. Wie so 'ne Zecke von der Straße.“
„Und weiter?“, fragte Severus.
„Er hat mich bedroht! Wegen Ihrer Tochter, Sir.“, entgegnete Frank.
„Ach?“, machte Severus und versuchte es überrascht klingen zu lassen.
„Ja, wollte mich dazu bringen, dass ich sie ins Team lasse. Völlig verrückt war der! Meinte er würde Ihre Tochter beschützen. Hat mich dann mit einer Hand durch den Raum geworfen.“
Das war zweifellos Ted Lupin.
„Warum habt ihr Violet nicht mitmachen lassen?“, fragte Severus.
„Sir?“, machte Frank verdutzt.
„Sag schon!“, forderte Severus ihn auf.
„Weil Sie zu jung ist! Sie wissen doch selbst, dass Erstklässler nicht Spielen dürfen.“, entgegnete Frank.
„Spielen heißt nicht zwangsläufig trainieren, oder? Die Regel kann man sicherlich an dieser Stelle etwas dehnen.“
„Aber Sir …!“, begann Frank empört.
„Hör zu, ich sorge dafür, dass dir dieser jemand nicht mehr auf die Pelle rückt und du trainierst dafür meine Tochter. Das klingt doch wie ein fairer Deal.“, sagte Severus.
„Aber das ist doch Bestechung! Außerdem wenn wir jetzt anfangen Erstklässler zu trainieren, dann wollen das am Ende alle.“, erklärte Frank.
Severus trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Du stehst kurz vor deinen UTZs, richtig?“
„Ja.“, sagte Frank kleinlaut.
„Gut, dann stehst du ja kurz vor dem Eintritt ins Berufsleben. Eines kann ich dir jetzt schon garantieren, wenn man immer auf die exakten Regeln beharrt, dann kommt man nicht weit. Es geht nur darum, dass Violet etwas sportliche Beschäftigung findet. Auch wenn viele Jungs in deinem Alter es anders sehen, aber beim Quidditsch geht es nicht um Leben und Tod. Es ist nur ein gottverdammtes Spiel.“
„Ja, Sir.“, war alles was Frank dazu sagte.
„Dann hoffe ich wir verstehen uns.“, entgegnete Severus.
„Ja, Sir.“, antwortete Frank.
„Gut, dann geh.“, sagte Severus.
Frank nickte nur und verschwand aus dem Büro. Severus sah ihm hinterher. Er wollte ihm nicht drohen, aber etwas Einsicht hätte Frank Perkins ganz gut getan. Er wusste ja wie die Jungs in diesem Alter waren. Jüngere Schüler und erst recht Mädchen hatten ihrer Meinung nach in ihren Revier nichts zu suchen. Eine Einstellung, die es zu ändern galt.
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Violet saß niedergeschlagen am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Sie hatte keinen Hunger. Diese ganze Geschichte machte ihr einfach nur zu schaffen. Warum mussten Menschen auch immer so blöd sein?
Sie wurde jäh aus den Gedanken gerissen als Frank sie ansprach.
„Ich habe es mir überlegt.“, sagte er. „Du darfst am Wochenende mitkommen und wir sehen mal, was du kannst.“
Violet starrte ihn für einen Augenblick an. Sie begriff zunächst gar nicht, was er von ihr wollte.
„Was?“, fragte sie.
„Du kannst mitmachen. Vorerst.“, sagte Frank und beugte sich zu ihr vor. „Das hast du deinem Vater zu verdanken. Ginge es nach mir kämst du bestimmt nicht ins Team!“
Ohne ein weiteres Wort ging Frank davon. Violet wusste nicht was sie sagen sollte. Sicher, nach dem was vorgefallen war hatte sich ihr Vater eingeschaltet. Sie hätte ja lieber darauf verzichtet. So sah es nur wieder danach aus als würde sie irgendwelche Sonderrechte genießen. Sie wollte nicht, dass die Leute dachten, dass sie Leute bedrohte. Das war überhaupt nicht nach ihrem Sinn! Doch geschehen war geschehen. Also versuchte sich Violet auf die Trainingsstunde am Wochenende vorzubereiten. Colin erzählte sie zwar nichts, doch er saß dann trotzdem auf der Tribüne und winkte ihr aufmunternd zu.
Oh verdammt, hoffentlich wurde das nicht einfach nur peinlich?!, dachte Violet angestrengt als sie auf das große Quidditschfeld trat.
„Also gut, auf Wunsch eines bestimmten Jemand testen wir dich heute. Auf welcher Position willst du spielen?“, fragte Frank.
„Als Treiber.“, antwortete Violet.
„Also dann ihr habt sie gehört. Teilt das Team auf und dann geht’s los!“, rief Frank den anderen zu.
Violet nahm sich einen der Schläger und schwang sich auf den alten Trainingsbesen. Die anderen hatten alle von Zuhause aus bessere Besen als sie und flogen zudem als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Wenn das hier schief ging, dann würde sie zuerst Colin und dann ihren Vater verprügeln! Dass sie sich überhaupt auf diese Schnapsidee eingelassen hatte! Violet schüttelte energisch den Kopf und flog los.
Sie machte schnell die Erfahrung das ein echter Klatscher etwas völlig anderes war als, wenn man mit einem herkömmlichen Ball trainierte. Diese Dinger waren mordsgefährlich! Als der Erste auf sie zuraste duckte sie sich weg und wisch ihm aus.
„He, was glaubst du, was du da tust?! Du bist ein Treiber, schon vergessen?“, brüllte jemand zu ihr herüber.
Violet riss sich zusammen. Als der nächste auf sie zuraste schlug sie ihm mit voller Wucht entgegen. Der Klatscher flog quer über das ganze Feld, prallte wie in einem Flipperautomaten an einer der Torsäulen zur nächsten ab und riss krachend ein Loch in die nahegelegene Tribüne. Zum Glück war sie leer.
„Das gibt es doch gar nicht!“, hörte sie Frank rufen.
Schließlich kam der Klatscher zurück. Violet nahm direkten Kurs auf ihn und schlug ihn gezielt in Richtung der gegnerischen Spieler. Die Ravenclaws stoben mit ihren Besen auseinander. Einer der Jäger entging dem Geschoss nur knapp.
Beim dritten Anflug des Klatschers schlug sie so kräftig zu wie sie konnte. Er raste dieses Mal direkt auf Frank zu, traf seinen Besen und er hatte Mühe und Not nicht herunter zu fallen. Schließlich schaffte er es die Kontrolle zurück zu gewinnen und flog direkt auf Violett zu.
„He, das ist ja tödlich!“, sagte Frank. Komischer Weise klang er nicht verärgert. „Mein Bruder hatte wohl doch recht, was dich betrifft. Jetzt musst du nur noch lernen im Team zu spielen.“
„Und das heißt?“, fragte Violet, die mit den Augen weiter dem Klatscher verfolgte.
„Du bist aufgenommen.“, antwortete Frank.
Violet machte große Augen. Vor lauter Erstaunen verlor sie den Klatscher aus dem Blick. Das rächte sich, denn der Ball flog nun direkt auf sie zu. Sie versuchte im letzten Augenblick auszuweichen, doch er traf den Stil ihres Besens. Der alte Schulbesen machte das jedoch nicht mehr mit. Der Stil brach in zwei Hälfte und Violett klammerte sich verzweifelt an das hintere Stück. Sie trudelte nach unten und schlug hart zwischen den Stühlen der Tribüne auf. Es nahm ihr die Luft. Sie wusste nicht wie lange sie dort lag und nach Atem rang. Dann war es jedoch ausgerechnet Colin, der als Erstes bei ihr war.
„Alles in Ordnung?“, fragte er zunächst, nur damit es dann aus ihm herausbrach: „Meine Fresse war das großartig! Da müssen sich die Slytherins nächstes Jahr in acht nehmen, sag ich dir! Einfach mörderisch wie du die Klatscher schießt! Das hab ich noch nie gesehen!“
Violet konnte sich über Colins Redeschwall jedoch so gar nicht freuen. Sie fühlte sich als habe sie sich jeden Knochen gebrochen.
Die anderen Teammitglieder kamen schließlich und halfen ihr auf. Zu Violets Überraschung brach ihr Körper nicht entzwei.
„Also gut.“, sagte Frank. „Ab jetzt jeden Dienstag und Donnerstag Training.“
Violet nickte. Sie sah zu den anderen, die sie immer noch etwas skeptisch beäugten. Colin hüpfte die ganze Zeit um sie herum als hätte er persönlich irgendeinen Preis gewonnen. Selbst auf dem Weg hoch ins Schloss hörte er einfach nicht damit auf, weshalb Violet sich irgendwann entnervt zu ihm herumdrehte.
„Kannst du das mal lassen?!“
„Nein, kann ich nicht!“, sagte Colin überschwänglich. „Das ganze Training der letzten Wochen hat sich doch ausgezahlt. Wenn du dran bleibst dann wirst du unsere Geheimwaffe!“
„Ach komm!“, entgegnete Violet. „Auf so was können auch nur Jungs kommen!“
„Nein, echt! Das ist so fabelhaft!“ Wieder tänzelte Colin völlig überdreht um sie herum.
Violet atmete tief und versuchte Colin zu ignorieren. Ihr tat nach ihrem Sturz alles weh, aber sie beschwerte sich nicht, denn auch wenn ihr Kumpel ihr gerade auf den Geist ging so war sie trotzdem glücklich. Sie hatte es geschafft ins Team zu kommen und das ganz ohne sich zu blamieren.