„Was wollte Lucius von dir?“, fragte Narzissa als sie am Abend mit Severus im Bett lag.
„Er hatte eine Nachricht des Dunklen Lords für mich.“, sagte er und drehte sich zu ihr herum.
„So?“, machte seine Frau. Severus entging ihr ungläubiger Ton nicht.
„Nichts worüber ich reden sollte.“, meinte er.
„Es kann nicht so geheim sein, wenn der Dunkle Lord ihn als Boten schickt anstatt es dir selbst zu sagen.“, antwortete Narzissa.
„Hmpf.“, machte Severus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Angeblich gibt es eine Verschwörung gegen mich und unseren Herren und diese Feierlichkeiten zum Sieg des Dunklen Lords sind nur eine Finte, um die Verschwörer ausschalten zu können. Ich weiß noch nicht, was ich davon halte.“
„Wer wäre denn so blöd?“, fragte sie ihn.
„Mir fielen da ein paar ein. Murrende Todesser neigen dazu Dummheiten zu machen.“, sagte Severus.
Er wollte nicht spezifizieren, was er und Lucius geredet hatten. Nicht weil er Narzissas Verschwiegenheit nicht getraut hätte, aber auch sein Bett in den Quartieren des Schulleiters war nicht sicher vor fremden Ohren. Hogwarts wurde vom Ministerium überwacht, genauso wie er selbst. Er traute ihnen zu ihn selbst hier abzuhören. Zwar hatte Severus seine Räumlichkeiten mit Schutzbannen gesichert, doch aus Erfahrung wusste er, dass das im Ernstfall nicht reichte. Also schwieg er. Severus wollte nichts sagen, dass ihn oder seine Familie kompromittieren könnte. Es war riskant genug, dass Lucius ihm auf den Ländereien gesagt hatte, was er dachte.
Narzissa legte ihren Kopf auf seine Brust. Severus umarmte sie sanft und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
„Wusstest du, dass Violet so alleine ist?“, wechselte seine Frau das Thema.
„Ich habe es geahnt, nach dem, was vorgefallen ist.“, antwortete er. „Sie hat es mir allerdings verheimlicht. Sicher schämt sie sich.“
„Vielleicht solltest du ihren Mitschülern zeigen, dass du keine Gefahr bist und das sie ein ganz normales Mädchen ist?“, sagte Narzissa.
„Und wie stellst du dir das vor? Soll ich die Erstklässler zu Tee und Kuchen einladen?“, entgegnete Severus.
„Kein Grund sarkastisch zu werden.“, erwiderte Narzissa. „Nun, ich denke, Violet braucht mehr ihren Vater als ihren Schulleiter.“
„Du ahnst nicht wie schwer es ist das zu trennen.“, gab Severus zu. „Ich möchte ihr helfen, aber wenn ich als Vater auftrete, dann nehmen die anderen den Schulleiter nicht mehr ernst. In der Öffentlichkeit kann ich nicht beides sein.“
„Doch, kannst du!“, hielt Narzissa dagegen. „Sie ist deine Tochter! Die anderen werden immer noch genug Angst vor dir haben, keine Sorge.“
„Genau das ist das Problem. Der Schwarze Falke hat einen Ruf zu verlieren.“, antwortete Severus.
„Dann nutze ihn!“, sagte Narzissa. „Hätte ich so einen beängstigenden Ruf fielen mir schon ein paar Dinge ein, die ich mit den Mobbern meiner Tochter anstellen würde.“
„Ich will nicht, dass es ihr schlechter geht. Wenn der Eindruck entsteht ich würde sie bevorzugen ...“
„Das hat dir früher bei deinen Schülern doch auch keine Probleme bereitet!“, unterbrach ihn Narzissa.
„Als grantiger Zaubertranklehrer unter Dumbledore war das auch was anderes.“
„War es nicht!“, widersprach seine Frau entschieden. „Du machst es wirklich immer komplizierter als es sein muss!“
Severus verstand seine Frau, aber die Anforderungen eines Schulleiters waren andere als die eines Hauslehrers. Er sollte die gesamte Schule vertreten und nicht nur seine Tochter. Außerdem wendete er seit Dumbledores Tod jeden Schaden von seinen Schülern ab. Er hatte sich zu diesem Zweck sogar mit dem Dunklen Lord und dem Ministerium angelegt. Es war also nicht als ob er untätig wäre. Die Natur von Kindern zu ändern lag jedoch nicht in seiner Macht.
Severus drehte sich auf die Seite und klemmte des Kissen unter seinen Arm. Seine Frau schmiegte sich an ihn. Er spürte ihren warmen Atem in seinem Nacken. Sie legte den Arm sanft um seine Brust. Severus musste über all das erst einmal schlafen. Morgen wäre ein anderer Tag.
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Am nächsten Morgen eilte Violet aus dem Ravenclawturm schnell hinunter in die große Halle. Sie waren nun so wenige, dass alle Erwachsenen und verbleibenden Schüler an den langen Lehrertisch passten. Ihre Eltern und Onkel Lucius saßen schon da, auch wenn Letzterer aussah als habe er eine äußerst ungemütliche Nacht hinter sich. Sie setzte sich zu ihnen, bemerkte jedoch sofort, dass sie das Gespräch abbrachen in das sie gerade noch vertieft schienen. Irgendetwas, was Violet nicht hören sollte? Egal. Sie beschloss erst einmal rein zu hauen und tat sich ordentlich Rührei mit Schinken auf den Teller. Während des Essens fiel kaum ein Wort. Danach schnappte ihre Mutter sie sich als wolle sie unbedingt Platz zwischen sich, Violet und den beiden Männern schaffen.
„Ich bin kein kleines Kind mehr, Mom!“, protestierte Violet als ihre Mutter sie an der Hand aus der Halle schleifte.
„Aber sicher, du bist elf und schon ganz groß im Geschäft.“, entgegnete Narzissa und es klang merkwürdig sarkastisch. Normalerweise war ihr Vater derjenige, der solche Sprüche riss.
„Was ist los?“, fragte Violet.
„Nichts.“, antwortete Narzissa, doch sie wusste, dass ihre Mutter die Unwahrheit sagte.
„Irgendetwas mit Dad und Onkel Lucius?“, fragte Violet.
„Hol deine Jacke, wir gehen ins Dorf.“, sagte Narzissa kurz angebunden. Da hatte sie wohl einen Nerv getroffen. Ohne weiter zu fragen holte sie ihre Sachen und gingen über die Ländereien nach unten in den Ort. Violet war noch nie in Hogsmead gewesen. Erstklässler durften sonst nicht dorthin, aber da ihre Mutter sie mitschleifte hatte Violet eine gute Ausrede.
Der ganze Spaziergang wirkte irgendwie erzwungen. Ja, ja, sie war erst elf, aber Violet hatte trotzdem genug Grips um es zu merken, wenn die Erwachsenen sich komisch benahmen.
„Ist irgendetwas vorgefallen?“, startete Violet einen neuen Versuch ihre Mutter auszuquetschen.
„Nein. Nein. Nichts.“, sagte Narzissa.
„Ach komm, das merkt doch ein Blinder …!“, entgegnete Violet ihr.
Ihre Mutter wirkte nun als sei ihr äußerst unwohl.
„Nicht hier.“, antwortete Narzissa. Sie schleifte Violet in eine enge, dunkle Gasse, so weit weg von der Hauptstraße wie möglich.
„Mom!“, wehrte sich Violet und riss sich von ihrer Hand los. Ihre Mutter sah sie für einen Augenblick erstaunt an.
„Es tut mir leid, Liebes. Es ist nur, es ist manchmal besser, wenn du nichts von dem weißt, was wir Erwachsenen so treiben.“, sagte Narzissa.
„Ich bin kein Baby mehr!“, erwiderte Violet. „Davon abgesehen, was kann schlimmer sein als die Tochter des Schwarzen Falken zu sein?“
„Sag so was nicht!“, antwortete Narzissa. Sie wirkte für einen Augenblick betrübt.
„Will ich auch nicht, aber du zwingst mich ja dazu. Alle behandeln mich entweder wie ein giftiges, glitschiges Etwas oder wie ein rohes Ei, aber ich bin keins von beidem!“
„Ich meinte nicht … ich wollte nicht ...“ Narzissa atmete tief. „Ich mache mir nur Sorgen. Zu viele Sorgen. Um dich und um deinen Vater.“
„Was hat er angestellt?“, fragte Violet. „Muss ich auf ihn aufpassen?“
„Es geht eher um das, was er anstellen könnte. Aber das sollte dich nicht kümmern.“, sagte Narzissa.
„Wenn es dich kümmert, kümmert es mich auch.“, antwortete Violet.
„Nein, lass das unsere Sorge sein.“, entgegnete ihre Mutter strikt. „Du sollst dich nur um die Schule kümmern. Das ist wichtig, Violet.“
„Hmpf.“, machte sie. Natürlich redeten die Erwachsenen immer um den heißen Brei herum.
„Versprich es mir!“, sagte ihre Mutter.
„Na schön.“, antwortete Violet gedehnt.
„Gutes Mädchen.“, sagte Narzissa und umarmte ihre Tochter.
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Severus hatte sich Lucius am Morgen noch einmal vorgenommen. Auf ihn wirkte diese ganze Geschichte nicht koscher. Zu seinem Pech konnte er nicht einfach zum Dunklen Lord gehen und die Sache überprüfen. Hätte er Lucius wirklich geschickt um ihn zu informieren, dann würde er Severus den Kopf abreißen, wenn er einfach so bei ihm auftauchte. Und Severus war nicht besonders erpicht auf ein paar Hiebe mit dem Crucio. Stimmte es nicht und Lucius führte ihn aus irgendeinem Grund an der Nase herum, dann wäre es beinahe einerlei. Das Risiko den Dunklen Lord zu brüskieren war ihm jedoch zu hoch. Da nahm Severus lieber eine mögliche Falschinformation hin.
Lucius hingegen blieb bei seiner Geschichte von der Verschwörung, die es aufzudecken galt. Falls dem so war, dann würden sie sich sicher nicht vor seiner Nase herumtreiben. Er gewährte den Todessern keinen freien Zutritt nach Hogwarts. Das hatte sie vor Jahren sehr erzürnt. Severus hielt diese Bande so weit von der Schule weg wie es ging und nahm dafür auch in kauf, dass sie versuchten ihn anzuschwärzen. Bisher hatte das jedoch niemand langfristig überlebt. Die Botschaft, die ein toter Todesser aussendete war eindeutig. So eindeutig, dass sich niemand mehr traute ohne seine Erlaubnis das Gelände zu betreten. Der Dunkle Lord betrachtete das Spektakel in der Regel amüsiert. Er liebte es wenn seine Untergebenen sich balgten. Sie konnten froh sein, dass er nicht noch öffentlich wetten ließ, wer denn als nächster im großen Spiel um Macht und Beliebtheit ins Gras biss. Severus Methode sich unliebsame Spieler vom Hals zu halten hatte ihm einen gewissen Ruf eingebracht. Der Schwarze Falke machte keine halben Sachen. Er stürzte sich auf die Beute und tötete sie. Einfach und effektiv.
Severus saß wie immer hinter seinem Schreibtisch und kümmerte sich um seinen Papierkram. Lucius hatte die Nacht auf der Couch vor dem Kamin verbracht und auch das Frühstück hatte nichts daran geändert, dass er wirkte als hätte ihn ein Zug überrollt. Vermutlich fühlte sein Freund auch so, denn er stand da, mit einem Glas Scotch in der Hand und versuchte offensichtlich seine Kopfschmerzen zu betäuben.
„Hast du darüber nachgedacht?“, fragte Lucius und rieb sich die Stirn. „Ich habe keinen Grund, dich anzulügen.“
„Das solltest du auch nicht, denn wenn doch, dann wirst du in einer sehr kleinen Kiste enden.“, antwortete Severus.
„Mir brauchst du nicht drohen.“, sagte Lucius scharf.
„Oh, ich will nur sicher sein, dass du es nicht vergisst.“, entgegnete Severus. „Ich werde dich begleiten, zu deinem Ausflug, wenn das jedoch eine Falle ist, dann ...“
„Was dann? Komme ich in eine noch kleinere Kiste?“, fragte Lucius.
Severus antwortete nichts darauf. Eigentlich hätte es dieser Drohungen nicht bedurft, doch die Lage war wie immer angespannt, wenn es darum ging, wem man trauen konnte und wem nicht. Severus lebte nur noch, weil er grundsätzlich niemanden traute.
Als sie allein waren hatte Lucius die Karten auf den Tisch gelegt. Er wusste wer die Verschwörer waren, wo sie sich trafen und alles. Natürlich kam Severus das nicht koscher vor. Trotzdem willigte er ein. Er wollte diese ominöse Verschwörung kennen lernen. Wer wusste schon, was sich ergab. Im Guten wie im Schlechten.
„Ich verspreche dir, deine Lage wird nicht noch vertrakter werden.“, durchbrach Lucius die Stille.
„Das werden wir sehen.“, sagte Severus leise.