Morgengrauen.
Seit Stunden patrouillierten die Posten bereits in Doppelbesetzung auf den Mauern. Die vorgelagerten Vorposten trafen nacheinander in immer kürzeren Abständen ein und berichteten von sich verdichtenden Nebel.
Begleitet wurden die aufziehenden Schwaden von rhythmischem Trommeldonnern und undefinierbaren lauten. Die Soldaten hatten Order sich auf keinerlei Konfrontation einzulassen und sofort die Stellung zu räumen, sobald die Dämonen nahten. Der Recken wollte es diesen Horden nicht gönnen, die Fantasie, das Sein des Lebens aus diesen Männern zu entführen. Er, nein Belletristica brauchte diese Leute.
Die große Überfahrt, die neuen Ufer warteten darauf, bevölkert zu werden und dazu benötigte diese nun einmal einen jeden von ihnen.
Der Hauptmann ließ noch weit hinter der Reichweite ihrer Bögen Masten aufstellen, auf derer Wimpel die Farben Belletristicas im Wind lautstark knatterten.
Alle kamen sie zusammen und reihten sich in vorherbestimmte Gräben, Vorsprünge und Erhebungen ein. So standen sie da und warteten. Soldaten verharrten wartend Schulter an Schulter mit Bauern, Handlangern und jenen, die nichts weiter aufzubieten hatten, als ihr Handwerkszeug. Die Wenigsten verfügten über ausreichend Bewaffnung und hofften innigst auf einen glücklichen Ausgang des Tages. Einen Zusätzlichen, an welchem die Dämonen sie unversehrt ließen.
Rongard, den einige seiner Freunde ›Maestro‹ nannten, unwissend, wie sie darauf kamen, fand sich als einer der Ersten in vorderster Reihe ein. Er stand einfach da, neben seinem Hauptmann und beobachtete die entfernte Baumgrenze.
»Nichts rührt sich. Vielleicht lassen sie uns für heute in Frieden.«
Maestro brummte und zuckte mit den Mundwinkeln.
»Möglich. Vermutlich werden sie aber genau den heutigen Tag erwählt haben.« Luan trat heran und lockerte ihr Schultern, einen Bogen samt gefüllten Köcher in Händen haltend. »Ich sollte mich wohl bedanken, was?«
Maestro sah nicht auf, nickte jedoch wie beiläufig. »Passt sie?«
»Ungewöhnlich aber ja. Vor allem hält sie schön warm. Woher ...«
»Ja glaubst du denn, wir wären mit Blindheit geschlagen? Du hast gezittert wie Espenlaub und lädiert war deine Robe ohnehin. Also ...«
»Schenkst du und deine Leute mir so mir nichts dir nichts eine Neue?«
»Bezahl sie, indem du dem Tal beistehst.«
Luan sah lange zu Rongard, dem Mischwesen. Ein herzhaftes Lächeln stahl sich auf ihre Züge. »Ay Maestro.«
Dieser schüttelte den Kopf und sah zu seinem Hauptmann, der wiederum mit den Schultern zuckte.
»Warum zum Kuckuck nennst du mich immer Maestro?«
»Darum. Weil ich es kann?«
Mit erhobenen Brauen musterte er die Junge Assassine. Diese nestelte an der Sehne ihres Bogen und prüfte dessen Spannung. Deutlich zu erkennen waren die Klingen, die sie an ihrem Schultergurt trug.
Die neue Robe stand ihr hervorragend. Gleichfalls in weißlichem Ton gefärbt wie die Vorherige aber eben ... neu.
Einer der Kürschner ließ es sich nicht nehmen, an jedweder Stelle, an welcher man sich wehtun könnte, gehärtetes wenngleich geschmeidiges Leder einzuarbeiten. Felle von erlegten ›Grabräuber-Beissittichkaninchen‹ dienten dem Kleidungsstück als wärmendes Innenfutter.
»Sie kommen«, flüsterte der Hauptmann.
Gesichtszüge nebenstehender entglitten, als sie seine Worte hörten, und gaben diese an jene weiter, die das nahende Grauen noch nicht erspähten.
Es waren nicht die Diener Queenies, der Winterkönigin, die sie zuerst zu Gesicht bekamen. Es waren die Vorboten des Bevorstehendem. Das Unheil nahte auf sprichwörtlich leisen Sohlen.