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Durch die Jahrhunderte und in der ganzen Welt wurden Giftpfeile eingesetzt. Zunächst nur zur Jagd, dann auch gegen Menschen.
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Pfeilgifte dürften zu den ältesten Giften gehören, die seit Jahrtausenden weltweit von Menschen eingesetzt wurden. Sie verwendeten sie vornehmlich für die Jagd, aber auch gegen Feinde und um (Selbst-)Mord zu begehen.
Von Pfeilgiften abzugrenzen sind Betäubungsmittel, welche heutzutage mit einem Pfeil verabreicht werden können. Solche Betäubungspfeile werden bspw. eingesetzt, um Tiere kurzzeitig außer Gefecht zu setzen und an einen anderen Ort zu bringen.
Zu den bekanntesten Pfeilgiften zählen Curare (aus Südamerika), Frosch- und Salamandergifte (aus Südamerika), Ouabain (aus Afrika) und Eisenhut (allgemein als Giftpflanze). Einige Pfeilgifte bestehen nicht aus einer einzigen Substanz – sie wurden aus verschiedenen Pflanzen und anderen Zutaten zusammengemischt.
Ein Hinweis zur Formulierung: ich schreibe öfters „das Gift wurde von … verwendet“. Es mag sein, dass dieses Gift auch heute noch verwendet wird.
Warum wurden Pfeilgifte eingesetzt?
Mit Giften war es einfacher, große Tiere, wie einen Rothirsch, zu jagen und zu töten. Valentina Borgia (siehe [5]) geht davon aus, dass steinzeitliche Waffen an sich nicht wirksam genug waren, um ein großes Tier zu erlegen oder bewegungsunfähig zu machen.
Es gibt viele verschiedene Pfeilgifte, sie alle wirken unterschiedlich. Es dürfte sich bewährt haben, bei erlegten Tieren das Fleisch um die Wunde herum herauszuschneiden. Einige Gifte sind nur im Blutkreislauf gefährlich – das Fleisch kann also problemlos gegessen werden. Andere Giften dürften durch Hitzeeinwirkung zerstört werden.
Im Krieg hatten Pfeilgifte eine doppelte Wirkung: einerseits beschleunigten sie das Ableben des Gegners, auch wenn die eigentliche Wunde nicht tödlich war. Zum anderen hatten Giftpfeile eine psychologische Wirkung: wenn der Gegner weiß, dass er mit Giftpfeilen beschossen wird, gehen die Truppen anders in einen Kampf. Gegen die meisten Gefahren auf dem Schlachtfeld kann man sich entweder wehren oder fliehen – was nicht für Verletzungen mit vergifteten Waffen gilt.
Der Einsatz von Pfeilgiften zu kriegerischen Zwecken ist durch die Geschichte mehrfach dokumentiert: Unter anderem in den Kriegen des römischen Reiches, bei Kämpfen des chinesischen Kaiserreiches und bei Kolonialkämpfen in Afrika. Weiter bei Kämpfen zwischen Bevölkerungsgruppen in Amerika und von den Skythen (welche Schlangengift verwendeten) gegen dir römischen Truppen.
Angabe von tödlichen Dosen
Bei einem Gift ist es immer interessant, wieviel denn nun tödlich ist. Wie das berühmte Zitat von Paracelsus im Sinnlaut besagt: „Die Dosis macht das Gift!“
In der Toxikologie hat sich die Angabe einer „letalen Dosis“ (LD) pro Kilogramm Körpergewicht etabliert. In der Regel werde ich die Kennzahl LD50 verwenden. Das bedeutet, dass diese Dosis in 50% der Fälle tödlich ist.
Vorsicht bei der Handhabung von Giftpfeilen
Der Umgang mit Giftpfeilen musste mit großer Vorsicht geschehen. Schließlich war eine Wunde, welche man sich aus Versehen selbst mit der Pfeilspitze beibrachte, tödlich.
Allgemeines zur Zubereitung von Pfeilgiften
Teilweise existierten spezielle Riten zum Sammeln giftiger Pflanzen und zur Herstellung des Gifts. Diese dürften entstanden sein, um sich nicht aus Versehen selbst zu vergiften.
Das Wissen um die Herstellung von Pfeilgiften (und Giften im Allgemeinen) wurde meist geheim gehalten. Die Herstellung oblag einigen wenigen, teilweise Schamanen, Priester oder Druiden. Selten wurden die Zutaten allgemein offen gelegt, bspw. um Feinde einzuschüchtern (wobei hier auch übertrieben werden konnte).
Das Herstellen von vergifteten Pfeilen war meist zeitaufwändig und langwierig.
In mehreren Fällen wurde mehr als eine Substanz als Pfeilgift verwendet, auch wenn es ggf. einen Haupt-Wirkträger gab. Die weiteren Zutaten hatten verschiedene Aufgaben: den Extrakt einzudicken, das Auftragen auf der Pfeilspitze zu erleichtern, die Wirkung des Haupt-Giftes zu verstärken, zu magischen Zwecken oder um die eigentliche Zusammensetzung des Giftes zu verschleiern. Die meisten Zutaten für Pfeilgifte sind pflanzlichen Ursprungs, einige wenige sind tierischen Ursprungs.
Soziale Akzeptanz von Giftpfeilen
Pfeilgifte wurden von verschiedensten Völkern und Volksgruppen zur Jagd eingesetzt. Dies scheint sozial und moralisch kein Problem gewesen zu sein.
Moralisch problematisch wurde der Einsatz von Giftpfeilen im Krieg und gegen anderen Menschen. Vom Einsatz von Pfeilgiften gegen andere Menschen wird schon früh berichtet: Die indischen Veden (etwa 1.200 v.Chr. und 900 v.Chr.) erwähnen Pfeilgifte aus Eisenhut für Kriegszwecke. In der Odyssey werden vergiftete Pfeile erwähnt, genauso wie Alexander der Große bei seinen Feldzügen mit Giftpfeilen konfrontiert wurde (Indien, Schlangengift). Aber auch in Zeiten, die nicht so weit zurück liegen wurden Giftpfeile eingesetzt: Im 19. Jahrhundert wurden britische Soldaten in Afrika von vergifteten Pfeilen verwundet.
Im antiken Griechenland war die Ansicht über vergiftete Waffen kontrovers und zwiespältig. Die alten Griechen betrachteten vergiftete Waffen als Waffen für Feiglinge. Gleichzeitig wird berichtet, dass die zwei griechischen Helden Herakles und Odysseus auf vergiftete Waffen zurückgriffen. Gesetze, um den Einsatz vergifteter Waffen zu regeln, gab es wenige.
Im antiken Rom wurde die Verwendung von Giftpfeilen (und das Vergiften von Nahrungs- und Wasserquellen) verurteilt. Dennoch ist bekannt, dass römische Militärs Gift gegen Feinde einsetzten.
Die indischen Manusmriti (Entstehung v.Chr.) verboten den Gebrauch von vergifteten Waffen. In derselben Zeit sprach das Arthashastra davon, sich gegen Feinde bei einer Belagerung mit vergifteten Waffen zu wehren.
Die „Lex Salica“ (Salisches Recht, um 500 n.Chr.) stellte das Abschießen eines Giftpfeils auf einen Mitmenschen unter Strafe – die Strafe betrug 2.600 Pfennig oder 62,5 Schilling. Das entspricht demselben Strafmaß wie für einen Mordversuch.
Im „Lex Baiuvariorum“ (Bayern, 6.-8. Jhdt.) wurden Pfeilgifte ebenfalls behandelt.
Obige Beispiele beschreiben, wie einerseits der Einsatz von vergifteten Waffen verurteilt wurde, andererseits diese Waffen selbst eingesetzt wurden. Es ist unklar, ob diese Ansichten überall geteilt wurden. Es kann durchaus Bevölkerungsgruppen gegeben haben, bei denen der Einsatz von vergifteten Waffen gegen Feinde nicht verwerflich war.
Pfeile für die Jagd, Pfeile für den Krieg
Pfeile, die zur Jagd verwendet wurden, waren auch im Einsatz gegen andere Menschen tödlich. Dennoch wurden im Krieg teils andere Pfeilgifte eingesetzt als beim Jagen. Warum war das so?
Ein Tier, welches erlegt wird, dient den Menschen meist als Nahrung. Entsprechend ist es wichtig, dass das verwendete Gift bei oraler Aufnahme ungiftig ist – entweder, weil es von sich aus bei Einnahme nicht giftig ist oder weil das Gift durch Hitze zerstört werden kann. Einige dieser Gifte brauchen ein wenig Zeit, bis die Wirkung eintritt.
Im Krieg hingegen war die Maßgabe, einen Feind möglichst schnell gefechtsunfähig zu machen. Hier kam es nicht darauf an, ob das Gift durch orale Einnahme tödlich wäre. Des Weiteren wurden Giftpfeile auch als psychologische Waffe eingesetzt. Ein qualvoller Tod kann durchaus Absicht der Angreifer gewesen sein, sodass bspw. Schlangengift (welches für die Jagd verwendet wurde) mit weiteren Substanzen gemischt wurde.
Anekdoten und Wissenswertes
Woher stammt der Begriff „Toxisch“?
Der Begriff kommt von griechischen „toxikon“, was so viel bedeutet wie „vergifteter Pfeil“.
„Einem geschickten Giftmischer und Waffenpräperierer sollte es tatsächlich möglich gewesen sein nur mit einem Kratzer zu töten.“ Zitat von [7].
Vergiftete Dolche und ähnliche Klingen wurden nur selten verwendet. Dies liegt u.a. daran, dass solche Klingen nur wenig Gift auf einmal in den Organismus transportieren können. Pfeile hingegen können in den Körper eindringen und das Gift dort freisetzen.
Quellen
[1] „Information Resources in Toxicology“, 4th Edition; Philip Wexler et al.; 2009
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Curare – aufgerufen am 08.02.2020
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Arrow_poison – aufgerufen am 08.02.2020
[4] „Greek Fire, Poison Arrows and Scorpion Bombs: Biological and Chemical Warfare in the Ancient World“; Adrienne Mayor; 2009
[5] https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/praedynastik-6000-jahre-alte-giftpfeile-a-1029007.html – aufgerufen am 08.02.2020
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Letale_Dosis – aufgerufen am 08.02.2020
[7] https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?141569-Pfeilgifte-Mythos-oder-nicht/page3 – aufgerufen am 11.02.2020
[8] „Report on the arrow poison by the fra fra“; Dr. P.J. Garland; veröffentlicht 1905; (https://militaryhealth.bmj.com/content/5/1/113)
[16] https://mythcreants.com/blog/poison-are-you-using-it-properly/ – aufgerufen am 10.02.2020
[17] „ARROW AND DART POISONS“; N.G. Bisset; 1989
[18] „Recent developments in the field of arrow and dart poisons“; Genevieve Philippe und Luc Angenot; 2005
Soziale Akzeptanz von Giftpfeilen (zusätzlich zu obigen Quellen):
[9] https://www.peter-hug.ch/lexikon/12_0943 – aufgerufen am 09.02.2020
[10] https://peter-hug.ch/salischesgesetz – - aufgerufen am 10.02.2020
[11] „ARROW AND DART POISONS“; N.G. Bisset; 1989
[12] „Recht der salischen Franken vor und in der Kaiserzeit“; Dr. Knut Jungbohn Clemet; 1879; (https://archive.org/stream/forschungenber00clem#page/141/mode/1up – aufgerufen am 10.02.2020)
[13] „History of Toxicology and Environmental Health: Toxicology in Antiquity, Volume II“ – Kapitel 2: „ Chemical and Biological Warfare in Antiquity“ von Adrienne Mayor; Philip Wexler; 2015
[14] „Manusmriti“, Kapitel 1 und 2; (https://sourcebooks.fordham.edu/india/manu-full.asp (Punkt 90, Punkt 195) – aufgerufen am 10.02.2020)
[15] „Arthashastra, Buch VII“; (https://en.wikisource.org/wiki/Arthashastra/Book_VII – aufgerufen am 10.02.2020)