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Seit über 6.000 Jahren auf Pfeilen zu finden, tödlich bis hinein ins 20. Jahrhundert.
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Von wem wurde Ouabain verwendet?
Ouabain wurde in Afrika verwendet, unter anderem zur Elefantenjagd.
Woraus wird Ouabain gewonnen?
Ouabain ist ein pflanzliches Gift. Es wird hauptsächlich aus Acokanthera-Arten (Wirkstoff im Milchsaft) hergestellt, gelegentlich auch aus Strophanthus-Arten (Wirkstoff hauptsächlich in den Samen oder dem Milchsaft). Beide Pflanzen sind hauptsächlich in Afrika beheimatet, einige Arten der Strophanthus kommen in Asien vor.
Zur Herstellung des Giftes wurden Äste und Blätter der Pflanze über einem Feuer ausgekocht. Der Sud wird als schwarz oder braun und Teerartig beschrieben. Die Pfeilspitzen wurden in den Sud getaucht. Die Herstellung wurde von einem britischen Arzt wie folgt beschrieben:
„The seeds are reduced to a powder by grinding and the other parts added. And to this a small quantity of water is added and stirred. The mixture is then boiled for some time until it becomes of a thick consistency. It is then allowed to cool and the arrows are subsequently smeared with the thick brown coloured resinous looking residue.“ ([10]; Übersetzung s. unten)
In seinem Bericht stellt er noch heraus, dass zumindest das Verbindungsstück zwischen Schaft und Pfeilspitze dick mit der Substanz bestrichen wurde.
Wie wirkt Ouabain?
Ouabain wirkt u.a. auf den Herzmuskel und führt Herzrhythmusstörungen und Kammerflimmern hervor.
Allgemeine Symptome sind: schnelles Zucken des Nackens und der Brustmuskulatur (nicht immer), Lungenversagen und Atemnot (engl. „respiratory distress“), erhöhter und unregelmäßiger Herzschlag, hoher Blutdruck, Verkrampfungen, begleitet von Keuchen oder rasselndem Keuchen. Weitere, eher selten auftretende Symptome, sind Sehstörungen (meist gelb-grün Sehen), Übelkeit und Erbrechen.
Der Tod tritt durch einen Kreislaufstillstand ein. Bewusstlosigkeit setzt 10-15 Sekunden nach dem Kreislaufstillstand ein, nach 30-60 Sekunden kommt es zum Atemstillstand.
Die Wirkung des Gifts tritt beim Menschen 3-10 Minuten nach der Vergiftung ein, davor sind keine akuten Symptome zu erwarten. Die Wirkung hält maximal 1,5 Stunden an, in der Regel ist das Gift vorher tödlich.
Versuche an einem Schaf führten binnen 20 Minuten zum Tod. Dabei traten keine Verkrampfungen auf, hauptsächlich wurde schweres Atmen festgestellt. Eine Autopsie ergab, dass die Lunge kollabiert war.
Es gibt vereinzelte Berichte von der Wirkung des Giftes, aufgezeichnet in den Kolonialkriegen in Afrika ([10] ist solch ein Originaltext).
Ein Bericht spricht von qualvollen Schmerzen entlang der Wirbelsäule und am Arm, gefolgt von Schwächegefühl, extremer Blässe, schwachem Puls, unregelmäßiger Atmung mit Seufzen und kaltem Schweiß (binnen einer Viertelstunde). Zwanzig Minuten nach Erhalt der Wunde verschlimmerten sich die Symptome. Trotz Besserung durch Behandlung setzte etwa 45 Minuten nach Erhalt der Wunde Schüttelfrost ein – der Patient beklagte sich über Kälte und bekam Fieber. Schlussendlich überlebte er – dank sofortigem Entfernen des Pfeiles und rascher Behandlung (u.a. Aussaugen des Giftes und Behandeln der Wunde).
In einem weiteren Fall spürte der Verletzte in den ersten 5 Minuten bis auf die eigentliche Wunde keine Schmerzen. Danach setzten Schmerzen in der Wirbelsäule und Unwohlsein ein. Nach 15 Minuten waren die Schmerzen entlang der Wirbelsäule erheblich stärker geworden. Die Haut war heiß und in Schweiß gebadet, der Puls schwach und schnell. Dieser Zustand hielt noch weitere 10 Minuten an, bevor Besserung durch die vorgenommene Behandlung eintrat.
Was passiert im Körper?
Der Wirkstoff in Ouabain wird g-Strophanthin genannt und ist ein sog. Herzglykosid.
Das Gift zielt primär auf Herzmuskelzellen und Nervenzellen ab. Es hemmt die Natrium-Kalium-Pumpe der Zellmembran. Dies hat zur Folge, dass Natrium-Ionen nicht mehr aus der Zelle heraustransportiert werden und folglich die Natrium-Konzentration innerhalb der Zelle steigt. Die erhöhte Natrium-Konzentration hat hier ebenfalls zur Folge, dass der Natrium-Calcium-Austauscher der Zelle langsamer arbeitet. Dies bedeutet, dass die Calcium-Konzentration innerhalb der Zelle steigt. Die erhöhte Konzentration von Natrium und Calcium zusammen führt zur Steigerung der Kontraktionskraft der Herzmuskelzellen, gleichzeitig führt es zu einer Verringerung der Schlagfrequenz des Herzens. Dies resultiert in Herzrhythmusstörungen.
Ab wann ist Ouabain tödlich (Dosis)?
5mg pro Kilogramm Körpergewicht sind tödlich (Kennzahl: LD50). Dieser Wert gilt für die Aufnahme in den Blutkreislauf.
Es gibt Berichte über ein traditionelles Antidot (Gegengift) (mehr Informationen zur Herstellung und Wirkung siehe [10]).
Anekdoten
In Ägypten wurden 6.000 Jahre alte Pfeilspitzen gefunden, welche Spuren einer schwarzen Substanz aufwiesen. Diese Substanz enthielt Acokanthera. Archäologen injizierten das Gift Jahrtausende nach dem Aufbringen einer Katze – welche überlebte, jedoch heftige Reaktionen auf das Gift zeigte.
Im 19. Jahrhundert wurde Ouabain, besser gesagt: g-Strophanthin, oral zur Herztherapie verordnet. Abhängig von der Dosierung wirkte die Einnahme abführend. Oral wird weit weniger von den giftigen Komponenten aufgenommen als intravenös (also über den Blutkreislauf).
Heute wird Strophanthin zur Behandlung von Herzinsuffizienz eingesetzt, jedoch nicht als erstes Mittel der Wahl.
Quellen
[1] „Information Resources in Toxicology“, 4th Edition; Philip Wexler et al.; 2009
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Strophanthus – aufgerufen am 08.02.2020
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Acokanthera – aufgerufen am 08.02.2020
[4] https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/praedynastik-6000-jahre-alte-giftpfeile-a-1029007.html – aufgerufen am 08.02.2020
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Ouabain – aufgerufen am 08.02.2020
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Herzglykoside – aufgerufen am 10.02.2020
[7] https://en.wikipedia.org/wiki/Ouabain – aufgerufen am 08.02.2020
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Kreislaufstillstand – aufgerufen am 10.02.2020
[9] „Bioprospecting and Resistance: TransformingPoisoned Arrows into Strophantin Pills in ColonialGold Coast, 1885–1922“; Abena Dove Osseo-Asare; in „Social History of MedicineVol. 21, No. 2“
[10] „Report on the arrow poison by the fra fra“; Dr. P.J. Garland; veröffentlicht 1905; (https://militaryhealth.bmj.com/content/5/1/113 – aufgerufen am 10.02.2020)
Übersetzung
„Die Samen werden zu einem Pulver vermahlen und dann weitere Zutaten beigemengt. Dazu wird eine kleine Menge Wasser gegeben und umgerührt. Dieser Mischung wird für einige Zeit gekocht bis sie eine dicke Konsistenz hat. Man lässt sie auskühlen und schmiert die Pfeile danach mit der dicken, braunen, harzartig aussehenden Substanz ein.“