Ein Hindernis stoppte seine Flucht abrupt, indem es sich eine Magengrube rammte.
Er war in einen Zaun gerannt. Ein Zaun, der mit vielen anderen ein einzelnes Haus umringte.
Die Geräusche fremdartiger Tiere drangen von einem der eingezäunten Bereiche zu ihm. Das erinnerte ihn ein wenig an die Fischfarmen auf Nethufia, nur eben hier auf dem Land. Baldor hoffte, dass diese Menschen in ihrer Entwicklung weiter fortgeschritten waren und nicht nur die Zucht und Massenhaltung von Tieren beherrschten.
In der Ferne brüllte sein Verfolger und die gelangweilt gelassenen Töne der Tiere nahmen panische Klänge an. Erneutes Brüllen. Es war nicht näher gekommen, trotz der vielen Nahrung, die sich hier für ein Festmahl versammelt hatte. Traute er sich nicht an diesen Ort?
"Das war knapp."
Baldor zuckte zusammen und sah in Ngis Gesicht, das körperlos vor ihm in der Luft schwebte. Nach und nach schälte sich der Rest seines Körpers aus dem Nichts.
"Wo warst du? Du bist mir ja eine tolle Hilfe!"
"Tut mir leid, Boss, ich fürchte meine Kampf-Routinen müssen beschädigt sein. Ich kann mich nicht erinnern, dass so etwas vor dem Angriff der Vetis je geschehen ist."
"Na klasse! Und dafür soll ich dich bezahlen?"
"In der Stellenbeschreibung war keine Rede davon, dass ich auch kämpfen muss."
Baldor rieb sich die Stirn. Warum war er aus der ganzen Bevölkerung Nethufias ausgerechnet mit diesen Leuten geschlagen? "Kannst du wenigstens versuchen, dich in den Weg zu werfen, wenn das nächste Mal so ein Monster kommt? Du solltest ja stabil genug sein, damit dir als Kauknochen nichts geschieht."
"Das muss ich entschieden ablehnen, das widerspricht den Prinzipien der Roboterwürde."
"Ro-bo-ter-wür-de? Du bindest mir einen Seebären auf, oder?"
"Nein, meine Routinen sehen weder Unehrlichkeit noch Humor vor – in keiner seiner Formen."
Das wurde ja immer besser! Er kämpfte nicht nur nicht, er war außerdem nicht in der Lage unehrlich zu sein? Wie sollte er Diplomatie bei diesen Menschen anwenden, wenn er einen Roboter dabei hatte, der sich verplapperte, wenn Baldor die Wahrheit ein wenig bog? Bevor er an der Tür dieses Hauses anklopfte, war es vielleicht besser, Ngi irgendwo im Wald abzustellen.
Doch dazu schien es jetzt zu spät zu sein. Ein Wesen in braunen Klamotten, rosafarben blasser Haut und braunem Fell in Gesicht und auf dem Kopf kam auf sie zu, brummte sie forsch an und gestikulierte wild. Baldor verstand kein Wort. Hilflos drehte er sich zu Ngi.
"Einen Moment, ich lade die Sprachmuster dieser Rasse in meine Datenbank. Drei, zwei, eins, fertig. Der Mensch sagt Folgendes: Hey, ihr da. Ihr habt hier nichts zu suchen. Diese Ranch und das Weideland gehören den Wagenbauers."
"Kannst du auch in die andere Richtung übersetzen?", fragte Baldor.
"Klar, Boss. Kann sein, dass es sich etwas holprig anhört." Noch holpriger, als er schon Nethufisch sprach? War ja fast nicht möglich. Der Mensch schien in der Zwischenzeit ungeduldig zu werden. Etwas in seinen Armen klickte. Ein Rohr, das nun auf Baldor gerichtet war.
"Sag ihm, dass wir auf der Suche nach Energie und Ersatzteilen für unser Raumschiff sind. Falls er keine hat, frag nach dem Weg zur Stadt." Als er sah, wie sich in der Ferne der Himmel zu erhellen begann, fragte er sich, ob er nicht sogar für den Tag Unterschlupf bekommen konnte. Wer wusste schon, wie sich seine Haut in dieser Sonne verändern würde, ganz ohne Sonnencreme.
Ngi startete seine Übersetzung, doch er war nicht halb fertig, da trat der Mensch einen Schritt näher an sie heran und sein Gesicht verzog sich zu einer rosafarbenen Kraterlandschaft des Abscheus. Angewidert spuckte er ein paar Worte aus, die Ngi sogleich ins Nethufische übertrug.
"Ihr seid Außerirdische? Solches Pack wollen wie nicht haben!" Ngis Mund formte ein überraschtes O. "Wenn ihr nicht dorthin verschwindet, wo ihr hergekommen seid, verpass ich Euch eine Kugel!"
"Was meint er mit Kugel?", fragte Baldor.
"Boss, ich glaube, das Rohr ist eine Waffe und er will auf uns schießen. Ich denke, wir sollten verschwinden. Nun, du zumindest."
Na großartig! Verschwinden, das war doch genau das, was er vorhatte. Beschwichtigend hob Baldor die Arme. "Tut mir leid, aber ..."
Die Geste musste der Mensch falsch verstanden haben, denn er feuerte seine Waffe direkt auf seine Brust ab. Baldor stockte der Atem, er verlor den Boden unter den Füßen und flog in einem Bogen durch die Luft. Er landete weich und tastete panisch seinen Brustkorb ab. Da war nichts, außer den rauen Schalen der Carif-Krabben. Er hielt sich nicht damit auf, dem Schicksal oder irgendeinem höheren Wesen für diese blinden Passagiere zu danken, sondern strampelte sich auf und verschwand erst krabbelnd und dann rennend im Wald. "Ngi, halt ihn auf, ich warte auch nicht auf dich!"
"Boss?", ertönte Ngis Stimme neben ihm, "ich verstehe den Sinn dieser Aussage nicht."
"Ich kann nur für dich hoffen, dass er uns nicht verfolgt!"
Das tat er nicht. Baldor blickte zurück und sah den Menschen, der ihnen nachsah und dabei grölend die Waffe in die Luft streckte. Doch etwas anderes hatte ihn eingeholt. Die blutrote Sonne, die hinter dem Horizont hervorgekrochen kam und sich nach oben drückte.
Und wie beim ersten Mal, als er die Sonne gesehen hatte, verschaffte ihm dieser Anblick ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Tatsächlich sah er aber den grün-braun gefleckten Boden auf sich zurasen. Der Effekt der Sonne auf seine Haut war wohl das geringste Problem. Sein ganzer Körper schien sie nicht zu vertragen. Noch bevor sein Gesicht wieder einmal im Boden versank, machte sich sein Bewusstsein bereits auf eine weitere Reise in die Dunkelheit.