Das wärmende Licht der Sonnen strich über seine Tentakelhaare und Baldor streckte zufrieden die Arme aus. Endlich wieder an der Oberfläche! Sich bei Tag über diesen Planeten bewegen zu können hatte etwas Besonderes und ihm war es gerade absolut egal, ob sich seine Haut oder seine Tentakelhärchen verfärben würden. Ob es daran lag, dass es keine Nethuf mehr gab, mit denen er sich vergleichen konnte? Oder seine Freunde, mit denen er diesen Tick geteilt hatte, wahrscheinlich nicht mehr am Leben waren? Bei dem Gedanken legte sich ein Druck auf seine Brust. Doch er hatte keine Zeit, richtig um sie zu trauern. Zuerst musste er …
… mit der Masse fertig werden, die sich vor der Tür versammelt hatte. Nicht nur die Sonne wollte ihn hier oben begrüßen, auch unzählige Menschen, um die noch mehr dieser fliegenden Maschinen schwirrten.
"Hallo, ich bin im Auftrag von Madun Media hier", rief einer von ihnen, in bunten, weiten Klamotten, während sein Flugroboter näher an die Gruppe heran flog. "Ist es wahr, dass ihr 'Die Faust des Calu' zu einem Klumpen Metall verarbeitet habt?"
"Fragt den da." Sarah zeigte mit dem Daumen auf Baldor, dann schob sie sich durch die Gruppe und verschwand.
"Paparazzi ..." Sergej stöhnte.
"Ach, das sind Reporter?", fragte Baldor und straffte sich. "Kein Problem, ich mach das. Ich habe Erfahrung mit den Medien. Immerhin bin ich der Sohn des Präsidenten."
"Du bist der Sohn des Präsidenten?", rief einer der Reporter. "Der Präsident von was?"
"Der Präsident des Planeten Nethufia."
"Nethufia?", der Reporter runzelte die Stirn. "Davon habe ich noch nie gehört. Ah, ich sehe deine Tentakel. Bist du ein Außerirdischer? Ist es schön auf Nethufia? Kann man da …"
Er ratterte einen ganzen Katalog herunter. Wie sollte er sich das denn alles merken? Nun, zumindest hatte er die erste Frage behalten. "Ja, ich bin ein Außerirdischer. Zumindest aus eurer Sicht. Aus meiner Sicht seid ihr die Außernethufischen." Baldor grinste medienwirksam und der Reporter lachte höflich über seinen Witz.
"Nethufia war ein außerordentlich schöner Planet. Weite, lilafarbene Strände und tiefes, blaues Meer. Leider wurde er mit großer Wahrscheinlichkeit zerstört. Deswegen musste ich fliehen."
"Und du hast auf der Erde Zuflucht gesucht, weil du von unserer Kultur und unserer Gastfreundschaft gehört hast?"
Baldor musste sich zwingen, über diesen Witz nicht selbst zu lachen. Das wäre weniger höflich gewesen. "Besonders die Küche ist vorzüglich", erklärte er mit unbewegt freundlicher Miene und fügte in seinen Gedanken hinzu: 'Ravioli, oh wie ich Ravioli Liebe'. Dass er endlich etwas Richtiges im Bauch hatte, half ungemein, nicht in Tränen auszubrechen.
Es waren offenbar genug Höflichkeiten ausgetauscht worden und der Reporter kam zum Kern der Sache. "Kommen wir noch mal zu deinen Tentakeln. Wir haben die Bilder gesehen, in denen ein gigantisches Tentakelmonster mit der ' Faust des Calu', wie mit einer Puppe gespielt hat. Das warst du, oder?"
Tentakelmonster? Baldor war sich alles andere als sicher, dass tatsächlich er das gewesen war. Wie sollte er auf diese Frage antworten, falls es stimmte? Aber, wenn er das richtig gedeutet hatte, war Calu vielmehr ein Verbrecher, als ein Held gewesen. Wenn ihm das Beliebtheitspunkte bescherte und er so schneller hier wegkam, schlüpfte er eben in die Rolle des Tentakelmonsters.
"Ja, das war ich."
Er hoffte nur, die Menschen waren so richtig dankbar dafür, dass er diesen Schurken aus dem Verkehr gezogen hatte und gewillt, ihm zu helfen, anstatt ihn umzubringen. Sollte er vorsichtshalber ein Stoßgebet an die Großen Qualle losschicken?
Als hätten sie seine wohlkalkulierte Antwort überhört, bombardierten ihn die Reporter stattdessen mit weiteren Fragen. Wie seine Verwandlung funktionierte, ob er in Wirklichkeit gekommen war, um die Erde zu erobern, warum sein Planet zerstört wurde und ob das auch der Erde blühen könnte? Geduldig versuchte er, die Fragen zu erwidern, ohne sie wirklich zu beantworten. Gerade als es ihm zu viel wurde, tauchte eine Meute Ratten auf und die Reporter traten kreischend die Flucht an. Was für ein Zufall.
"Danke Klara." Das zweite Mal, dass er heute dankbar war. Das musste ein neuer Rekord sein.
"Kein Ding." Sie grinste schelmisch. Ganz klar: Es machte ihr Spaß, Angst und Schrecken mit ihren Tieren zu verbreiten. War sie am Ende gar eine kleine Tyrannin? Baldor war sich noch nicht ganz so sicher und ob er sie für diesen Charakterzug mögen oder sich vor ihr in acht nehmen sollte.