Laryn verschloss ihre Rüstung und begann ihre Haare zu flechten. Nach Jahrzehnten war es endlich so weit. Sie würden nach Yautja-Prime zurückkehren. Ihre Jagden waren stets erfolgreich gewesen, auch wenn es manchmal hart auf hart gekommen war. Sie war bereit, ihre Initiation zu beschreiten, aber zuerst mussten sie mit dem Rat sprechen. Als sie fertig war, ging sie auf die Brücke zu Tirzah. Die Zeit hatte ihrem jungen Aussehen nichts anhaben können, was bestimmt an ihren Genen lag, da war sie sich sicher. Auch Tirzah hatte sich kein bisschen verändert. So viele Jahre auch vergangen sein mochten, ihre Bindung war nicht schwächer geworden. Nein, sogar viel stärker. Sie waren nicht zu trennen und dennoch war da dieses mulmige Gefühl, wenn sie daran dachte, was auf sie zukommen könnte.
„Es ist furchtbar“, gestand sie. „Ich hatte es anfangs akzeptiert, aber nach so langer Zeit… du bist mein Gefährte. Es plötzlich wieder geheim zu halten ist... es ist, als würde ich lügen.“ Nie würde sie zugeben, dass die Eifersucht da ihre Finger im Spiel hatte.
Tirzah hatte seiner Gefährtin den Blick zugewandt, als sie auf die Brücke trat. Ihre Erscheinung machte ihn stolz und lockte ihn gleichermaßen. Diverse Jagden hatten ihre Zeichen auf ihrem Körper hinterlassen und sprachen von Ehre und Einsatz. Eine wundervolle Gefährtin und würdige Schülerin und sie war bereit.
Seine Gesichtszüge wurden weich, als sie sprach und er stand auf, um zu ihr zu gehen. In einer vertrauten Geste legte er seine Stirn an ihre, auch wenn er sich dafür zu ihr herunter beugen musste. Sanft umfasste er ihr Gesicht mit den Händen. Sie war nicht nur eine würdige Schülerin. Nicht einen Moment hatte er in den letzten Jahren bereut, dass er ausgerechnet sie zu seiner Gefährtin gemacht hatte. „Wir werden es ihnen sagen“, raunte er sacht. „Nur nicht sofort.“ Täten sie dies, bräuchten sie gar nicht nach Yautja-Prime gehen, denn dann würden sie sofort getötet oder im geringsten Fall weggejagt. Zuerst mussten sie ihren Stand im Volk wieder herstellen.
Auch wenn Laryn es nicht aussprach, wusste Tirzah, dass es nicht nur das Gefühl der Lüge war, welches sie bei diesem Thema beschäftigte. Dafür kannte er sie mittlerweile viel zu gut. "Es ändert sich nichts zwischen uns", versicherte er ihr. "Du bist meine Gefährtin und ich gehöre nur zu dir." Auch wenn er das erste Mal seit langem wieder Weibchen seiner Art sehen würde, hatte er weder Bedürfnis noch Intention sich einem körperlich zu nähern. Wobei immer noch unklar war, ob er überhaupt interessant für sie wäre. Zwar hatte er in den Jahren der Jagd wieder Narben angesammelt, die ihn zierten, doch noch war er verbannt.
Laryn strich über seine Arme als er beruhigend auf sie einsprach. Als er allerdings endete, verzog sie ihr Gesicht und löste sich von ihm, um ein paar Schritte zu gehen. Sie war einst Zeugin davon geworden, dass dies nicht unbedingt etwas bedeutete. Der Zamteh und sein Weibchen waren Jahrhunderte zusammen gewesen. Dann war aber Tirzah gekommen. Er hatte sich nicht einmal ganz entkleidet, schon war sie ihm in die Arme gesprungen. Die Erinnerung daran, schaffte es, dass Wut in Laryn hoch kroch. Sie hatte ihm geschmeichelt und ihn gekratzt! Sollte es auch nur ein Weibchen wagen, ihre dreckigen Finger nach ihm auszustrecken, sie würde ihr die Arme mit bloßen Händen ausreißen! Ihr Gesichtsausdruck wurde immer finsterer. Sie bemerkte nicht einmal, wie sie nach ihrem Messer tastete. Was hinderte ihn schon daran, einer nachzusehen? Sie alle waren größer! Vor allem ihre Brüste...
Ein einziges Schnurren und sie würde ihr die Stimmbänder rausschneiden! Ein Geräusch entfuhr ihrer Kehle. Halb knurrend, halb fauchend.
Tirzah wartete ab, als sich Laryn von ihm entfernte. Als sie jedoch diesen wütenden Laut von sich gab, ging er ihr die wenigen Schritte hinterher und legte seine Arme um sie. Zärtlich drückte er sie an sich. Seine Finger berührten ein Stück die weiche Haut an ihrem Bauch, streiften eine längliche Narbe. Das Überbleibsel einer von vielen Jagden. Allein dieses Gefühl unter seinen Fingerspitzen ließ ihn beinahe schnurren. Auch ihre Eifersucht erregte ihn. Zeigte es doch, wie sehr sie ihn liebte und begehrte. „Was sollte ich mit einem anderen Weibchen, wenn ich dich an meiner Seite weiß?“, hauchte er ihr mit einem sachten Grollen ins Ohr.
Laryn schloss auf seine Frage ihre Augen. Seine Stimme so dicht an ihrem Ohr erzeugte wie immer einen so zärtlichen Schauer, der ihr über den Rücken glitt. Doch dieses Mal konnte sie es nicht genießen. Er wusste es doch bereits, zumindest musste er es etwas ahnen! Dennoch hatten sie nie darüber gesprochen. In diesem Moment löste sie seine Hände von sich und ging wieder ein, zwei Schritte. Schließlich holte sie Luft und drehte sich zu ihm um.
„Du könntest weitere Kinder zeugen“, antwortete sie. "Nachkommen, die du von mir nie bekommen wirst."
Er ließ ihr die Distanz dieses Mal. Nur leicht legte er den Kopf schief. „Das wusste ich bereits, bevor ich dich als Gefährtin erwählt habe“, antwortete er sanft. Zwar wollte er nicht ihre Gedanken darauf lenken, dass er bereits sehr viele Nachkommen hatte, doch das war nicht nur der beste Grund, dass er von weiteren Kindern schon lange abgesehen hatte, sondern auch die simple Wahrheit. „Ich habe meinen Beitrag geleistet. Sollen sich andere um den Erhalt der Rasse kümmern.“ Bewusst wählte er die Worte kalt und distanziert, denn genau so stand er zu diesem Thema. Es kümmerte ihn nicht, dass Laryn ihm keine Kinder schenken konnte.
Verwunderten sie die Worte? Ein wenig. Auch wenn sie es nicht geglaubt hatte, sie erleichterten ihr schlechtes Gewissen. Aber warum fühlte sie sich weiterhin so schlecht? Laryn seufzte stumm und griff mit der linken Hand nach ihrem Ellbogen. Ihr Blick wanderte gen Boden, als ihr wieder einmal bewusst wurde, dass sie… wirklich gerne Kinder bekommen würde. Waren ihre Gedanken dahingehend so absurd? Wenn sie sich Kinder mit dem Mann wünschte, den sie liebte? Kinder, die sie mit ihrer Liebe überhäufen würde, ihnen ein zu Hause schenken und…
Sie nickte, als wären sie noch mitten im Gespräch und als würde sie ihm einfach Recht geben oder auch einfach froh darüber sein, dass sie endlich darüber gesprochen hatten. Sie drehte sich um und ging Richtung Schlafzimmer. Wieso sie dahin wollte, wusste sie gerade selbst nicht.
Irgendwie war Tirzah nicht davon überzeugt, dass Laryn ihm glaubte. Oder hatte sie sich Kinder gewünscht und letztendlich realisiert, dass sie keine bekommen konnte? Kurzerhand ging er ihr hinterher und hielt sie an der Schulter fest. Im nächsten Moment hatte er sie schon an die nahe Wand gedrückt. Ganz nah stand er vor ihr, hielt sie mit sich selbst gefangen. Ihr betörender Duft hüllte ihn ein und entlockte ihm ein sanftes Grollen. „Sprich mit mir Laryn“, bat er sie leise.
Ihre Muskeln spannten sich, sie war bereit für Gegenwehr und Kampf! Aber es war nur Tirzah, der sie gegen die Wand presste und gefangen hielt. Nur Tirzah. Ihre Kraft versiegte sehr langsam. Was sollte sie nur tun? Es klang doch lächerlich! Oder etwa nicht? Vor Allem wollte sie ihm damit nicht auf die Nerven gehen und ihn auch nicht damit belasten. Nicht kurz vor ihrer Ankunft auf Yautja-Prime. Laryn schloss ihre Augen und holte tief Luft.
„Es ist schon okay“, meinte sie schließlich wieder, als sie ihn ansah und sogar sanft lächelte. „Alles okay.“ Zärtlich strich sie über seine stählerne Brust. „Mach dir keine Sorgen, nur ein wenig Nervosität. Mir geht es gut, solange du an meiner Seite bist.“
Nichts war okay, sie sagte es nur um ihn zu beruhigen. Vielleicht wollte sie sich auch nur selbst einreden, dass es so war. Liebevoll legte er ihr eine Hand an die Wange und seine Stirn an ihre. „Ich werde immer an deiner Seite sein“, versprach er. „Und wenn das hier nicht funktioniert, werden wir einfach fortgehen. Dann werden wir jagen, wo immer wir wollen, leben, wie wir es für richtig halten. Niemand wird uns davon abhalten.“
Mit einem Zischen öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer. Tirzah sah in die entsprechende Richtung, nur um ihren langjährigen Begleiter zu sehen, der sich verschlafen, mitten in der Tür, erst einmal ausgiebig streckte. Ein entsprechendes Gähnen ließ scharfe Zähne sehen, von denen Tirzah wusste, dass sie einem Predator durchaus einen Arm abbeißen konnten.
„Und wenn es funktioniert und du wieder deine Ehre hergestellt hast, werde ich nicht vor dir niederknien“, meinte sie, ehe sie sich dann auf ihre Zehenspitzen stellte, um den letzten Abstand zwischen ihnen zu überbrücken. „Nur wenn wir alleine sind.“ Da ging schon die Tür auf und jemand ganz bestimmtes kam zum Vorschein. Das Gehabe des Tieres schaffte es, dass Laryn augenblicklich lachen musste. „Thanos ist wie du, wenn er aufwacht.“
Nur zu gern hätte Tirzah noch etwas zu dieser Andeutung gesagt, doch Thanos lenkte ihn ab. „Wie ich?“, hakte er nach, während er beobachtete, wie der Dusoq sich schüttelte, dass seine vielfältigen Schuppen rasselten, um endgültig wach zu werden. Nach einem letzten Schmatzen trat er mit lautlosen Schritten auf seine Ersatzfamilie zu.
Letztendlich nahm Tirzah seine Hand herunter und strich Thanos über den Kopf, der sich prompt an ihn schmiegte. Seit einigen Jahrzehnten war dieses Wesen ihr beständiger Begleiter. Intelligent, äußerst lernfähig und mutig. Darüber hinaus sehr anpassungsfähig. Innerhalb kürzester Zeit hatte er sich daran gewöhnt, zwischen weitläufigen Welten und der Enge des Schiffes zu wechseln.
Thanos schmiegte sich so vertrauensvoll in Tirzahs Hand, dass sie einfach schmunzeln musste. Sie ließ von ihrem Geliebten ab, um ihn zu streicheln. Sie musste nicht einmal auf die Knie gehen, so groß war er.
„Oh Thanos…“, lobte sie ihn einfach. „Ich sollte dich tatsächlich als Reittier nutzen.“ Um ihn ein wenig wach zu kriegen, klopfte sie liebevoll auf seine Brust und rüttelte spielerisch an ihm, was dafür sorgte, dass sich die Farbe seiner Schuppe änderte und er ein empörtes Schnauben von sich gab.
„Ich glaube, es hat noch niemand in Betracht gezogen, einen Dusoq als Reittier zu nutzen“, grinste Tirzah. Wohl auch noch nicht, ihn als Begleiter zu sehen. Sonst war es nur Beute. Mit den harten und spitzen Schuppen wusste er auch nicht, ob das sonderlich bequem wäre. Doch so oder so, sie würden Aufmerksamkeit erregen. Ein leises Piepsen von der Brücke machte sie darauf aufmerksam, dass das Schiff die Landung vorbereiten wollte. „Es ist soweit.“ Ein letztes, sachtes Streicheln über Laryns Wange und ein Tätscheln Thanos', dann ging Tirzah zurück, um die Landung zu vervollständigen.
Wenige Minuten später war es soweit. Das Schott öffnete sich vor ihnen und offenbarte die vertraute Umgebung von Yautja-Prime. Nicht nur ein Predator hatte seine Aufmerksamkeit dem fremden Schiff zugewandt. Selbst die eine oder andere Waffe war bereits gezückt, doch keiner griff an. Niemand hatte wohl damit gerechnet, Tirzah oder die Menschenfrau wieder zu sehen. Wohl noch weniger mit einem ausgewachsenen Dusoq an ihrer Seite, der bereits lautlos die Zähne als Warnung fletschte.
Laryn ließ Tirzah den Vortritt. Ganz so wie sie es erwartet hatte, starrten sie gleich einige der Predator an. Spätestens jetzt musste ihnen klar sein, dass sie kein Mensch war. Ein Mensch lebte nicht so lange wie sie. Mit einem mehr als nur selbstbewussten und stolzen Gang folgte sie ihrem Gefährten mit kurzem Abstand Richtung Dorfmitte. Ins Ratsgebäude konnten sie nicht gehen, aber sie würden bestimmt nicht lange auf sich warten lassen, wenn die Neuigkeit sie erreichte, dass sie zurückgekehrt waren.
tbc...