Stunden später lag Laryn auf ihrem Bauch und hatte sich auf ihren Unterarmen abgestützt, während sie ihre Umgebung beobachtete. Mittlerweile befanden sie sich nicht mehr auf dem sandigen Boden, sondern auf einem Teil der steinernen Ruinen. Es gab ein paar Dinge, die ihre Fantasie auf Wanderschaft schickten und die sie definitiv mit ihrem Gefährten ausprobieren wollte. Bei dem Gedanke glitt ihr Blick zu ihrer Seite, an der sie Tirzahs nackten Körper spürte. Täuschte sie sich oder wachte er gerade über sie?
Der Stein unter ihnen strahlte trotz der späten Stunde noch die Wärme aus, die er den Tag über von der Sonneneinstrahlung gespeichert hatte. Tirzah genoss diese entspannte Ruhe, die ihn ergriffen hatte. Den einen Arm aufgestützt ließ er, wie seine Gefährtin, den Blick schweifen. Ein Bein besitzergreifend über die ihren gelegt. Würde er sich nur ein kleines bisschen weiter vor lehnen, würde er ihren Körper nahezu völlig mit seinem verdecken, doch das war nicht in seinem Sinn. Zumindest noch nicht... Ihre Blicke trafen sich. Sein Gesicht verzog sich zu einem zärtlichen Lächeln.
Das erste Fruchtbarkeitsfest, das sie offiziell gemeinsam verbrachten, war ein voller Erfolg gewesen. Nicht nur der äußerst zufrieden stellende Sex, sondern vor allem die Demonstration ihrer Beziehung. Nun wusste jedes Weibchen, dass es sich mit Laryn anlegen musste, wenn es ihn lockte und ebenso wusste jedes Männchen, dass er einen ernstzunehmenden Gegner bekam, sollte er sich Laryn nähern wollen. Wenn nun auch noch die Venturas ihren Platz im Rat und damit im Volk bekamen, dann hätten sie alles erreicht, was sie sich vorgenommen hatten.
Tirzah beugte sich noch das kleine Stück weiter vor und raunte seiner Gefährtin zu: „Wie wäre es mit einer Jagd?“ Nicht nur, dass er gerade Lust darauf hatte, es war ebenso der Wunsch nach Zeit zu zweit.
Oh bei den Göttern, die nie existiert hatten! Würde sie sich nicht jeden Tag neu Hals über Kopf in ihn verlieben, so wäre es jetzt hoffnungslos um sie geschehen. Laryn konnte gar nicht anders als sein Lächeln verliebt zu erwidern. Laryn senkte ihren Blick, als sie zu sprechen begann.
"Ich weiß nicht... du warst schon lange auf keiner Jagd mehr. Du könntest völlig aus der Übung sein", zog sie ihn auf. Sie verzog spielerisch abschätzend ihr Gesicht. "Aber angesichts des guten Sex bin ich bereit dich langweiliges Ratsmitglied zu lehren."
Tirzah unterdrückte ein Lachen und ließ stattdessen seine freie Hand über Laryns Seite streichen. „Soso... Mir könnte die Übung fehlen“, wiederholte er. Dabei konnte er nicht verhindern, dass ein wenig des unterdrückten Lachens in seiner Stimme lag. „Wie es aussieht, habe ich zumindest in einer Hinsicht absolut keine Übung mehr. Meinen Schülern Respekt vor dem Ratsoberhaupt beizubringen.“
Laryn zuckte leicht, als er zuerst mit seinen Fingern ihre Seite berührte und dann mit der ganzen Hand. Tirzah gelang es, nicht loszulachen, ihr aber nicht. "Oh, ich habe Respekt vor meinen Geliebten und seiner Ausdauer", meinte sie. "Aber das Ratsoberhaupt hat es noch nicht geschafft, mich zu zähmen." Frech grinsend beugte sie sich vor um ihm einen Kuss auf die Schulter zu hauchen. "Schließlich muss der Ärmste immer vor der Tür warten." Ihr kam ein anderer Gedanke, den sie viel lieber ausführte. Anstatt eines Kusses, biss sie ihn spielerisch.
Damit hatte sie es geschafft, dass er doch noch lachen musste. Ein paar Blicke wandten sich ihnen kurz zu. Es war wohl eine ganze Weile her, dass ihn jemand laut lachen gehört hatte. Und bisher hatte das wohl auch kein Weibchen geschafft. Zumindest nicht so. Tirzah nahm Laryns Hand und zog sie mit sich hoch. Sie sammelten noch einige ihrer Kleidungsstücke auf, die vergessen auf dem Boden lagen. Eigentlich legte Tirzah nur seinen Unterleibsschutz an und half Laryn dann Rock und Oberteil wieder festzuknoten. Er hatte ohnehin nicht vor, große Beute zu machen. Lediglich sein Messer nahm er noch an sich, bevor sie sich gemeinsam auf dem Weg in Richtung Wald machten.
Sie hatten noch nicht einmal die Stadtgrenze erreicht, da hielt Tirzah mitten im Schritt inne. Er hatte doch etwas gehört. Langsam bewegte er sich auf die Seitengasse zu. Von dort war das Geräusch gekommen. Zwischen den Häusern war es beinahe vollständig dunkel.
Laryn blieb ebenso wie Tirzah stehen. Sie fragte nicht warum, auch sie hatte es gehört. Sie zögerte auch nicht und folgte ihrem Gefährten. Ihr verliebtes Lächeln war dadurch erstorben. Ob ein Tier in die Stadt eingedrungen war? Wohl kaum. Und wenn doch sollte sie schnellst möglich dafür sorgen, dass das nicht wieder vorkam. Gerade hier tummelten sich Kinder gerne zum Spiel herum, auch wenn sie von ihren Müttern beobachtet wurden, war es gefährlich. Ein einfaches Weibchen würde niemals schnell genug sein und eine Bestie erlegen.
Kaum bogen sie in die dunkle Gasse, hatten ihre Augen schon eine Gestalt erfasst. Sie erkannte sie sofort und ihr Herz blieb vor Schock stehen. Kein gesundes Weibchen blieb dem Fruchtbarkeitsfestival fern und schon gar nicht sie!
"Was ist passiert?!", verlangte Laryn augenblicklich zu wissen und trat an Tirzah vorbei, zu ihrer Freundin Delia. "Warum bist du hier?!"
Delia hatte an der Wand gelehnt, das Gesicht in den Armen vergraben. Nun sah sie auf. Ihre Mimik spiegelte nicht nur Verzweiflung sondern ebenso Zorn wider, die Hände waren zu Fäusten geballt. Sie wich sogar vor Laryn zurück, als diese näher kam. „Er hat mich verstoßen!“, fauchte sie. „Wäre ich doch nie eine Jägerin geworden!“
Natürlich hatte Laryn inne gehalten, als ihre Freundin von ihr zurückgewichen war. Was sie dann sagte, schaffte es, dass sie ihr Gesicht verzog. Es tat ihr weh, dass sie es bereute, den Weg des Jägers gewählt zu haben, vor allem weil es etwas war, das sie verband. Sie drehte sich halb zu Tirzah um und warf ihm einen unsicheren Blick zu. Sie wusste nicht wirklich, was es wirklich bedeutete, wenn ein Gefährte seine Gefährtin verstieß, aber... es gab das Offensichtliche.
„Das… tut mir Leid, Delia“, gab sie leise zurück. Für einen Moment musste sie selbst ihre Worte zurechtlegen. „Ich weiß, wie es sich anfühlt“, erzählte sie. „Es gleicht als… als würde man in einen Eissee stürzen. Es ist ein Schock und deine Gefühle lähmen dich und dann… beginnt man zu strampeln. Man möchte raus aus dem Dunkeln, aber es… es lässt es einfach nicht zu.“ Laryn machte einen Schritt auf sie zu, die Hände nach ihr ausstreckend erhoben. „Aber ich lasse nicht zu, dass du untergehst, so wie ich einst. Du wirst der Einsamkeit niemals erlegen sein.“ Wieder wartete sie einen Moment, bis ihre Worte ankommen konnten. „Ich werde für dich da sein Delia. Und das beinhaltet, dass du weiter trainierst. Du gehst den Weg der Jägerin weiter. Als Jägerin bist du nicht mehr auf solche wie ihn angewiesen. Du wirst dein eigenes Heim haben, Trophäen und Ehre sammeln.“
Tirzah hielt sich zurück, obwohl er vieles sagen wollte. Doch das wahr wohl eine Sache, die besser unter Frauen blieb. Es war nicht so, dass es ihn kalt ließ, als seine Gefährtin die Einsamkeit beschrieb, die er letztendlich verursacht hatte. Doch er hatte sie nicht verstoßen, aber es war nötig gewesen, dass er sie fortschickte und Rikkar... Rikkar hatte seinen Befehl missachtet und ihr nicht gesagt, dass er für sie zurückkommen würde.
'Solche wie ihn', das stieß ihm sauer auf und er verschränkte die Arme. Er selbst war doch kaum anders als Makish. Vielleicht unterschied sie der Rang und die gewonnene Ehre. Eher die verlorene Ehre. Doch letztendlich waren sie beide Jäger und selbst wenn sich Makish noch einen Harem hielt und er selbst sich an eine einzige Frau gebunden hatte, waren sie doch nicht unterschiedlich. Und auch, wenn Tirzah seine Gefährtin als Jägerin akzeptierte, konnte er es verstehen, dass ein anderer Jäger das nicht einfach so hinnehmen konnte. Und es war alles völlig rechtens während der Festlichkeiten geschehen.
Delia wich einen weiteren Schritt zurück, doch dann blieb sie stehen. Ihre Schultern entspannten sich, ebenso wie ihre Hände. Sie senkte den Blick, doch es war deutlich, dass sie noch immer kämpfte.
Laryn merkte nicht, dass sie ohne dass sie es gewollt hatte, Tirzah beleidigte, so konzentriert war sie auf Delias Wohlergehen. "In der Zwischenzeit wohnst du in meiner Wohnung", sagte sie ihr. "Du musst nicht zu den anderen Weibchen." Nun berührte sie doch ihren Oberarm. "Kopf hoch, Delia. Makish ist doch ein Idiot, wenn er dich verstößt. Du bist das schönsten Weibchen auf diesem Planeten. Von Außen und von Innen. Vielleicht hat er auch Angst, dass du mehr Ehre sammeln wirst als er", scherzte sie liebevoll.
Endlich schaffte Laryn es, dass Delia sie ansah. „Das kann er gern haben“, knurrte sie schon fast. Nun war sie mehr denn je darauf erpicht, eine erfolgreiche Jägerin zu werden. Und wenn Janna es dann immer noch wollte, würde sie sie selbst ebenfalls trainieren, denn ihre Tochter würde bei Makish bleiben. Ganz so, wie es schon immer gewesen war. Delia zweifelte nur sehr stark daran, dass dieser ihrer Tochter gestatten würde, vor der Zeit mit dem Training zu beginnen.
„Und ich kann wirklich bei dir bleiben?“, fragte sie nach. Es war nicht die Unsicherheit, ob Laryn als Freundin für sie da war, sondern eher die Frage, ob sie ihren Clan zurückließ, wenn sie nicht zu den anderen Frauen ging.
"Wenn du das möchtest, darfst du", beantwortete sie ihre Frage. "Bleib wenigstens heute Nacht und morgen bei mir. Dann werden wir bei Einkehren des Alltags sehen, was wir tun können, okay? Vielleicht ist Kryz mit dieser Lösung einverstanden."
„Wir werden sehen“, kam es von Tirzah. Damit war der Rest der Nacht wohl gelaufen. So sollte das Fruchtbarkeitsfest nicht enden. Andererseits konnte er es Laryn nicht übel nehmen, dass sie einer Freundin beistand. Selbst wenn er der Meinung war, dass Delia durchaus bei den ungebundenen Weibchen der Cobras bleiben konnte.
Nein, das war nicht sein Plan für diese Nacht gewesen. Er wandte sich um und ging voraus.
Laryn blickte nur kurz zu Tirzah, ehe sie sich wieder an Delia wandte. „Geh in meine Wohnung und ruh dich aus. Thanos wird über dich wachen“, erklärte sie ihr. Sie würde auch bestimmt verstehen, dass sie sich an ihren Gefährten versprochen hatte, auch ohne, dass sie es aussprach. Mit wenigen Handgriffen löste sie den Computer an ihrem Arm und drückte ihn in ihre Hände. „Mit diesem Knopfdruck werde ich wissen, dass du mich brauchst, okay?“
Es waren diese einfachen Gesten, die Delia mit einem Mal klar machten, dass ihre Freundin als Mutter geboren war. Sie kümmerte sich um die, die sie liebte, selbst wenn diese das nicht wirklich brauchten. Sie war schon länger alt genug, um auf sich selbst zu achten, als Laryn tatsächlich alt war und trotzdem bot sie ihr Unterkunft, Schutz und Fürsorge. Sie sagte nicht, dass sie auch ohne das alles zurecht kommen würde. Es war gut zu wissen, dass ihre Freundin ihr beistehen würde. „Danke“, sagte sie einfach und umarmte sie einen Moment.
Als sie sich löste, nickte sie zu Tirzah, der bereits voraus gegangen war. „Geh zu deinem Gefährten“, sagte sie. „Feiert noch ein wenig...“ Ein etwas schmerzliches Lächeln lag auf ihren Zügen. Sie hätte selbst gern zumindest einen Teil der Nacht mit ihrem Gefährten verbracht.
Laryn erwiderte die Umarmung fest. Als sie sich voneinander lösten, hielt sie sie immer noch an den Oberarmen fest. Sanft lächelte die Jägerin, als Delia sie zu Tirzah schickte.
"Du wirst bald dein eigenes Fruchtbarkeitsfestival feiern", meinte sie. "Und da bin ich mir mehr als nur sicher." Laryn drehte sich um und ging los. Mit einem letzten Blick zurück zu Delia, versicherte sie sich, ob sie tatsächlich gehen konnte. Ihr halbes Lächeln und der kurze Wink beantwortete alles.
Sofort rannte Laryn los, um ihren Gefährten einzuholen. Als sie ihn passierte, stieß sie ihn leicht zur Seite, nur um ein paar Schritte vor ihm sich wieder zu ihm umzudrehen und rückwärts zu gehen. "Bist du lahm geworden! Na los, beeil dich!"
Ein leichtes Schnauben war vorerst die einzige Reaktion, die sie daraufhin bekam. Halb spöttisch, halb amüsiert. Sie beide waren sich bewusst, dass es nur ein Scherz war. Trotzdem beschleunigte Tirzah seine Schritte nicht. Irgendwie war ihm die Lust auf eine Jagd vergangen. Stattdessen beschäftigten ihn andere Dinge. Wie viele Weibchen würden noch von ihren Gefährten verstoßen werden, weil sie sich entschieden Jägerin zu werden? Sie würden weiterhin vom Clan versorgt werden, wie es auch den regulären Jägern zustand, doch sie würden sich alles neu erarbeiten müssen. Ein junges Männchen musste das nicht, es wurde einfach davon ausgegangen, dass er den Weg des Jägers ging. Waren sie wirklich so fortschrittlich, wie er vor den anderen Räten behauptet hatte?
Laryn blieb stehen. Seine Stimmung war anders, als vor wenigen Minuten. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass weder ich noch eine Jagd durch deinen Kopf geht…“, sprach sie ihren Gefährten an. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Tirzah dagegen war, dass Delia vorerst in ihrer Wohnung blieb. Was also konnte es sein, dass er plötzlich so nachdenklich wirkte?
Es fehlte nicht viel, dass er einfach in Laryn hinein gelaufen wäre. Entsprechend brauchte es einen Moment, bis auch ihr Gesagtes bei Tirzah ankam. Resigniert seufzte er, seine Hände umfassten sanft ihr Gesicht. „Wir sollten dieses lästige Ratsmitglied einsperren“, schlug er scherzend vor. „Es verdirbt uns nur die Zeit miteinander.“ Dabei wusste er eigentlich genau, dass er nicht aus seiner Haut konnte. Er saß nun einmal im Rat und diese Verantwortung konnte er ebenso wenig abstreifen, wie er aufhören konnte, ein Jäger zu sein.
Völlig automatisch und vertraut legten sich ihre Hände auf seine Arme, als er ihr Gesicht umfasste. Was er dann sagte, brachte sie dazu das Gesicht leicht zu verziehen. „Ich dachte, du hättest ihn ausgeschlossen“, führte sie den Scherz sanft fort. „Vielleicht sollte ich ein wenig nachhelfen?“ Laryn ließ ihre Fingerspitzen über seine Brust fahren. Sie hatten erst vor wenigen Stunden miteinander geschlafen und sie beide wussten, dass ihnen dabei keine Grenzen gesetzt waren. Weder sein Orgasmus noch ihrer. Allerdings hatte Tirzah die meiste Arbeit und ein wenig zu seiner Entspannung konnte sie beitragen. Ihre beiden Hände strichen über seine Schultern und massierten sie leicht. „Ich könnte dafür sorgen, dass sich das Ratsoberhaupt nach der Jagd vergisst und sich endlich mal wieder entspannt…“
Sanft lächelte er seine Gefährtin an. Sie hatte ja recht. Diese Nacht war dazu da um zu feiern. Nicht um sich mit Problemen herumzuschlagen. „Lass uns jagen gehen“, meinte er leise.
tbc...