Laryn hatte ihre Umgebung aus ihren Gedanken verbannt. Ihre Aufmerksamkeit lag einzig und alleine auf Janna, während sie liefen. „Das stimmt nicht! Ich werde das Lied ganz sicher verstehen! Ich bin alt genug!“
Belustigt schüttelte die Jägerin ihren Kopf. Das hatte sie so nicht gemeint. „Wie wäre es damit? Deine Mama bringt eben die Rüstung zurück und währenddessen werde ich dir einen Teil des Refrains singen. Wie klingt das?“
„Sehr gut!“ Auch ihre Freundin verstand den Wink und ließ ihre Tochter, die sie liebevoll im Arm gehalten hat, nur widerwillig los. Janna hingegen war schon ganz zappelig und völlig neugierig auf das Lied, dass sie ihr gleich vorsingen würde.
Laryn schmunzelte sacht. Zwar zählte sie einst bei ihrem Stamm zu den besten Sängerinnen, aber Yautja-Prime kannte eben andere Tonlagen und andere Rhythmen. Vor allem aber auch eine andere Sprache. Wenn es ums Singen ging, benutzte sie eben immer noch am liebsten die der Erde. Es würde Janna also wahrscheinlich nicht gefallen. Aber wenn sie es ihr schon versprochen hatte...
„Und wenn du gehen musst, erlöscht das Feuer meines Lebens
bis du mich des Nachts mit dem Regen deiner Leidenschaft erneut entfachst.
Lass mich deine Jagd des Lebens sein,
sodass ich niemals der Gefahr erliege
eine Tränen befleckte Rüstung zu sehen.
Nimm mir die Angst der Einsamkeit
und führe mich mit deinen Händen in meinem Himmel.“
Als Delia zurückkam, hörte sie gerade noch die letzten Worte. Die Melodie klang äußerst fremd in ihren Ohren und ebenso die Worte. Sie konnte es nicht zuordnen, doch sie glaubte Sehnsucht darin zu hören. Ihrer Tochter schien sich schwerer damit zu tun. Sie sah zu Laryn auf. Das Gesicht nachdenklich verzogen. „Das ist ein komisches Lied“, stellte sie fest.
„Janna!“, kam es tadelnd von Delia. „Ich glaube nicht, dass Laryn ein 'komisches Lied' über ihren Gefährten singen würde.“ Sie sah zu ihrer Freundin, das Schmunzeln konnte sie nicht unterdrücken. Liebevoll nahm sie die Hand ihrer Tochter.
Laryn nahm es Janna natürlich nicht übel. Sie lachte einfach. „Ich sagte doch, du wirst es nicht verstehen. Es ist eine Sprache, die nicht auf Yautja-Prime gesprochen wird.“
„Aber wo dann?“
„Das ist eine Geschichte für ein anderes Mal“, versuchte sie abzuwehren, nicht sicher, ob sie es überhaupt verstehen würde und ob sie es ihr erklären durfte.
„Auf der Erde wird diese Sprache gesprochen“, meldete sich plötzlich eine tiefe Stimme, die es schaffte, dass sich alle Drei umdrehten. Rhutvak ging vor dem Mädchen auf die Knie und lächelte sie an. „Das ist ein Planet, sehr weit weg. Laryn ist dort aufgewachsen. Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Janna. Ich bin Rhutvak.“
Nachdenklich sah Delia ihre Freundin an. Ob das ihre Muttersprache war? Bevor sie nachfragen konnte, erschien Rhutvak. Unwillkürlich trat Delia einen halben Schritt zurück und grüßte den großen Jäger respektvoll. Dieser hatte sich jedoch so locker vor Janna hingekniet, dass sie sich sofort lächerlich damit fühlte. Trotzdem konnte sie nicht den Blick von ihm lassen. Gegen Ende des Trainings hatte sie noch den Gedanken gehegt, dass sie es möglicherweise doch wagen könnte, ihn zu locken, doch nun, da er vor ihr stand, mehr oder weniger, verflog ihr Mut.
Janna sah eingeschüchtert zu dem Riesen auf. Selbst da er vor ihr kniete, war er riesig! Aber er klang bei weitem nicht so hart wie Tirzah und so wagte sie es. So wie Laryn es ihr gezeigt hatte, legte sie die rechte Hand auf die linke Schulter und neigte ihren Kopf. Hoffentlich hatte sie es auch richtig gemacht.
Rhutvak lachte leise auf den kindlich-unerfahrenen Gruß. Sacht legte er dem Kind die Hand auf den Kopf. „Ich hoffe doch sehr, dass es dir jetzt nicht die Sprache verschlagen hat“, grinste er. Ob sich die anderen Männchen bewusst waren, welches Geschenk Kinder darstellten? Wohl bestimmt nicht so sehr, wie seinem Clan. Über Jahrtausende waren einstige Selbstverständlichkeiten zu Besonderheiten geworden. Wie das muntere Plappern eines Kindes, das noch die Welt entdeckt.
Laryn verschränkte ihre Arme und sah Rhutvak mit einem gewissen Grinsen an. Was tat er denn da? Wusste er denn sonst nicht, wie er Delia ansprechen konnte? Als sie zu ihrer Freundin sah, merkte sie, dass diese tatsächlich nicht wusste, wohin mit sich. Wie leicht es ihr doch geworden war, sie zu lesen. Es war, als würde sie sie schon ewig kennen. "Gut gemacht", lobte Laryn Janna, die unter der Hand des Venturas kicherte. Sogleich packte das Mädchen ein paar seiner Finger und musterte ihn neugierig. So nah war sie wohl noch keinem Venturas gekommen. "Erzählst du mir mehr von der Erde?", fragte sie sogleich.
Rhutvak lachte. „Wenn du möchtest, erzähle ich dir von der Erde“, gab er sein Einverständnis. „Aber...“, machte er sehr bedeutungsvoll. Er stand auf und hob Janna hoch. Als ob es das Selbstverständlichste wäre, setzte er sie auf seiner rechten Schulter ab. Seine Rüstung war dort so breit, dass das Mädchen bequem darauf sitzen konnte. Trotzdem hielt er sie vorsorglich mit der Hand fest. „Wie wäre es, wenn du dir sie eines Tages selbst ansiehst?“ Er sah zu Delia und dann wieder zu Janna. Fast verschwörerisch. „Aber ich glaube, dafür musst du noch ein bisschen wachsen, damit dir auch so eine schicke Rüstung passt und dir auf der Erde nichts passiert? Oder was meinst du?“
Als würde Janna ihn schon ewig kennen, hielt sie sich bei ihm fest. Sie hatte eindeutig ihren Spaß daran, plötzlich größer wie er zu sein. "Ja!", rief sie begeistert aus. Aber das Wort 'warten' gefiel ihr immer weniger. Sie verzog das Gesicht nur kurz, da kam ihr schon eine Idee und ihre Miene strahlte wieder. "Wir können ja gemeinsam dahin! Dann können wir gleich los! Gehn wir, Mama? Bitte bitte bitte!"
Laryn lachte leise und blickte zu Delia, die wohl ihre eigene Zunge verschluckt hatte. Und sie als ihre Freundin hatte nicht im Geringsten vor, ihr zu helfen.
Delia konnte sich ein leichtes Lachen nicht verkneifen, als Janna so bettelte. „Ich denke, es ist besser, wenn wir warten“, stimmte sie Rhutvak zu, schaffte es jedoch nicht, ihm gerade ins Gesicht zu sehen, sondern konzentrierte sich auf ihre Tochter. „Dann können wir vielleicht zusammen dort jagen.“ Das leise Lachen des Jägers daraufhin ließ ihr einen angenehmen Schauer den Rücken hinunter laufen. Was sie jedoch noch mehr beschäftigte war die Frage, warum sie so keine Befürchtungen hatte, ihm Janna anzuvertrauen. Normalerweise hatte sie größeren Beschützerinstinkt, was ihre Tochter anging, doch Rhutvak... Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, dass dieser ihr absichtlich oder gar durch Leichtsinn schaden könnte. Es war... verrückt...
Unwillkürlich sah sie zu Laryn. Diese hatte das selbe von ihrem Gefährten behauptet.
Janna seufzte übertrieben schwer. "Na gut", murrte sie. Sie ließ sich auch nur auf die Aussicht, dass sie alle gemeinsam gingen, so schnell breitschlagen. "Begleite uns doch, Rhutvak", meinte Laryn dann plötzlich, was das Mädchen noch mehr freute. Er war ihr sympathisch und sie könnte noch ein wenig so riesig bleiben, wie sie gerade war. Die Jägerin wartete nicht einmal auf eine Antwort, sondern ging einfach los. Für einen Moment herrschte Stille. Dann war es das Kind, dass als erstes wieder zu reden begann: "Hast du eine Gefährtin?", erkundigte sie sich bei dem Venturas.
Lachend folgte Rhutvak mit Janna auf seiner Schulter. Das Kind war dreist in seinen Fragen und halsstarrig im Verfolgen ihrer Ziele. Sollte sie tatsächlich den Weg einer Jägerin wählen, konnte das durchaus von Vorteil sein. Doch so leicht war er nicht zu knacken. „Warum willst du das denn wissen?“, fragte er einfach zurück.
Delia folgte derweil mit einem Schritt Abstand. Eigentlich wollte sie Janna nicht zu Makish bringen, doch so war es eben. Immerhin hatte Tirzah versprochen, dass sie sich öfter sehen konnten. Gleichzeitig wollte sie ihre Tochter herumtragen und an sich drücken, so lange sie die Zeit dazu hatte. Nur wollte sie ihr nicht den Spaß verderben und ebenso sah sie, wie wohl sich der Venturas mit dem Kind fühlte. Er ging ganz anders mit ihr um, als Makish es tat.
Janna strich über einen Ring, der Rhutvaks Dreads zierte. Er sah schön aus und hatte ein tolles Muster. "Weil du dann um meine Mama werben könntest", meinte sie, woraufhin sie Laryns Lachen hörte. Wieso war das denn so lustig? Sie entschied sich dazu, es zu ignorieren. "Das wäre doch schön! Meine Mama kann sehr gut singen und tanzen. Sie kocht sehr leckere Sachen und sie hat mir immer Geschichten erzählt, wenn sie mich ins Bett gebracht hat. Ich bin mir sicher, dass sie dasselbe auch für dich tun würde. Mama könnte bei dir wohnen und ich vielleicht bei euch und dann können wir gemeinsam auf die Jagd gehen!"
Die direkte Antwort ließ Rhutvak erneut lachen. Vor allem die Vorstellung, dass ihn ein Weibchen ins Bett bringen würde, als wäre er noch ein kleines Kind. Nein, das sah inzwischen wohl anders aus. „Warum sollte mich eine Gefährtin davon abhalten, um deine Mutter zu werben?“, tat er ernst. Für einen Augenblick sah er jedoch über seine Schulter zu Delia.
Diese spürte sofort dieses wohlige Kribbeln in ihren Fingerspitzen. Für einen Moment lang erwiderte sie den Blick, doch dann sah Rhutvak wieder auf den Weg vor sich. Sie wünschte sich, dass er um sie werben würde und gleichzeitig scheute sie doch davor zurück. Warum wusste sie selbst nicht genau. Weil sie wieder verstoßen werden könnte? Vor dem nächsten Fruchtbarkeitsfest konnte das auch nicht ohne Einverständnis beider Partner geschehen und es war doch auch nicht wirklich ungewöhnlich. Sie würde ganz sicher einen neuen Gefährten finden. Sofort wisperte eine leise Stimme, dass es wundervoll wäre, wenn es Rhutvak wäre. Er schien auch nicht dagegen zu sein, dass sie als Jägerin leben wollte.
Janna wollte schon aufgeregt rumhüpfen, als ihr wieder einfiel, dass sie noch auf den Schultern von Rhutvak saß. Lachend stützte sie sich einfach auf seiner Schulter ab. "Ich bin einverstanden, wenn du um sie werben willst. Ich mag dich", plapperte sie munter weiter. Sie konnte auch nicht sagen, wieso sie ihn mochte. Da war einfach das Gefühl, dass ihre Mama sich bei ihm wohlfühlen würde. So wohl, wie sie auf seinen Schultern. "Aber mir wäre es lieber, wenn du nur Mama als Gefährtin hättest. Wäre es dir denn nicht auch lieber, wenn Mama nur dich als ihren Gefährte hätte?"
„Ich denke, das wirst du verstehen, wenn du älter bist“, gab er schmunzelnd zurück. Es war nun einmal so, dass ein Männchen mehrere Weibchen als Gefährten haben konnte. Zumal es ohnehin Tatsache war, dass letztere den weit größeren Teil der Bevölkerung ausmachten. Es war schon selten, dass sich ein Männchen an nur ein Weibchen band und auch das geschah meist erst, wenn sie ein gehobeneres Alter erreicht hatten. So wie er selbst und auch Tirzah. Dabei spielte wohl das Bedürfnis nach einer echten Partnerschaft eine Rolle und nicht mehr Vorrangig die Fortpflanzung.
„Janna...“, versuchte Delia ihre Tochter zu bremsen. Wobei sie nicht leugnen konnte, dass es sie freute, dass sie 'einverstanden' war. Dabei hatte das doch noch Zeit. Nun wollte sie sich erst einmal auf ihre Ausbildung als Jägerin konzentrieren, danach konnte sie ja wieder daran denken, sich einen Gefährten zu suchen. Wobei sie die beeindruckende Gestalt des Jägers vor sich sicher zu schätzen wüsste.
Laryn lauschte schweigend und die meiste Zeit grinsend dem Gespräch zwischen dem Venturas und dem Mädchen. Sie war froh, dass es weder für Tirzah noch für sie selbst in Frage kam, mehrere Gefährten zu haben. Sie war sich auch sicher, dass es niemals einen Predator oder Mann für sie geben könnte, der sie so gut verstand und mit dem sie so viel Spaß haben konnte. Ihr Gefährte war anfangs doch sehr ernst gewesen, aber je mehr Zeit sie mit ihm verbracht hatte, desto mehr hatte sie ihn zum Lachen bringen können. Und auch heute genoss sie es, wenn sie es schaffte, ihn aufzuheitern. Sie nahm sich vor, ihm später ihre Gedanken mitzuteilen. Er würde sich wieder äußerst geschmeichelt fühlen und gerade nach einem langen Tag im Rat, konnte er dies bestimmt gut gebrauchen.
Janna selbst ignorierte scheinbar die Aussage von Rhutvak und plapperte einfach vor sich hin. Ein paar Sterne ließen sich am Himmel schon sehen, als sie beim Haus von ihrem Vater angelangt waren. Prompt verstummte sie. Automatisch hielt sie sich fester an dem Venturas fest. Sie war sich bewusst, dass es Ärger geben würde, weil sie einfach so gegangen war...
Rhutvak spürte deutlich, wie sich Janna an ihm festhielt. Er wollte schon fragen weshalb, da ging schon die Tür auf und Makish trat heraus. „Janna!“ Er hielt im Schritt inne, als er den Venturas erblickte, doch dann richtete er sich auf. „Wo bist du gewesen, Janna?“, fragte er streng.
Delia trat vor. „Sie war bei mir“, antwortete sie für ihre Tochter. „Sie hat Interesse an dem Training und das kann ihrer Entwicklung nur gut tun.“
Laryn blickte zu Delia und schüttelte sacht den Kopf. Das war kein guter Anfang und sie wusste auch, warum Tirzah wollte, dass sie mitging. Nicht um Makish herauszufordern, im Gegenteil. Bevor der Jäger noch ein Wort sagen konnte – was in diesem Moment nur Delias Nachteil sein konnte – trat sie vor und neigte leicht ihren Kopf zum Gruß. Ganz so, wie es unter Jägern mit verschiedenen Rängen gang und gäbe war. „Dennoch ist es nicht unser Ziel, Janna in Gefahr zu bringen und gegen deinen Willen als ihren Vater zu handeln. Vergib mir, dass meine Worte, die ihr Mut machen hätten sollen, solche Taten hervorgerufen haben."
Es war lediglich zugunsten der Höflichkeit, dass Makish den Gruß Laryns erwiderte. Auf ihre Worte sah er von ihr zu seiner einstigen Gefährtin und wieder zurück. Er nickte und akzeptierte damit die Entschuldigung, obgleich es ihm widerstrebte. Es genügte, dass einer seiner Gefährtinnen diese seltsame Idee hatte, seine Töchter sollten dieser verrückten Idee nicht auch noch verfallen.
In diesem Moment kam ein anderes Weibchen hinter ihm heraus. „Janna!“, rief sie aus, als sie das Kind gewahrte. „Du kannst doch nicht einfach weglaufen. Wir haben uns Sorgen gemacht!“
Makish ergriff die Gelegenheit. „Bring Janna hinein, Pola“, befahl er ihr. „Und das nächste Mal passt du besser auf sie auf!“
Laryn drehte sich zu Rhutvak um. Janna entkam ein kümmerlicher Laut, als Pola sich näherte und klammerte sich nur noch mehr an dem Venturas fest. Mit einem stummen Seufzen drehte die Jägerin sich zu Makish um. „Gestattest du mir, eine Idee zu dem Geschehenen zu äußern?“, fragte sie.
„Janna...“, sagte Rhutvak sanft und hob das Kind von seiner Schulter. Sie hielt sich an seinen Dreads fest, doch er ignorierte das Ziepen und setzte sie dennoch ab. Einer seiner goldenen Schmuckringe blieb in ihrer kleinen Hand zurück. Er kniete sich vor sie, wie er es schon zuvor getan hatte. „Es ist sehr wichtig, seinen Erzeuger zu ehren“, ermahnte er sie ernst. „Wie kannst du irgendwann Respekt von anderen verlangen, wenn du nicht bereit bist, ihn zu zollen?“
Augenblicklich wurden Jannas Augen glasig und ihre Stimme brüchig. „Ich… ich-… will ja! Aber wenn ich jetzt mit Pola gehe, werde ich nie wieder Mama sehen! Mir fehlt sie doch so!“ Das Mädchen gab scheinbar auf, sich Rhutvak zu erklären und wandte sich Delia zu. Sofort streckte sie ihre Hände nach ihr aus. „Mama!“
Natürlich beugte sich Delia zu ihrer Tochter hinab und schloss sie in ihre Arme. „Janna...“, raunte sie sanft und drückte sie an sich. Sie wollte sie doch selbst einfach nur mit sich nehmen.
Rhutvak richtete sich wieder auf und trat einen Schritt zurück. Das war eine Familienangelegenheit und darin wollte er sich nicht ungebeten einmischen. Er hatte eine Ahnung, dass er den Schmuckring nie wieder sehen würde, doch das störte ihn nicht. Sollte das Mädchen ihn ruhig behalten.
Makish wandte sich an Laryn. „Es ist allein deine Schuld, dass die Weibchen überhaupt auf die verrückte Idee gekommen sind, Jägerinnen werden zu wollen“, knurrte er gezwungen beherrscht. „Ich werde nicht zulassen, dass meine Töchter diesem Wahnsinn folgen.“ Er sah zu seiner Gefährtin. „Pola, bring Janna endlich hinein. Und was dich angeht Delia.“ Er machte nicht einmal einen drohenden Schritt auf sie zu, seine Stimme war Drohung genug. „Es genügt, dass du dein Leben weggeworfen hast, doch ich werde nicht zulassen, dass du meine Tochter da mit hinein ziehst.“
Pola machte einen Schritt auf Delia und Janna zu. „Komm Janna, es ist besser, wenn wir jetzt hinein gehen“, schlug sie vor und streckte die Hand aus.
Laryn blieb ruhig, auch wenn die Wut sie dazu zwang, die Hände zu Fäuste zu ballen. So schnell sie auch gekommen war, verbannte sie sie wieder aus ihrem Kopf. Von Makish ließ sie sich nicht einschüchtern und ignorierte es ebenso, dass er ihr es verweigerte, ihre Idee zu äußern. Tirzah würde das regeln, da war sie sich sicher.
"Die Predator sind ein starkes und freies Volk. Jeder sollte entscheiden dürfen, welchen Weg er geht. Deiner war hart und ehrenvoll. Ich kenne deine Geschichten und dafür respektiere ich dich. Aber auch mein Weg war lang und hart. Ich habe viele Jagden bestritten und ich werde es auch weiterhin tun. In meinen Augen ist es nur gut, dass die Weibchen sehen können, was für ein Leben ihre Gefährten führen. Umso mehr wissen sie ihre Gesellschaft zu schätzen und zollen ihnen wirklich den Respekt, den sie verdienen. Auch für dich wäre es kein Nachteil, eine Jägerin als Gefährtin zu haben. So könntest du gleich sehen, ob sie in der Lage ist, dir starke Kinder zu schenken. Deine Söhne und Töchter würde alles Wissen über die Jagd in die Wiege gelegt. Aber ich bin nicht hier um dich zu überzeugen und ich weigere mich, mich mit dir über diese Respektlosigkeit gegenüber Delia und mir zu streiten. Ich wollte dafür sorgen, dass Janna sicher zu ihrem Vater kommt, mein Gewissen ist beruhigt. Solltest du dich überzeugen wollen - sei es von deinem Glauben oder meinen Worten - findest du mich jeden Tag auf dem Trainingsplatz." Laryn neigte den Kopf und wandte sich ohne ein weiteres Wort an Janna, die sich verzweifelt an ihrer Mutter festhielt. "Janna... ich habe dir heute etwas über Respekt beigebracht und denke ebenso an die Worte von Rhutvak. Zolle deinem Vater Respekt. Er sorgt sich um dich und dein Wohlergehen, da ist das Mindeste, was du tun kannst, ihm zu gehorchen. Höre auf ihn, Janna und akzeptiere die Strafe, die du für deine Taten erhalten wirst."
Janna begann zu schluchzen, löste sich aber von ihrer Mutter. Dann drehte sie sich um. Pola reichte ihr die Hand, aber sie ergriff sie nicht. Ihre Mama war nicht zu ersetzen. Also stellte sie sich einfach vor ihrem Vater hin und... zollte ihm Respekt. Genauso, wie sie es bei Tirzah und Rhutvak gemacht hatte. "Tut mir leid, dass ich-... dass ich ohne deine Erlaubnis gegangen bin. Ich werde in Zukunft gehorchen."
Makish gönnte Laryn keine einzige Silbe zur Antwort. Für einen Moment sah er auf seine kleine Tochter hinab, die ihn grüßte, dann schob er sie ins Haus. Pola folgte ihr auch ohne Aufforderung. Nicht einen letzten Blick gönnte er den anderen. Die Tür schloss sich hinter ihm und das war wohl ein noch deutlicheres Zeichen, als das Schweigen.
Delia hockte noch immer auf dem Boden. Sie schüttelte sacht den Kopf. Sie würde nicht zulassen, dass Makish ihr ihre Tochter entzog. Das konnte sie nicht zulassen. Lieber gab sie ihren Traum Jägerin zu sein für eine Weile auf auf, aber niemals ihre Tochter.
Rhutvak hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Das war nicht richtig. Ein Jäger sollte seine Gefährtin nicht verstoßen, weil sie dem Weg des Jägers folgte.
Laryn reagierte nicht. Womöglich hatte sie es geschafft, ihn zum Nachdenken zu bringen. Hoffentlich. Gegen sie konnte er sich wehren, nicht aber gegen Tirzah. Sollte Makish es sich aber anders überlegen, so war sie sich sicher, dass Delia keinem Werben seinerseits stattgeben würde. Tröstend legte sie ihrer Freundin die Hand auf die Schulter. "Tirzah wird sich darum kümmern", sagte sie.
Sie sah zu ihrer Freundin auf. Einen Moment später stand sie auf und straffte die Schultern. „Ich werde nicht zulassen, dass er mir meine Tochter wegnimmt“, legte sie fest. „Tut mir leid, Laryn“, entschuldigte sie sich, ohne sie jedoch anzusehen. „Ich kann Janna nicht aufgeben.“ Sie wandte sich um und ging.
Laryns Gesicht spiegelte nichts von ihren Gefühlen wieder, als Delia das Jägerdasein hinschmiss, nein, sogar ihre Zeit mit Füßen trat. Sie ließ sie ziehen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. All ihre Energie und Zeit hatte sie in Delia gesteckt. Ressourcen, die sie nun viel lieber in ihren Rang gesteckt hätte. Die Wut in ihr schaffte es, dass sie sich schwor, sie nie wieder zu unterrichten. Sollte sie doch tun, was sie wollte! Weit würde sie sowieso nicht kommen. Sie konnte nicht zum Rat und um Hilfe bitten, sie konnte nur noch in eines dieser Häuser gehen. Sollte sie doch zu den hilflosen Weibchen kriechen! Andererseits hörte sie auch eine kleinlaute Stimme in ihrem Kopf, die ihr sagte, dass sie es ihr nicht verdenken konnte. Nicht, wenn ihre Tochter der ausschlaggebende Punkt war. Aber mit diesem Schritt hatte sie auch die letzte Möglichkeit vertan, frei zu sein. Ihre widersprechenden Gefühle frustrierten sie!
Die Jägerin schnaubte und ging zurück zum Trainingsareal. Mal sehen, was Tirzah mit ihren restlichen Schülerinnen angestellt hatte. Je weiter sie ging, desto mehr kochte sie über das, was Delia getan hatte. Wieso war sie überhaupt zum Rat gegangen und hatte dafür gekämpft, sie unterrichten zu dürfen? Delia war die Würdigste gewesen! Dann war sie ja gespannt, wie schnell die anderen Schülerinnen sie hintergehen würden.
tbc...