Laryn ließ keuchend ihre Trophäen beim Schott im Schiff fallen. Natürlich hatte sie das Ganze nicht unbeschadet überstanden, aber sie hatte es überstanden. Nein, sie war sogar erfolgreich gewesen. „Wie viele Schädel sollte ich gleich nochmal bringen?“, fragte sie, nachdem sie Atem geschöpft hatte, unnatürlich ruhig. Die Schmerzen ihrer Verletzungen ignorierte sie. Erst, sobald sie in ihrem Gemach war, würde sie es zulassen, zu ruhen und zu heilen.
Sie war vor Ablauf der Stunde zurück. Wäre dem nicht so gewesen, hätte Tirzah alles daran gesetzt, dass sie noch warteten. So aber überraschte Laryn die Prüfer mit ihren Trophäen. „Einen“, bekam der Vertreter der Cobras heraus, bevor er zur Seite trat und sie hinein ließ. Vechar war schon längst in seinem Quartier und versorgte seine Wunden. Im Gegensatz zu dessen Ankunft hatte dieses Mal auch Tirzah vor dem Schiff gewartet. Worte könnten nicht mehr ausdrücken wie stolz er tatsächlich auf seine Gefährtin war und gleichzeitig wollte er sie so schnell wie nur möglich aus der Sichtweite der anderen bringen, um sich angemessen um ihre Verletzungen zu kümmern.
Anstatt sie jedoch ihre Trophäen alleine ins Schiff tragen zu lassen, kam er zu ihr und hob drei davon auf. „Dann kann ich mich ja um die restlichen drei kümmern“, meinte er ruhig. Niemand hinderte sie daran, das Schiff zu betreten, auch wenn Tirzah die Blicke der anderen im Rücken spürte.
Als Laryn Tirzah sah, wollte sich schon ein siegesreiches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreiten, aber sie schaffte es, es ersterben zu lassen, bevor es sich überhaupt erst zeigte. Später. Sie wartete geduldig darauf, dass ihr erlaubt wurde, in ihr Quartier zu gehen, was ihr sogleich auch gesagt wurde. Ruhigen Schrittes war sie an ihren Gefährten vorbei getreten, auch wenn sie ihm am liebsten lachend in die Arme gesprungen wäre. Stattdessen trat sie in ihren eigenen Raum und blieb stehen. Ihre Haut brannte an mehreren Stellen so furchtbar, dass sie am liebsten ihr Fleisch von ihren Knochen gerissen hätte, nur damit es aufhörte. Einer ihrer Körperteile fühlte sich so an, als wäre er fast mehr als geprellt. Ihre Rippen schmerzten, genauso wie ihr Rücken.
Fürs erste aber atmete Laryn einfach nur durch und schloss ihre Augen. Es war vorbei. Sie hatte es geschafft. Ihre Finger fanden ihr Haarband und zogen es völlig heraus. Ohnehin hatten sich ein paar Strähnen im Kampfgefecht gelöst. Sanft nur fuhr sie sich durch ihre Haare, um den Zopf vollständig aufzulösen.
Ohne Anzuklopfen betrat Tirzah das Quartier und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Auf den ersten Blick sah er, wie geschafft seine Gefährtin war. Nein, nicht einfach nur geschafft, sie war verletzt. Er trat an sie heran. Wie von selbst fanden seine Finger die Strähnen ihrer dunklen Haare. Sie fühlten sich nicht so seiden an wie sonst. „Das hast du gut gemacht“, raunte er leise. „Ich bin so stolz auf dich, Jägerin.“ Es war zu schade, dass sie nicht Zuhause, auf ihrem eigenen Schiff waren. Dort hätte er das Medkit gehabt und die Salbe, die gegen so ziemlich jede Art von Schmerzen half. Doch zuerst musste Laryn vor den Rat, wo er auch gleichzeitig mit ihrer Anerkennung als Jägerin seinen Platz einfordern würde.
Laryn konnte Tirzah ganz genau riechen, als er das Quartier betrat. Das war wohl auch der Grund, warum sie ihre Augen noch geschlossen hielt. Es gab keinen Grund, sie zu öffnen. Sie vernahm auch, dass er die Tür sorgfältig verschloss, was glatt dafür sorgte, dass sich ihre Mundwinkel - wenn auch schwach - nach oben zogen. Als sie seine Finger in ihrem Haar spürte, seufzte sie auf. Da nannte ihr Gefährte sie plötzlich ‚Jägerin‘ und schaffte es, dass sie ihre Augen doch öffnete und zu ihm sah. Eine Jägerin...
Diese Reaktion, die noch von völligem Unglauben zeugte, ließ Tirzah lächeln. Nach all der Zeit und all den Widerständen und Unmöglichkeiten hatte Laryn es geschafft und stand als Jägerin vor ihm. Ganz so, wie er es ihr einst versprochen hatte. Ganz sacht nur berührte er sie an dem Arm auf dem das Zeichen prangte. „Du hast deine Beute erlegt und dein Zeichen gewählt“, sagte er leise und aus jeder einzelnen Silbe sprach Stolz. „Dem Rat wird nichts anderes übrig bleiben, als deinen Rang anzuerkennen.“
Tirzah schaffte es, sie zum Lächeln zu bringen. Als er ihren Arm berührte, hob sie ihn ein wenig, damit er es betrachten konnte. Das erneute Brennen, das dadurch über ihren ganzen Körper wanderte, ignorierte sie. Sie hatte ihm nichts davon erzählt, dass sie eines wählen und tragen würde.
„Das hier symbolisiert den Mond…“, erklärte Laryn leise und deutete auf den Halbkreis. „… und das den See. Es repräsentiert uns.“
In diesem Augenblick wollte Tirzah nichts sehnlicher, als seine Gefährtin in die Arme zu schließen, doch er ließ es bleiben. Sie litt ganz offensichtlich Schmerzen und dazu kamen noch die, die sie nicht offen zeigte. „Eine gute Wahl“, sagte er stattdessen. Es war nicht ein Zeichen, das einen ganzen Clan symbolisierte, denn sie beide würden nie wieder einem angehören. Es symbolisierte nur sie beide und mehr würde es nicht werden. Einerseits ein trauriger Gedanke, vor allem da dahinterstand, dass Laryn nie Kinder haben konnte, doch andererseits war es damit auch etwas absolut einzigartiges, das nur ihnen beiden gehörte. So wie die Nacht am See.
„Ruh dich aus, Laryn“, riet er ihr. „In ein paar Stunden sind wir auf Yautja-Prime und du wirst deine Beute präsentieren müssen.“ Und danach... Nein, eigentlich rechnete er nicht damit, dass er sofort danach mit ihr in ihr eigenes Schiff zurückkehren konnte. Möglicherweise würde er seinen Platz einnehmen müssen. Thanos sprang vom Bett herunter, auf dem er es sich bequem gemacht hatte und tappste zu Laryn. Zärtlich schleckte er über ihre Hand.
Laryn nickte auf Tirzahs Rat und tätschelte Thanos Kopf. Doch anstatt sich gleich hinzulegen, wollte sie sich noch um die schlimmsten Wunden kümmern. Als das geschafft war, ging sie ins Bett. Sie war sogar eingeschlafen, wachte aber rechtzeitig auf, als das Schiff mit dem Landeanflug begann. Sofort kämpfte sie sich auf. Nur kurz verzog sie ihr Gesicht, als sie das Brennen der Säure immer noch spürte, trat dann aber gleich auf die Brücke. Es war so weit…
Tirzah hatte das Quartier wieder verlassen, nachdem sich Laryn hingelegt hatte, und war auf die Brücke gegangen. Die anderen wussten offenbar nicht mehr sicher, wie sie sich im gegenüber verhalten sollten. Noch war er ein Verbannter. Ehr- und clanlos. Andererseits kannte ganz Yautja-Prime die Bedingungen dieser besonderen Initiation und das machte ihn zu einem Ratsmitglied, dem man den höchsten Respekt erweisen sollte. Irgendwie amüsierte Tirzah diese Unsicherheit. Es hätte niemals so weit kommen müssen, nun mussten sie damit leben. Er hatte sich jedenfalls vorgenommen, nicht nachtragend zu sein, wo es unangemessen war. Es gab nur zwei Jäger, mit denen er und Laryn noch eine Rechnung offen hatte. Rikkar und Rhazad. Beide würden noch bereuen, was sie ihnen angetan hatten.
In einer Art Prozession zogen sie vom Flugfeld zur Halle der Räte. Ganz voran die Prüfer, danach folgten die Initianten. Tirzah bildete mit Thanos freiwillig das Schlusslicht. Nicht, weil er sich auf den letzten Platz verweisen lassen würde, sondern weil die Anerkennung seines Platzes erst nach Laryns Rang erfolgen konnte.
Das erste Mal seit seiner Verbannung betrat er die Halle der Räte. Es hatte sich nichts geändert. Die Prüfer traten vor und berichteten. Danach wurden Vechar und Laryn nach vorn gebeten.
Vechar präsentierte sein Mal, dass ihn für alle Zeit dazu kennzeichnete, zum Zamteh-Clan zu gehören. Die Ratsmitglieder nickten, als sie hörten, wie es gelaufen war, sagten daraufhin aber nichts. Als deren Blicke auf sie trafen, trat Laryn hervor und erwies dem Rat allen Respekt, indem sie den Kopf neigte, ihre rechte Hand zur Schulter führte und sich leicht verneigte. Sie präsentierte nur einen Schädel. Sollten sie nach den anderen fragen, würde sie ihnen auch diese zeigen. Die Prüfer erzählten, dass sie Beschützerinstinkt, Geschicklichkeit, Kraft, Intelligenz und Teamgeist bewiesen hatte. Sie berichteten auch von dem körperlichen Unterschied, der bis zum Aussehen zu den Menschen völlig unterschiedlich war. Sie war stärker und besser als diese schwachen Wesen und nun hatten sie den Beweis.
Kryz erhob sich. „Vechar vom Clan der Zamteh, Laryn...“ Er hielt einen Moment inne. Die üblichen Worte gab es hier nicht. Doch dann hatte er sich gefangen. „Laryn, clanloses Kind der Venturas, hiermit habt ihr euch euren Platz im Volk verdient. Ab heute seid ihr vollwertige Jäger mit allen Rechten und Pflichten. Ihr mögt eine Familie gründen und frei jagen.“ Damit war die offizielle Zeremonie vorbei. Nun kam etwas, das noch niemand von ihnen getan oder erlebt hatte.
„Tirzah“, Kryz wandte sich an den ehemaligen Cleaner der Cobras. „Clanlos, entehrt und verbannt, du hast den Platz eines Unabhängigen im Rat verlangt. Die Bedingungen sind erfüllt. Ab sofort bist du ein Ratsmitglied. Ab morgen wird dein Sitz hier auf dich warten.“ Damit setzte sich der Älteste wieder. Es war offensichtlich, dass nicht alle einverstanden waren, doch sie hatten keine Wahl, wenn sie nicht ihr Gesicht verlieren wollten.
Respektvoll neigte Tirzah den mächtigen Kopf und grüßte den Rat. Nach einem kurzen Blick zu Laryn ging er. Er hatte erreicht was er wollte, doch irgendwie hatte er mit einem Mal ein schlechtes Gefühl dabei. Und das kam nicht nur von den teils unfreundlichen Blicken des Rates. Er hatte sich so lange gegen eine Platz unter ihnen gewehrt und nun hatte er ihn sich dennoch erkämpft. Hoffentlich war der Preis nicht zu hoch.
Auch Laryn verabschiedete sich von dem Rat. Unzählige Blicke folgten ihr, als sie in Richtung Schiff ging. Es war ihr zu Hause für Jahrzehnte gewesen. Aber jetzt stand ihr ein Haus zu, ebenso wie Tirzah. Sie mussten wohl anfangs getrennt leben, Schülerin hin oder her. Wäre es nicht seltsam, wenn sie dann weiterhin in einem Haus leben würden? Der Gedanke gefiel ihr nicht, aber dennoch war er schnell aus ihrem Kopf verbannt. Sie hatten es geschafft. Sie beide.
Die Jägerin konnte sehen, wie ihr Geliebter zusammen mit Thanos im Schiff verschwand. Erst einige Augenblicke später betrat sie es ebenso. Das Schott schloss sich hinter ihr.
Tirzah blieb nicht stehen, sondern ging auf direktem Weg zur Brücke. Seine gute Laune war verflogen. Natürlich hatte er es sich gut überlegt, bevor er seinen Platz gefordert hatte und ihm war auch bewusst gewesen, dass er wohl nicht mehr so oft und frei jagen konnte, wenn es soweit war und doch... Er konnte sich nicht einmal für Laryn freuen, die endlich tatsächlich frei war. Als Jägerin konnte sie unter den anderen leben. Niemand konnte sie noch einfach so beleidigen oder gar angreifen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Sie müsste sich nicht mehr nach ihm richten, wenn sie irgendwo hin wollte oder war auf seinen rechtlichen Schutz angewiesen.
Ohne zu Zögern setzte er sich auf den Pilotensessel. Hier konnte er eigentlich immer gut nachdenken, doch heute blieb die Ruhe aus.
Irgendetwas stimmte nicht. Das spürte sie sofort. Sie ging langsam zur Brücke, ja agierte fast schon so, als wäre sie noch immer im Tempel und als könnte sie jeden Augenblick etwas angreifen. Doch alles, was sie entdeckte war Tirzah, der sich in seinen Pilotensitz gesetzt hatte. Thanos hatte sich links von ihm hingesetzt und blickte unruhig, ja gar schon traurig zu ihm auf. Vorsichtig trat sie näher.
„Mein Geliebter…“, sprach Laryn ihn leise an. „Teile deine Gedanken mit mir“, bat sie ihn. Hatte sie etwas falsch gemacht? Gab es etwas, was sie übersehen hatte?
Tirzah wandte sich ihr nicht sofort zu. Das Kinn hatte er aufgestützt, seine Mandibeln zuckten unruhig. Eigentlich sollte er sich um Laryns Verletzungen kümmern und mit ihr feiern, dass sie ihr erstes Ziel erreicht hatten. Stattdessen konnte er das Gefühl nicht abschütteln, gefangen zu sein. Hätte er doch nicht den Platz im Rat fordern sollen? Doch wie könnte er dann für die Venturas eintreten? Letztendlich sah er seine Gefährtin doch noch an. „Wie kommt es, dass sich etwas falsch anfühlt, von dem man genau weiß, dass es richtig ist?“, stellte er die unmögliche Frage, die aus seinen Gedanken kam. Doch wie sollte Laryn diese Frage beantworten, wenn nicht einmal er es konnte?
Laryn runzelte leicht die Stirn und… ging vor ihm auf die Knie, auch wenn es schmerzte. Das musste wohl mit seinem neuen Platz im Rat zu tun haben. Was war denn nur anders geworden und das innerhalb von wenigen Minuten? Tirzah war kein Predator, der schnell seine Meinung änderte.
„Es gibt Dinge, die richtig sind. Aber vielleicht ist es nicht das Richtige für dich“, warf sie leise ein. „Es geht um deinen Platz im Rat, habe ich Recht?“
Seufzend hob Tirzah seine Hand und ließ sie sacht durch Laryns Haare streichen. „So ist es“, gestand er ein. „Ich habe mich Jahrhunderte lang dagegen gewehrt im Rat zu sitzen und nun...“ Er schwieg einen Moment lang. „Ich werde nur noch wenig Zeit für die Jagd haben“, verdeutlichte er sein 'Problem' schließlich. „Wochenlange Ausflüge werden nicht mehr möglich sein. Ich kann mich glücklich schätzen, wenn ich ab und zu einen Tag lang für mich habe...“ Ein Mitglied des Rates musste eben verfügbar sein. Gut, auch er hatte sich bereit halten müssen, doch das war etwas vollkommen anderes gewesen. Als Cleaner hatte er immer die Aussicht auf eine gute Jagd gehabt. „Ich habe doch immer nur für die Jagd gelebt, Laryn...“
Laryn lehnte sich in seine Berührung. Ihre Stirn runzelte sich, als er zu erklären begann. Natürlich... seine liebste Beschäftigung würde leiden, ebenso die Zeit, die sie miteinander verbrachten. Schließlich nahm sie seine Hand und hauchte einen zärtlichen Kuss darauf.
"Du bist aber kein gewöhnliches Ratsmitglied. Es mag sein, dass es anfangs genau so sein wird, wie du es befürchtest. Aber mit der Zeit, wenn sich alle daran gewöhnt haben, ihr eure Bande im Rat geknüpft habt... dann wirst du mehr Zeit haben", versuchte sie ihren Gefährten zu trösten. "Vor allem sind viele Jahrhunderte vergangen, seit zum letzten Mal die Venturas auf Yautja-Prime gewandelt sind. Sie müssen die Sitten der guten Jagd erneut lernen und es sollte ein Ratsmitglied kontrollieren, ob sie diese auch nach längerer Zeit korrekt ausführen, meinst du nicht?" Ein sanftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Tirzah... es wendet sich alles dem Guten. Sieh mich an. Ich habe es heute geschafft und ebenso du." Erneut hauchte sie einen Kuss auf seinen Handrücken. "In der Zwischenzeit werde ich deine Jagd sein. Nachts in den Wäldern oder auch einfach nur hier..." Was für ein Gedanke!
Tirzahs Gesichtszüge wurden weicher, je weiter seine Gefährtin sprach. Vielleicht sah er das wirklich zu finster, doch die Jagd und die damit verbundene Ehre war seit jeher sein oberstes Ziel gewesen. Wobei letzteres eigentlich nur ein positiver Nebeneffekt war. Auch ohne dies wäre er jagen gegangen, hätte immer herausfordernde Beute gesucht. Es war der Nervenkitzel, das Messen der eigenen Fähigkeiten, was ihn so reizte. Und jederzeit das Wissen, dass er seine Beute unterschätzt haben könnte.
Möglicherweise hatte Laryn recht. Er würde jedenfalls alles daran setzen, um auch als Rat jagen gehen zu können. Vielleicht nicht mehr so ausschweifend, wie früher, doch er würde jagen. „Meine Laryn...“, grollte er sanft. „Meine Jägerin, meine Gefährtin.“ Er stand auf und zog sie mit sich hoch. Liebevoll sah er auf sie herab. „Komm, es wird Zeit, dass wir uns um dich kümmern.“ In seiner Stimme lag mehr als nur Fürsorge für seine Gefährtin. Es war ebenso Liebe und auch Begehren. „Meine Probleme haben sicher Zeit bis morgen.“
Sie schien Erfolg gehabt zu haben, denn Tirzahs Gesichtszüge wurden wieder weniger ernst. Als er sie auch noch als Jägerin bezeichnete, überschlug sich ihr Herz. Liebevoll strich sie mit ihrem unverletzten Handrücken über seinen Oberarm. „Du wirst sehen… es wird sich alles verändern“, meinte sie. „Du wirst alles verändern.“ Gemeinsam zogen sie sich ins Schlafzimmer zurück. Laryn tastete langsamer als sonst nach dem Verschluss ihrer Rüstung. Als sich dieser öffnete, glitt das erste Teil von ihr und sie seufzte auf. Ihre Hände brannten noch immer wie Feuer und es wurde immer schwerer für sie, es zu ignorieren. Vor allem jetzt, als das ganze Adrenalin aus ihrem Blut verschwunden war. Durch das mit Säure vermischte Wasser war auch ihre Haut unter der Rüstung verletzt worden, wenn auch weit weniger schlimm, als ihre Finger, die durch das direkte Blut des Xenomorphen verätzt worden war.
Während sich Laryn auszog holte Tirzah das Medkit hervor. Er stellte fest, dass sich sein Bezug zu Schmerzen verändert hatte. Die Verletzungen seiner Gefährtin würden auch so heilen, doch er wollte sie nicht unnötigen Schmerzen aussetzen. Gerade mit ihrem letzten Sieg hatte sie sich dieses Privileg verdient. Immerhin hatte sie keine nennenswerten offenen Wunden, um die sie sich kümmern mussten. Das Hauptproblem war wohl die Verätzung. Er stellte den Topf mit Salbe ab und ließ sich auf die Knie nieder, um die Stiefel zu öffnen. So musste sich Laryn nicht bücken.
„Hm“, gab Laryn von sich, als Tirzah sich vor ihr niederkniete und ihr mit den Stiefeln half. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich ein so hohes Ratsmitglied dazu bringe, vor mir niederzuknien.“ Ein sanftes Lächeln spielte dabei um ihre Lippen. Er hatte durch seine Clanlosigkeit den höchsten Stand des Ratsmitgliedes erreicht. Er würde entscheiden, wenn die anderen es nicht mehr konnten. Und seine Stimme würde mehr gelten. Er hatte endlich den Respekt, der ihm zustand.
Tirzah hielt in der Bewegung inne und sah zu Laryn auf. „Ich denke, es ist dir gleichgültig, was ich habe oder bin“, zog er sie liebevoll auf, bevor er sich wieder aufrichtete. Nun sah er wieder zu ihr hinab. Nur zu gern wollte er sie berühren, doch im Moment würde er ihr damit nur weh tun. Seine Finger fanden den Verschluss des Unterleibsschutzes und öffneten ihn. „Wenn du allerdings gerade das Ratsmitglied deinem Gefährten vorziehst...“ Er ließ den Rest offen. Stattdessen trat er hinter sie und strich sacht ihre Haare zur Seite, bevor er sich zu der Salbe hinunter beugte. Zuerst wollte er ihren Rücken behandeln, so dass sie sich endlich hinlegen konnte. Sie hatte sich die Ruhe verdient. Er tauchte die Finger in die Salbe und trug sie großzügig auf, ohne die Haut selbst zu berühren. Zuerst wollte er diesem Wundermittel Zeit geben zu wirken.
Er entlockte ihr damit ein leicht freches Grinsen. „Es ist mir egal, ob Ratsmitglied, Cleaner oder Clanlos, solange du es bist“, antwortete sie also. Was er dann sagte, ließ sie den Kopf schief legen. „Was dann?“, hakte sie nach. Sie fürchtete, dass sie ihm gerade nicht folgen konnte. Da strich er schon die Salbe auf ihren Rücken. Laryn spürte sofort die kühlende Wirkung und schloss dabei die Augen. Das tat so gut.
Ein leises Lachen antwortete auf die Frage. „Frag lieber nicht“, antwortete er. „Ich würde es jedenfalls bevorzugen, wenn er draußen bleiben würde.“ Mit sanften Fingern strich Tirzah noch mehr der Salbe auf ihre helle Haut. Nicht nur den Rücken, auch Hüfte, Po, die Rückseite ihrer Beine. Alles, was das Bett berühren würde, wenn sie sich hinlegte. Erst als er damit fertig war, begann er die Salbe tatsächlich einzumassieren. Stück für Stück. Auch an seinen Fingern machte sich der Einfluss der schmerzstillenden Wirkung bemerkbar. Eine leichte Taubheit breitete sich aus, doch er ignorierte es.
Diese Salbe war tatsächlich ein wahrer Segen. In diesem Moment würde sie sich auch lieber darin einlegen. Je weiter Tirzah machte, desto mehr entspannten sich ihre Muskeln. Ruhe überkam sie. Ja, das war heute eine gute Jagd gewesen. „Der Ratsoberhaupt sollte sich wirklich in Acht nehmen, was er tut oder zu mir sagt. Mein Gefährte würde es sonst nicht gerade amüsant finden, wenn er irgendetwas tun würde, was mir nicht gefällt. Oder mich berührt, wo nur mein Geliebter mich anfassen darf.“
Tirzah unterdrückte einen Fluch und zwang sich ruhig weiter zu arbeiten. Dass sie ausgerechnet jetzt so etwas sagen musste. Er wollte doch ohnehin einfach nur über sie her fallen und mit ihr ihren Sieg gebührend feiern. Nur war sie verletzt und hatte in erster Linie ihre Ruhe verdient. Die sie auch brauchte, ob sie es nun zugeben mochte oder nicht. Das änderte jedoch nichts daran, dass ihre Worte seine eigene Disziplin strapazierte.
Nachdem er auch den letzten Rest Salbe in ihre Unterschenkel eingearbeitet hatte, hob er sie sacht hoch und legte sie auf das Bett. Bevor er erneut zu der Salbe griff, beugte er sich über seine Gefährtin. „Ich werde dafür sorgen, dass er immer vor der Tür bleiben muss“, versprach er ihr.
Laryn konnte gar nicht anders wie lachen, als Tirzah sie so leichtfertig hochhob. Die ganze Last der letzten Tage war von ihr gefallen. Sie hatten es beide geschafft. Endlich. Ihre Arme schlangen sich wie selbstverständlich um ihn. Auf dem Bett ließ sie ihn deshalb mehr widerwillig los. „Er sollte nur kommen, wenn du nicht da bist. Sein Kommen werde ich dann auch viel eher genießen können.“
Ein Knurren, dieses Mal nicht spielerisch, sondern eindeutig gereizt, entkam ihm. Es war irrational und darüber hinaus völlig sinnfrei, doch Laryn schaffte es doch tatsächlich, dass er auf sich selbst eifersüchtig wurde. „Spiele nicht mit mir, Laryn“, verlangte er. Es war keine Bitte mehr, es war eine Forderung. Die Forderung ihres Gefährten, der sie nicht teilen wollte. Er wollte, dass sie nur ihm gehörte.
So gemein es auch war, sie konnte nicht verhindern, ein wenig zu schmunzeln. War es nur ein Zeichen, wie sehr er sie doch liebte und haben wollte. Und sie gehörte ihm. Für alle Zeit. Liebevoll und auch ein wenig versöhnlich strich Laryn über seinen Arm.
„Mein Geliebter“, hauchte sie sanft. „Aber ich spiele so gerne mit dir…“, versuchte sie ihn wieder zu beschwichtigen. „Vor allem wenn meine Zunge im Spiel ist.“
Es ging nicht, er konnte nicht! Tirzah sprang knurrend vom Bett auf und wandte Laryn den Rücken zu. Er brauchte für einen Moment Abstand, sonst würde er einfach über sie her fallen. Doch das wollte er nicht verantworten. Natürlich, auch wenn ihre Erscheinung trog, sie hielt wesentlich mehr aus, als ein Menschlein, doch auch wenn die Salbe ihr die indirekten Schmerzen nahm, war sie dennoch verletzt. Und an seiner Einstellung hatte sich nichts geändert. Gerade Sex unter Gefährten sollte von beiden Seiten genossen werden.
Die Hände zu Fäusten geballt, versuchte er sich zur Ruhe zu rufen. Er spürte nicht, wie sich seine Krallen in seine Handflächen bohrten und das phosphorizierende Blut hervor trat. Selbst wenn es nicht die Wirkung der Salbe war, im Augenblick wäre er zu eingenommen von den anderen Gedanken, um es zu bemerken.
Für einen Moment war sie einfach nur zutiefst erschrocken, dass Tirzah aufsprang. Er war plötzlich so angespannt, ganz so, als wollte er nicht bei ihr sein. Hatte sie etwas falsch gemacht? Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn ein wenig ärgerte und ihm solche Spielereien an den Kopf warf. Dennoch war seine Reaktion immer eine andere gewesen. Sie kämpfte sich auf und trat zu ihm. Nach kurzem Zögern berührte sie seine Faust. Er bohrte sich ja schon selbst die Krallen in die Haut!
„Tirzah?“, sprach Laryn ihn ein wenig unsicher an.
Bevor er sich zu ihr umwandte, atmete er tief durch, erst dann begegnete er ihrem fragenden Blick. „Spiel nicht mit mir, Laryn“, bat er sie noch einmal, doch dieses Mal war es tatsächlich eine Bitte. Er hob die Hand und strich ihr sacht über die Wange. Selbst ihr Gesicht hatte etwas abbekommen und die Haut war leicht gerötet. Erst jetzt bemerkte er das Blut an seiner Hand. War er so abgelenkt gewesen, dass er das nicht bemerkt hatte? Diese Frau raubte ihm tatsächlich den Verstand.
Sie verzog ihr Gesicht auf seine Bitte. Hatte sie ihn dadurch denn derart beleidigt? Es war doch sonst immer okay gewesen, warum jetzt nicht? Womöglich wurde ihr Gefährte noch von seinen Gedanken gequält. Laryn ließ ihre Schultern hängen und nickte kurz angebunden. Vorsichtig nahm sie seine Hand von ihrer Wange und griff nach einem Verband. Fürsorglich verarztete sie sie. „Verzeih mir…“, flüsterte sie leise und kehrte zum Bett zurück. Es wäre wohl tatsächlich besser, wenn sie ausruhen würde. Das letzte was ihr in den Sinn stand, war ihren Gefährten zu beleidigen. Nicht an diesem Tag. Eigentlich täte sie gerade auch lieber was ganz anderes. Würden ihre Verletzungen es überhaupt zulassen? Verflucht, sie hätte besser auf sich aufpassen sollen! Ihre Laune sank, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.
Für einen Moment sah Tirzah ihr nach, dann folgte er ihr seufzend. Wie so oft in der Vergangenheit setzte er sich im Schneidersitz neben sie. Erneut nahm er die Salbe zur Hand. „Es gibt nichts zu verzeihen“, versicherte er ihr, während er ihren Arm nahm und mit der Behandlung fortfuhr. Irgendwie war die Stimmung endgültig gekippt und das passte ihm ganz und gar nicht. Sie sollten feiern und sich freuen und nicht streiten und sich aus dem Weg gehen. „Doch trotz aller Erfahrung und Disziplin bin ich nur ein Mann.“ Er suchte ihren Blick bevor er weiter sprach. „Ich habe eine wundervolle Gefährtin, die nicht nur der Mittelpunkt meiner Welt ist. Sie ist mein Grund zu leben, meine Göttin, meine Heimat und ich werde immer verrückt nach ihr sein.“ Ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Züge. „Und vor allem will ich ihr keine Schmerzen zufügen.“
Eigentlich hatte sie nicht mehr damit gerechnet, dass Tirzah zu ihr kommen würde. Daher hatte sie sich auch auf die Seite gelegt, hinderte ihn aber auch keinesfalls daran, mit der Behandlung fortzufahren. Laryns Blick war auf die Wand gerichtet und sie fragte sich, wie ihre Zukunft aussehen würde. Als ihr Gefährte meinte, dass es nichts zu verzeihen gab, reagierte sie nicht. Erst als er weitersprach, schaffte er es, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Wollte er damit sagen, dass…
Es dämmerte ihr! Sie schluckte hart. Um sich selbst zu beherrschen und abzulenken, gab sie dem leichtesten ihrer Bedürfnisse nach – sie lachte. „Tirzah…“, gab sie weniger ernst strafend von sich. „Du weißt doch, dass mir die Folgen durchaus bewusst sind, wenn ich mit dem Feuer spiele.“ Ihr Bauch kribbelte wie verrückt und ihr Herz hatte sich mehrmals überschlagen. Verdammt, alleine das Wort ‚Göttin‘ sorgte dafür, dass sie über ihn herfallen wollte, wie sonst noch nie zuvor!
„Was hast du denn getan, als du noch keine Gefährtin hattest?“, hörte sie sich grinsend fragen. Laryn wusste, was die Männer taten, wenn sie den Gelüsten ihres Körpers nicht mehr standhalten konnten und es keine Frau gab, die ihnen helfen konnte. Ob ihr Geliebter es jemals getan hatte?
Na also, es ging doch. Für einen Moment hielt Tirzah inne und sah Laryn an. Er war eindeutig amüsiert und in seinen Augen funkelte Schalk. „Na was wohl?“, fragte er nicht ganz ernst nach. „Es ist ja nicht so, dass ich Probleme gehabt hätte, ein williges Weibchen zu finden.“ Nur für einen kurzen Moment ließ er die Worte wirken, bevor er weiter sprach. „Was nicht bedeutet, dass ich mir nicht auch allein die Zeit vertrieben habe.“ Obwohl er noch verschmierte Hände hatte, ließ er von Laryns Arm ab und kam erneut über sie. „Willst du Details?“, grinste er sie an.
Laryn schüttelte lächelnd ihren Kopf. „Oh Götter, steige von deinem hohen Ross runter!“, warf sie ihm vor. Was er dann allerdings sagte, ließ ihre Fantasie auf Hochtouren laufen. Details? Was hatte er denn noch getan, außer seine Hand…?
„Nein“, antwortete sie und ließ diese Abfuhr einen Moment lang auf ihn wirken. „Ich will dass du es mir zeigst. Jetzt.“
Die Antwort kam prompt: „Nein.“ Nicht grob, nicht abweisend oder beleidigt, eher belustigt. „Nicht, bevor wir uns nicht um dich gekümmert haben“, stellte er seine eigene Bedingung. Dann hob er demonstrativ eine Hand und strich mit dem Finger über Laryns Schlüsselbein. Es war nur noch eine Spur Salbe, die daran haften blieb, doch sie war da. „Außerdem würde mir dieses Zeug im Moment ziemlich den Spaß verderben.“ Er kletterte wieder neben sie und nahm erneut die Salbe zur Hand und machte in Ruhe weiter, wo er aufgehört hatte. Es war nun einmal so, dass diese Salbe dafür gemacht war, um zu betäuben. Nicht wirklich förderlich, um Spaß zu haben.
Und sie ließ es über sich ergehen. Tirzah ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Stück für Stück von ihrem Körper wurde mit dieser betäubenden Salbe eingecremt und… es tat gut. Immer mehr ließ das Brennen und der Schmerz nach und währenddessen stieg wieder ein völlig anderes Gefühl in ihr hoch.
„Fertig?“, fragte sie, als er das Gefäß auf die Seite stellte. Aber eigentlich… war ihre Geduld aufgebraucht. Sie wollte keine Antwort. Stattdessen kam sie auf und setzte sich rittlings auf seinen Schoß. Gierig liebkoste sie seinen Hals mit sanften Küssen. Dabei kroch sein wunderbarer Geruch in ihre Nase...
Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet. Wie von selbst legten sich seine Hände auf Laryns Taille, kaum dass sie auf seinem Schoß saß. Ein wohliges Grollen antwortete auf ihre Zärtlichkeiten. Wie schon so oft vergrub er sein Gesicht in ihrem Haar. Das war seine Gefährtin.
tbc...