Du bist Allyster der Sehende.
Du fasst die fernen Gongs ins Auge und setzt dich in Bewegung. So schnell, wie du es kannst, ohne dabei auffällig zu werden, eilst du zu den hohen Türmen. Sie sind deine beste Hoffnung. Ein Feuer zu entzünden, würde sicherlich zu lange dauern. Du weißt nicht, ob Aji so viel Zeit hat. Schon jetzt schwankt er sichtlich.
Du erklimmst den Turm, was dir einen guten Blick in die Arena gestattet. Ajis Bewegungen wirken erschöpft.
Du willst gerade nach dem großen Hammer greifen, der neben den Gongs liegt – er ist so lang wie du hoch bist und sicherlich für Druidenmaßstäbe gebaut – als du Rauch siehst.
Hinter der Arena steigt eine dunkle Wolke auf. Schon werden die ersten Druiden nervös.
Es brennt, eindeutig. Das war sicherlich kein Unfall. Die Druiden nutzen nur Leuchtpilze für Licht und da hier unten alles aus Holz besteht, werden sie sicherlich keine offenen Flammen herumstehen haben.
Das kann nur eines bedeuten: Es ist Arthrax!
„Feuer!“, ruft einer der Druiden. Die Baumwesen springen auf und betrachten die Qualmwolke.
„Eimer!“, ruft ein anderer. „Wir brauchen Wasser, schnell!“
Sie sind organisiert, das muss man ihnen lassen. Auch der Druide in der Arena lässt sich nicht ablenken. Du siehst, dass Aji allerdings von der Macht des Blutjaspis‘ befreit ist, da der Druide mit dem Eis die Feuer löschen will, und nach dem Schöpferstein schielt.
Das ist eure Chance! Du nimmst den schweren Hammer auf und schlägst ihn gegen den Gong. Die Druiden wirbeln zu dir herum.
„Katarr!“, brüllst du. Das Wort der alten Sprache bedeutet ‚Verstärkung‘. Der Gongschlag wird so dröhnend lauf, dass er als Druckwelle durch die Höhle fährt und die zweigartigen Fortsätze der Druiden beugt.
Aji ergreift seine Chance sofort. Du siehst, wie er den Blutjaspis ergreift und losrennt, ehe du dich selbst anschickst, vom Turm zu steigen. Kaum auf dem Boden rennst du auf den Eingang zu. Du hörst die wütenden Schreie der Druiden, doch das Feuer und dann der Gong haben sie durcheinander gebracht. Nicht extrem – doch es reicht, dass du zum Tunnel vordringen kannst, wo du auf Aji stößt. Der Junge keucht und wirkt etwas blass, aber stolz reckt er den Blutjaspis in die Höhe.
„Sehr gut gemacht“, sagt Arthrax. Du wirbelst herum. Der Krieger ist förmlich aus dem Nichts bei euch aufgetaucht – er hat den Ammoniten genutzt. In der Hand hält er eine entzündete Fackel. Du bist unendlich froh, ihn zu sehen. Seine Ablenkung war genau das Puzzlestückchen, das du brauchtest, um Aji zu befreien – das musst du ihm aber alles nicht auf die Nase binden.
„Los, nach oben“, drängst du die beiden. Schon jetzt rennen Druiden zum Eingang. Entweder, um Wasser zu holen, oder sie ahnen, dass ihr fliehen wollt.
Seite an Seite und hoffentlich von Arthrax geschützt rennt ihr nach oben. Im Rennen streift Aji den Blutjaspis über und wirft einen Blick nach hinten. Doch nichts geschieht. Der Stein reagiert nicht auf ihn. Der Junge reicht ihn an Arthrax weiter, wieder passiert nichts. Ihr keucht ziemlich. Es geht viel zu steil hinauf. Ist der Weg länger als auf dem Hinweg? Du nimmst den Stein entgegen und ziehst ihn über. Kein Leuchten und kein Kribbeln begrüßt dich.
Die Druiden mit ihren längeren Beinen holen rasch auf. Unter ihnen erkennst du Glühpilz, ganz vorne an der Spitze der Truppe. Der Schöpferstein hilft euch nicht weiter.
„Arthrax!“, rufst du. „Wirf die Fackel!“
Der Krieger gehorcht sofort.
„Katarr!“, brüllst du erneut. Aus der Fackel erwächst sofort ein Waldbrand, der eure Rücken versengt. Du hörst die Druiden brüllen, Worte erkennst du jedoch nicht. Falls sie allerdings Zweifel hatten, haben sie nun Gewissheit darüber, wo ihr seid.
Atemlos erreicht ihr das Ende des Tunnels und rennt durch das Tal. Die Dornen um das Tal sind verschwunden. Vielleicht brauchen die Druiden ihre Macht, um sich unten zu retten.
Aji strauchelt und fällt neben dir zu Boden. Er klammert sich an deine Robe.
„Geht es dir gut?“, fragt Arthrax alarmiert.
Aji nickt stumm.
„Er ist erschöpft“, übersetzt du.
Arthrax sieht kurz zurück zum Tunnel, aus dem noch immer Qualm dringt. „Wartet hier, ich hole die Pferde.“
Du siehst ihm nach, als er losrennt – diesmal ohne Ammoniten. Wenn es so richtig drauf ankommt, kann man sich ja doch auf Arthrax verlassen.
Du hältst Aji fest. Doch schon dringen wütende Stimmen aus dem Tunnel. Die Druiden haben es irgendwie geschafft, das Feuer zu umgehen. Du stehst auf und hebt Aji auf deine Schulter. Stolpernd folgst du Arthrax. Du bist nicht halb so schnell wie die Druiden, doch glücklicherweise erscheint der Krieger bald mit Atesh, Melréd und dem Maultier. Er sitzt im Sattel seines Kaltbluts. Melred rennt sofort zu dir, als er dich erkennt. Du setzt Aji auf den Weißen und schwingst dich hinterdrein.
Die Druiden sind aus dem Tunnel und stürmen auf euch zu. Ihr treibt die Pferde zum Galopp gen Kalynor, als du vor dir Bewegung im Wald bemerkt. Die Bäume peitschen merkwürdig – du erstarrst. Es sind weitere Druiden! Sie schneiden euch den Weg ab.
Arthrax tastet nach dem Ammoniten, doch seine Bewegungen sind sichtbar erschöpft. Er wird es nicht schaffen …
In diesem Moment hebt Aji die Hände. Der Ametrin auf seiner Brust glüht auf und ein violetter Schimmer hüllt den Jungen ein. Erstaunt siehst du, wie sich die roten Tannen ebenfalls in Bewegung setzen. Dir bleibt das Herz stehen. Die stummen Wächter sind erwacht, nun wollen sie euch aufhalten.
Dann allerdings schlingen sich die Äste der Bäume um die angreifenden Druiden. Du kannst ihre Überraschung auf den fremdartigen Gesichtern erkennen.
Die Blutfichten sind ebenfalls Tote. Aji kann sie beherrschen! Diesmal blieb er stumm und die Bäume tun genau, was er von ihnen will.
Wider Willen musst du grinsen, während eure Pferde zwischen den Druiden hindurch galoppieren und sich in den Schutz des Waldes begeben. Du bist so unfassbar stolz auf deinen Lehrling. Und sogar auf Arthrax.
In gestrecktem Galopp lasst ihr das Steinrund hinter euch. Es wird dauern, bis die Druiden euch folgen können. Bis dahin seid ihr hoffentlich weit fort …
Dies ist das Canon-Ende für Allysters Teil!
Lies weiter in Kapitel 46.