Kaum hatte Jaden ihn losgelassen, vermisste Dylan die Berührung. Durch die Entfernung kam aber sein Gehirn wieder online und seine Wangen wurden knallrot. Was war denn das gewesen? Er wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken.
Als hätte Brianna seine Gedanken gehört, ließ sie sich neben ihm auf den Sessel sinken und legte ihm den Arm um die Schultern. „Alles gut?“, fragte sie leise.
Unsicher nickte Dylan.
„Tut mir leid! Ich wusste nichts davon, Dylan. Ansonsten hätte ich dich nie hergebracht!“ Brianna sah ihn entschuldigend an.
Dylan lehnte sich an ihre Schulter. „Alles gut, ich bin nur völlig überfordert und will gar nicht wissen, wie sehr ich mich grad zum Affen gemacht hab“, flüsterte er.
Brianna drückte ihn an sich. „Du hast dich überhaupt nicht zum Affen gemacht. Und ich glaube, Jaden mag dich.“
„Bree!“, fiepste Dylan und vergrub sein Gesicht in den Händen.
„Was? Jaden ist ein toller Alpha. Du könntest es bedeutend schlechter treffen“, antwortete Brianna leise.
Seufzend ließ Dylan den Kopf hängen. „Bree, ich will Krankenpfleger werden. Was denkst du, wie hoch die Chancen sind, dass ich mein Studium fertig machen kann, wenn ich erst mal einem Alpha gehöre? Ich kann es dir verraten: Sie gehen gegen null!“ Dylan schniefte. „Ich hatte gehofft, dass ich wenigstens ein paar Jahre für mich habe, bevor ich eine welpenwerfende Armdekoration werde! Was denkst du, warum ich mich von den Wölfen hier fernhalte?“ Er schluchzte leise auf.
„Oh, Dylan!“ Brianna streichelte ihm beruhigend über den Rücken.
Jaden grollte und Dylan und Brianna fuhren erschrocken zusammen. „Ist es das, was man dir beigebracht hat, Dylan?“, fragte Jaden gefährlich ruhig. „Was denkst du, was deine Rolle wäre, wenn ich dich für mich beanspruchen würde?“
Dylan drückte sich wimmernd zu einer kleinen Kugel zusammen.
„Jaden ...“, sagte Brianna flehentlich.
„Geh bitte rein. Ich denke, das ist etwas, was Dylan und ich alleine besprechen sollten“, sagte Jaden bestimmt.
Brianna zögerte kurz, drückte Dylans Schulter und stand dann auf. „Sorry“, murmelte sie und verschwand nach drinnen.
Es herrschte einige Momente Stille, dann wurde Dylan wieder von Jadens Duft eingehüllt. Er schluckte.
„Oh, kleiner Wolf“, murmelte Jaden leise.
Dylan quietschte erschrocken, als Jadens kräftige Arme sich unter ihn schoben und ihn hochhoben, als würde er nichts wiegen. Einige Augenblicke später fand er sich mit dem Gesicht an Jadens Schulter gepresst auf dessen Schoß wieder.
„Sorry, ich hoffe, das ist okay“, sagte Jaden verlegen. „Aber hab keine Angst, kleiner Wolf.“ Jaden streichelte Dylan den Rücken. „Oder möchtest du lieber neben mir sitzen?“
Unsicher überlegte Dylan einige Sekunden und entspannte sich ein wenig. So komisch es war, aber er fühlte sich auf Jadens Schoß sicher und geborgen. Er schüttelte den Kopf. „Ich bleib hier“, nuschelte er und wurde rot.
Jaden rutschte etwas herum, um sich bequemer hinzusetzen, und drückte Dylan sanft an sich. „Also, was denkst du, was deine Rolle als mein Gefährte wäre und wie dein Leben aussehen würde?“, fragte Jaden leise.
Unglücklich zuckte Dylan mit den Schultern. „Vermutlich so, wie von allen Omegas die ich kenne. Wir sind dafür da, um das Heim des Alphas in Ordnung zu halten, zu kochen, uns um die Kinder und um den Alpha zu kümmern.“
„Und das ist nicht das, was du willst?“, fragte Jaden ruhig.
Dylan seufzte. „Das habe ich nicht gesagt! Ich weiß, dass das meine Bestimmung ist, und habe damit auch kein Problem. Aber ich wollte eben auch ein paar Jahre für mich haben, damit ich mein Studium fertig machen kann.“
„Du studierst Kinderkrankenpflege, oder?“ Jaden streichelte Dylan sanft über die Hüfte.
„Ja. Ich liebe Kinder und hatte gehofft, dass ich dann später im Rudel vielleicht auch außerhalb des Hauses nützlich bin.“ Dylan klang verloren.
„Mein kleiner Wolf“, sagte Jaden lächelnd. „Und du denkst, dass du das aufgeben müsstest, wenn du ein Gefährte wirst?“
Dylan nickte wehmütig. „Mein Onkel wollte mich erst gar nicht hierher kommen lassen und meinte, es ist eh unnötig. Meine Mama hat ihn aber davon überzeugen können, dass ich das Studium machen durfte. Und wenn ...“ Er brach ab und zupfte missmutig an Jadens Shirt herum.
„Und wenn dich erst mal ein Alpha geschnappt hat, war’s das und du bist der Bettwärmer und die Armdekoration?“ Jaden musterte ihn.
„Das hab ich so nicht gesagt“, murmelte Dylan.
Jaden zog die Augenbraue hoch. „Dylan, ich bin mit meinem Vater genug herumgereist, um zu wissen, wie es in anderen Rudeln zugeht. Aber nicht in jedem Rudel sind die Omegas dazu da, ihren Alphas den Hintern abzuwischen.“
Ungläubig riss Dylan die Augen auf. „Das kannst du doch so nicht sagen!“
„Natürlich kann ich das!“ Jaden schnaubte. „Zu welchem Rudel gehörst du?“, fragte er nach einigen Augenblicken.
„Zum Campbell-Rudel in Wisconsin“, antwortete Dylan leise.
Jaden schnaubte. „Lass mich raten, Richard Campbell ist dein Alpha, oder?“
„Du kennst meinen Onkel?“, fragte Dylan unsicher.
„Leider“, antwortete Jaden. „Aber dann wundert es mich auch nicht, warum du solche Ansichten hast.“ Er strich Dylan über den Rücken.
Dylan hob ein wenig den Kopf, traute sich aber nicht, Jaden direkt in die Augen zu sehen. „Was meinst du?“
„Alpha Campbell ist bei vielen anderen Alphas nicht sonderlich beliebt. Er ist machthungrig, brutal und außerhalb seiner Gruppe an Gleichgesinnten nicht verlässlich. Also das perfekte Beispiel, warum Alphas einen schlechten Ruf haben.“ Jaden knurrte frustriert.
„Zu mir ist er okay“, sagte Dylan leise.
Jaden schnaubte und schüttelte den Kopf. „Um zu meiner Frage zurückzukommen. Wenn sich für dich erst mal nichts ändern würde, als dass du einen großen, starken Alpha hast, der auf dich aufpasst, was würdest du machen?“
„Wie meinst du?“, fragte Dylan verwirrt.
„Wenn du dein Studium ganz normal abschließen könntest, würdest du mir dann eine Chance geben, dich für mich zu gewinnen?“ Jaden streichelte ihm über die Wange.
Dylan wurde rot und vergrub sein Gesicht an Jadens Hals. „Vielleicht?“, nuschelte er. Wie gerne würde er Jaden eine Chance geben, aber wer sagte, dass er auch die Wahrheit sagte und ihm nicht irgendwas versprach, um ihn herumzubekommen, und hinterher nichts mehr davon wusste? Sein Onkel war Meister darin, wobei Dylan mittlerweile vorher wusste, dass sein Onkel seine Versprechen nur selten einlöste.
„Hmmm. Was muss ich tun, damit aus dem ‚vielleicht‘ ein ‚ja‘ wird?“ Jaden küsste Dylans Schläfe und diesem wurde warm.
„Wer garantiert mir, dass du das dann auch einhältst?“, platze es aus Dylan heraus. Dann wurde ihm klar, was er dem Alpha da gerade vorgeworfen hatte, und er schnappte entsetzt nach Luft. „Entschuldigung, Alpha!“, wimmerte Dylan und versuchte sich klein zu machen. Jadens Stille machte Dylan nervös, aber er schaffte es dennoch, still sitzen zu bleiben. Wie kam er als Omega auch auf die Idee einen Alpha zu beleidigen? Scheinbar hatte ihm die Sonne nicht gutgetan.
Jaden seufzte. „Nein, das ist eine berechtigte Frage, Dylan. Ich nehme an, du hast die Erfahrung gemacht, dass ein Alpha sein Wort nicht unbedingt hält.“ Er rieb seine Wange an Dylans Kopf. „Was hältst du davon, mich erst mal kennenzulernen und dann zu entscheiden?“
„Wirklich?“ Dylan sah Jaden staunend an.
„Ja, wirklich. Ich möchte, dass du mir vertraust. Aber es ist völlig in Ordnung, wenn ich mir dieses Vertrauen erarbeiten muss. Du kennst mich nicht und es ist nur natürlich, dass du vorsichtig bist. Aber ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du uns die Chance gibst, uns kennenzulernen.“ Jaden strich sanft über Dylans Wange.
Dylan überlegte einige Augenblicke und nickte dann.
„Danke“, sagte Jaden leise und küsste Dylans Schläfe. „Willst du dann auch noch die anderen kennenlernen?“
Dylans Wangen färbten sich tiefrot, aber er nickte tapfer.
„Was ist los?“, fragte Jaden besorgt.
„Alles gut“, nuschelte Dylan und drückte sein Gesicht in Jadens Halsbeuge.
„Du brauchst weder Angst haben, noch muss dir irgendetwas peinlich sein. Wir haben uns einfach nur nett unterhalten.“ Jaden strich ihm beruhigend über den Rücken.
„Okay“, sagte Dylan leise. Er atmete tief durch und setzte sich dann auf.
Aufmunternd lächelte Jaden ihn an und strich ihm die Haare zurecht. „Ich mag es übrigens sehr, dass du mein Trikot trägst“, flüsterte er in Dylans Ohr.
Dylan schauderte wohlig und verfluchte Jaden in Gedanken. Der Alpha brachte ihn völlig aus der Fassung!
Jaden lachte leise. „Wie es scheint, fühlst du dich in meinem Trikot ganz wohl. Gut zu wissen.“ Er tätschelte die Seite von Dylans Oberschenkel. „Aber nun komm, das Essen wartet.“
Sie standen auf und Jaden winkte den anderen vier zu, die drinnen saßen und sich unterhielten. Brianna war die Erste, die hinauskam und Dylan umarmte.
„Alles gut?“, fragte sie leise. „Wenn er sich daneben benommen hat, sag Bescheid, dann mach ich ihm die Hölle heiß“, flüsterte sie.
Dylan, der Jadens amüsierten Gesichtsausdruck sah, nickte. „Alles gut, er hat sich bestens benommen. Keine Sorge“, flüsterte er noch etwas atemlos zurück. Er war sich allerdings ziemlich sicher, dass Jaden jedes Wort gehört hatte, als dieser ihm vergnügt zuzwinkerte.
Brianna stellte ihm dann ihren Bruder Tyler und seine und Jadens Freunde Robert und Mason vor.
Alle drei Betas begrüßten ihn freundlich und Dylan entspannte sich langsam wieder. Brianna hatte den Arm um ihn geschlungen und er lehnte sich an sie, während er sie sich über das heutige Spiel unterhielten.
Zum Essen setzten sie sich an einen der größeren Tische, an dem neben zwei Sesseln auch zwei bequeme aussehende Bänke standen. Robert und Mason setzten sich auf die Stühle, Brianna auf eine der Bänke. Dylan wollte schon zu ihr gehen, blieb dann aber stehen, als Jaden ihm die Hand hinhielt.
Erneut färbten sich Dylans Wangen rosa. Er sah zu Brianna, die ihm aufmunternd zuzwinkerte und legte seine Hand dann in Jadens. Tyler ließ sich grinsend neben seiner Schwester auf die Bank fallen, während Dylan sich neben Jaden setzte.
Kurz darauf wurde den Footballspielern ihr Essen serviert. Auch sie hatten sich für das Wagyu-Steak entschieden. Brianna hatte für Dylan und sie Gemüsesnackteller bestellt, da sie ja bereits zuvor gegessen hatten.
Trotz der unerwarteten und für ihn stressvollen Ereignisse bemerkte Dylan, dass er erstaunlich entspannt und zufrieden war. Während des Essens unterhielten sie sich über das Footballspiel.
Nach dem Essen bestellten sich Brianna und die Spieler Nachtisch und Espresso, Dylan dagegen orderte einen warmen Kakao mit Sahne.
Jaden setzte sich bequemer hin und legte den Arm hinter Dylan auf die Rückenlehne des Sofas. Mittlerweile wurde es langsam dunkel.
Während er an seinem Kakao nippte, merkte Dylan dann doch, wie anstrengend der Tag gewesen war und er gähnte herzhaft in seine Tasse.
Schmunzelnd sah Jaden zu ihm, legte ihm dann den Arm um die Schultern und zog ihn sanft an seine Seite. „Mach es dir bequem“, sagte er leise.
Dylan lächelte ihn an und genoss die Wärme, die von Jaden ausging. Brianna zwinkerte ihm fröhlich zu und fuhr dann fort, ihren Bruder zu ärgern.
Als Dylans Tasse leer war, nahm Jaden sie ihm aus der Hand und stellte sie auf dem Tisch ab. „Ruh dich aus, kleiner Wolf“, flüsterte Jaden.
Schläfrig nickte Dylan und machte die Augen zu.