Dylan und Jaden gingen zum Abendessen in die Küche, nachdem Landon sie gerufen hatte. Brianna verabschiedete sich, ihre Mutter hatte ihr Lieblingsessen gekocht, das sie auf keinen Fall verpassen wollte. Dafür waren Liam, River, Ryan und Kate da. Mia und die Kinder fehlten.
Liam, River und Ryan trugen das Essen zum Tisch. Statt der sonst so entspannten Atmosphäre herrschte betrübte Stille. Als alle saßen, nahmen sie sich an den Händen und sahen Landon erwartungsvoll an. Er lächelte traurig. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir ein entspannteres Abendessen haben können, aber leider ist das heute nicht möglich.“ Landon seufzte. „Ich bin froh, dass ihr alle hier und gesund seid. Und dass ich so eine tolle Familie habe!“
Dylan lehnte seinen Kopf an Jadens Schulter, als sie sich wieder losließen. Er sah zu, wie sich alle die Teller vollschaufelten. Wie immer füllten die Alphas die Teller ihrer Omegas. Die Betas, außer Kate die mit ihrem Welpenbauch nicht mehr konnte, bedienten sich selbst.
Jaden küsste Dylan, nachdem er ihm den Teller hingestellt hatte. „Ich liebe dich, kleiner Wolf“, flüsterte er.
„Ich dich auch“, antwortete Dylan ebenso leise.
Nachdem die ersten Bissen verspeist waren, seufzte Landon. „Wir können eigentlich auch direkt anfangen. Wie ihr vermutlich schon gehört habt, treiben sich wohl Wilderer hier herum.“ Er verzog das Gesicht. „Roland hat seine Deputys schon auf die Suche geschickt, aber die Spur hat sich relativ zügig auf einem Waldweg verloren. Da es aktuell trocken ist, gab es auch keine Reifenabdrücke.“
Eve legte ihre Hand auf Landons Arm und drückte ihn leicht.
Landon lächelte sie an. „Die Deputys und einige Betas durchkämmen grade auch systematisch den Wald, um zu schauen, ob sie noch mehr Spuren finden. Zudem haben alle den Geruch der Wilderer in der Nase. Vor Ort waren drei Männer und eine Frau. Alles Menschen.“
„River, Tyler und ich gehen nach dem Abendessen los und helfen bei der Suche“, sagte Liam zwischen zwei Bissen.
Tyler verzog angewidert das Gesicht. „Ich hoffe, wir finden nichts.“
„Da sind wir schon zwei, Tyler.“ River schauderte.
Dylan sah verwundert zu Jaden, wobei er sich nicht sicher war, ob er wirklich wissen wollte, was sie gesehen hatte.
Der aber schüttelte nur den Kopf und beugte sich zu Dylan, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. „Frag besser nicht nach“, flüsterte Jaden.
Traurig nickte Dylan und sah seufzend auf seinen Teller.
„Wir haben die Patrouillen um das Dorf verstärkt. Wobei ich hoffe, dass sich alle dran halten so wenig wie möglich in den Wald zu gehen“, sagte Ryan.
Kate schnaubte. „Ich bin mir sicher, dass du ihnen das sehr eindrücklich nahebringen wirst.“
„Und wir gehen mit gutem Beispiel voran!“ Eve sah ernst in die Runde.
Alle nickten und murmelten ihre Zustimmung.
„Dad und ich gehen morgen wieder zu Roland und Rhys und schauen, was wir sonst noch für Möglichkeiten haben.“ Jaden atmete schwer aus und sah dann zu Landon. „Bist du dir mit deinem Zeitplan wirklich sicher?“
Landon hob eine Augenbraue. „Warum sollte ich mir nicht sicher sein?“
Jaden zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ob ich das schaffe.“
„Natürlich schaffst du das, Jaden! Und du bist ja nicht alleine! Du hast die ganze Familie und das Rudel, die dir alle gerne helfen.“ Eve lächelte ihn aufmunternd an.
„Es sind doch noch ein paar Wochen. Außerdem hast du doch fast dein ganzes Leben lang dafür geübt.“ River grinste.
Unbeeindruckt sah Jaden ihn an. „Du weißt, wie schnell die rum sind.“
Dylan küsste Jadens Schulter und sah ihn dann liebevoll an. „Du wirst ein toller Rudelalpha sein!“
Jaden lächelte zurück. „Und du ein toller Alpha-Gefährte.“
Unsicher schluckte Dylan. „Das klingt irgendwie so, als würde ich Extra-Aufgaben bekommen?“
Eve zwinkerte ihm zu. „Nichts, was du nicht sowieso schon machst.“
Fragend sah Dylan sie an. „Wie meinst du?“
„Na du redest doch jetzt schon die ganze Zeit mit den Rudelmitgliedern und hörst dir ihre Sorgen an, wenn du da bist. Und wie oft bist du damit zu Landon und hast ihm Vorschläge gemacht?“ Eve lächelte. „Nur dass du dann eben zu Jaden statt zu Landon gehst.“
„Oh. Puh!“, sagte Dylan erleichtert. „Ich hab schon einen Schrecken bekommen.“
„Ach, Baby. Und auch du hast die ganze Familie. Du glaubst doch nicht, dass wir euch im Stich lassen, nur weil Landon und Eve auf große Reise gehen?“ Kate sah ihn und Jaden missmutig an.
Jaden hob abwehrend seine freie Hand. „Das hab ich doch gar nicht gemeint!“, murmelte er verlegen. „Aber es ist was anderes dabeizustehen und Ideen zu geben, als plötzlich selbst die Entscheidungen treffen zu müssen.“
Kates Gesichtsausdruck wurde weich. „Mach dir keinen Kopf, Jaden. Du kannst genauso alle anderen in die Entscheidungen mit einbeziehen, wie es Landon macht. Du weißt doch genauso gut wie ich, dass er, so wie heute, die Familie mit einbezieht.“
„Sorry. Der Tag hat mich einfach fertiggemacht.“ Jaden ließ den Kopf hängen. „Es ist verdammt viel Verantwortung, Entscheidungen treffen zu müssen, die gegebenenfalls dazu führen können, dass Unschuldige verletzt werden oder noch schlimmer.“
Dylan lehnte sein Gesicht an Jadens Schulter und legte seine Hände um dessen Oberarm. „Du schaffst das, mein Lieblingsalpha“, flüsterte er. „Deine Familie würde dich garantiert nicht für den Posten vorsehen, wenn sie dich nicht für geeignet halten würden.“
„Was Dylan sagt“, brummte Landon. „Und Mom und ich sind ja auch nicht aus der Welt. Wir nehmen die Handys mit, du kannst also jederzeit anrufen.“
Jadens Muskeln entspannten sich etwas und er sank in sich zusammen. „Ihr habt ja recht. Und ich weiß auch, dass ihr mich nicht im Stich lasst. Aber es ist mir echt grad so in den Kopf gekommen, dass ich mich in ein paar Wochen selber um solche Sachen kümmern muss.“ Er schauderte und sah dann verdrießlich zu Liam und River. „Hättet ihr nicht die Alphas werden können?“
Liam und River schnaubten und schüttelten die Köpfe. „Stell dich nicht so an!“, sagte River.
„Sagt sich so leicht“, murrte Jaden.
Dylan rieb seinen Kopf an Jadens Schulter. „Und wir sind sehr dankbar, dass du die Bürde auf dich nimmst, um auf uns aufzupassen.“
Seufzend drehte Jaden den Kopf und küsste Dylan sanft. „Für dich doch immer, kleiner Wolf.“
Liebevoll sah Dylan ihn an und stupste ihm an die Nase. „Und jetzt iss! Das leckere Essen wird kalt und du brauchst die Kalorien!“
„Ja, Chef“, murmelte Jaden und lächelte endlich wieder.
Nachdem Jaden sich eine Gabel Kartoffel-Gratin in den Mund gesteckt hatte, aß auch Dylan weiter.
Das restliche Essen verbrachten sie mit leichteren Themen, wofür Dylan mehr als dankbar war. Es schlug ihm schon genug auf den Magen, dass Wilderer ihr Unwesen trieben, aber es beim Essen zu besprechen, ließ seinen Appetit fast gänzlich versiegen.
Als sie sich nach dem Essen gemeinsam im Wohnzimmer niederließen, kuschelte Dylan sich auf dem Sofa an Jaden. Dieser zog eine Decke aus der Kiste neben dem Sofa und wickelte Dylan so darin ein, dass nur noch die Nase herausschaute. Dann legte Jaden ihm den Arm um die Schultern und zog ihn an sich.
Dylan wäre lieber ins Bett gekrabbelt, aber er wusste, dass seine Anwesenheit wichtig war. Nicht nur für Jaden, sondern auch für sich selbst. Auch er musste lernen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Dazu kam, dass es zusätzlich seine Aufgabe war, den anderen beim Planen zu helfen, indem er sie ruhig und konzentriert hielt. Die Geborgenheit so eingemummelt und warm in Jadens Armen zu liegen half dabei sehr.
„Was willst du dem Rudel sagen?“, fragte Jaden.
Landon seufzte. „Am besten die Wahrheit. Dass wir neben den Überresten mehrerer Hirsche und eines Schwarzbären auch die zweier Wölfe gefunden haben, von denen einer ein Wandler war.“ Er trank einen Schluck Wasser. „Und dass wir zwar davon ausgehen, dass die Verantwortlichen dafür nicht mehr in der Gegend sind, aber wir lieber sicher gehen wollen, dass nichts passiert. Deswegen bitten wir alle, nicht alleine in den Wald zu gehen und sich gleich bei den Betas oder Deputys zu melden, wenn sie etwas Ungewöhnliches bemerken.“
„Und dass die Betas und Deputys grade alles absuchen und tun, um die Verantwortlichen zu finden“, ergänzte Ryan.
„Natürlich“, antwortete Landon und lehnte sich zurück. Er legte Eve den Arm um die Schulter und sie kuschelte sich an ihn.
Auch Ryan und Kate saßen so da. Selbst Liam und River saßen so nah nebeneinander, dass sie sich berührten. Sie alle brauchten den Trost der Berührung.
Es herrschte einige Minuten Stille, in denen alle ihren Gedanken nachhingen. Als Landons Handy losdudelte, zuckten alle zusammen.
Zögerlich nahm Landon es vom Tisch und seufzte, als er den Namen des Anrufers sah. „Hey, Roland. Warte, ich stell dich auf Lautsprecher, wir halten gerade Familienrat.“ Er drückte eine Taste und legte das Handy mit dem Display nach oben auf den Tisch.
„Hey ihr“, kam Rolands Stimme aus dem Handy. „Ich nehme an, ihr redet grade über die Wilderer?“
„Tun wir“, antwortete Landon.
Roland brummte. „Ich befürchte, wir haben ein Problem. Die Gruppe hat westlich von Hayfork auch noch zugeschlagen. Dieses Mal waren es zwei Schwarzbären, zwei Graufüchse und ein Puma. Wieder alle ohne Fell, Kopf und Pfoten. Dazu kamen wieder ein paar Hirsche und Wapitis. Dem Geruch nach zu urteilen vier oder fünf Stück. Bis auf Blut und Innereien haben sie nicht viel davon liegen lassen.“
Dylan schauderte und vergrub sein Gesicht an Jadens Brust.
„Wieder jemand von uns?“, fragte Landon. Dylan war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte.
„Zum Glück nicht. Und ist schon mindestens ne Woche her.“ Roland seufzte. „Allerdings ist nördlich von Denny noch eine zweite Gruppe unterwegs. Dieses Mal ‚nur‘ drei Wapitis und ein Luchs. Auch ein paar Tage her, aber ich hab trotzdem ein schlechtes Gefühl.“
„Joa. Zumal die Jagd im County seit Jahrzehnten verboten ist. Wildern tun sie damit ja sowieso“, sagte River.
„Jupp. Sorry, dass ich keine besseren Nachrichten hatte.“ Roland seufzte.
„Dafür kannst du ja nichts“, antwortete Landon.
Roland brummte. „Trotzdem. Du weißt, ich hasse es, schlechte Nachrichten überbringen zu müssen.“
„Wer tut das schon gerne?“, fragte Liam grummelig.
„Die Deputys gehen morgen die ganzen Campingplätze abklappern, um bei den Touristen nachzufragen, ob die was Komisches gesehen haben. Liam? River? Ihr könnt eure Uniformen wieder aus dem Schrank kramen“, sagte Roland.
River rümpfte die Nase. „Och nöö. Heißt wir dürfen also auch die Campingplätze abklappern?“
„Korrekt. Ihr könnt euch morgen eure Deputy Marken wieder abholen. Ryan?“
Ryan sah auf. „Was denn, Roland?“
„Kannst du mal schauen, dass du mir so viele Betas wie möglich schickst?“, fragte Roland.
„Ich kann dir sogar noch ein paar der Deltas schicken, die für den Forst zuständig sind. Die kannst du immer mit einem oder zwei Betas losschicken. Oder sie können die Waldstraßen abfahren. Die haben ja auch die Autos dafür“, schlug Ryan vor.
„Gute Idee! Nehm ich. Je mehr, desto besser.“
Jaden rieb sich über das Gesicht. „Meinst ihr, wir sollten wieder Wildkameras aufhängen?“
„Die Neuen mit Funk?“, fragte River neugierig.
„Kann auf jeden Fall nicht schaden. Wir müssen nur sicherstellen, dass die Stellen so markiert sind, dass wir sie erkennen, die Wilderer aber nicht“, ergänzte Landon.
River grinste. „Na das mit dem Markieren bekommen wir hin.“
„Du meldest dich also freiwillig, den halben Wald anzupinkeln?“ Jaden sah ihn skeptisch an.
„Garantiert nicht den halben Wald. Wenn jeder zehn Kameras mitnimmt und nebenbei aufhängt, braucht keiner nen Tanklaster Wasser zu trinken.“ River schauderte.
„Klingt, als hätten wir einen Plan“, sagte Landon. Er gähnte.
„Ja. Geht schlafen, damit ihr morgen fit seid“, sagte Roland. „Hey, Landon. Sind du und Jaden morgen in Weaverville?“
„War zumindest so geplant. Wir wollten uns mit Rhys und dem County Council zusammensetzen.“ Landon gähnte wieder. „Danach wollten wir bei dir vorbeikommen.“
„Alles klar. Gute Nacht!“ Es klickte und das Display leuchtete auf, als der Anruf beendet wurde.
„Na toll“, murmelte Landon. „Alles, was man unbedingt gebrauchen kann.“ Er sah zu Jaden. „Der Zeitplan bleibt. Aber wir fahren erst los, wenn die Wilderer weg sind. Okay?“
Jaden nickte dankbar. „Danke, Dad!“
„Damit lass ich dich nun wirklich nicht alleine.“ Landon lächelte.
Eve, die kurz vor dem Einschlafen war, sah sich um. „Wollen wir hier schlafen?“
Dylan nickte eifrig. Gemeinsam im Pelz auf dem flauschigen Teppich im Wohnzimmer zu schlafen, klang nach einer verdammt guten Idee.
Auch die anderen nickten zustimmend.