Einige Tage später machte sich Dylan, mit Ryan und Vincent im Schlepptau, auf den Weg zum Sekretariat, um endlich seine Anschrift zu ändern. Nebenbei überlegte er, was sie am Abend gemeinsam kochen wollten.
Am Verwaltungsgebäude angekommen, wartete Dylan, dass Ryan die Tür aufmachte und vor ihm hineinging. Mittlerweile hatte Dylan sich daran gewöhnt, dass Ryan sehr gewissenhaft darin war, auf ihn aufzupassen. Vincent folgte hinter ihm.
Im eigentlichen Sekretariat musste Dylan einige Minuten warten, bis die drei Studenten vor ihm fertig waren. Ryan und Vincent blieben so stehen, dass sie ihn und die Tür bestens im Blick hatten.
Als Dylan endlich dran war, ging er lächelnd auf die freundliche, grauhaarige Dame zu, die hinter dem Tresen stand.
„Hallo, mein Name ist Dylan Campbell, ich wollte meine Anschrift ändern“, sagte er höflich.
„Alles klar, dann wollen wir mal schauen.“ Sie lächelte ihn an und begann zu tippen. „Kann ich deine ID-Karte haben?“
„Natürlich.“ Dylan schob die Karte über den Tresen.
Die Dame nahm sie entgegen, legte sie vor die Tastatur und tippte weiter. „Ah, da haben wir dich ja.“ Sie schob Dylan ein Blatt Papier zu. „Kannst du mir deine neue Adresse leserlich aufschreiben? Nicht, dass ich mich hier vertippe.“
Dylan nahm das Papier entgegen und fischte sich einen Kugelschreiber aus dem Becher auf dem Tresen. Er schrieb die Adresse auf und reichte der Dame das Blatt wieder.
Sie nahm das Blatt entgegen und tippte die Adresse ab. Dann sah sie ihn an. „Willst du deine Zahlungsdaten auch gleich noch aktualisieren?“
Fragend sah Dylan sie an. „Öhm, was meinen Sie?“
„Die bisher hinterlegten Zahlungsdaten wurden vor ein paar Tagen auf Wunsch des Kontoinhabers entfernt. Du musst eine neue Kreditkarte oder Kontoverbindung angeben, bevor die Winterpause startet.“ Sie lächelte ihn an.
Dylan wurde eiskalt. Das waren keine sechs Wochen mehr. Wie sollte er das Geld bis dahin beschaffen?
Der Blick der Dame hinter dem Tresen wurde mitfühlend. „Du hast ja noch ein paar Tage Zeit.“
„Ja. Äh danke“, murmelte Dylan.
„Brauchst du sonst noch etwas?“, fragte sie.
Dylan schüttelte den Kopf. „Nein. Schönen Tag noch.“
„Dir auch. Du schaffst das!“ Sie zwinkerte ihm zu.
Er nickte und drehte sich zu Ryan und Vincent um, die ihn aufmerksam musterten.
„Alles in Ordnung?“ Ryan legte den Kopf schräg.
„Hmhm. Können wir gehen?“, fragte Dylan leise.
„Natürlich. Komm.“ Ryan legte ihm den Arm um die Schultern und Dylan lehnte sich dankbar an.
Den Rückweg zur Wohnung verbrachten sie schweigend. Eigentlich hatte Dylan noch einkaufen wollen, damit sie am Abend gemeinsam kochen konnten, aber ihm war der Appetit vergangen.
Zu Hause angekommen, bedankte sich Dylan bei Ryan und Vincent und verschwand im Schlafzimmer, wo er sich im Bett vergrub. Er zog sich aus, warf seine Kleidung aus dem Bett, verwandelte sich und rollte sich zu einem kleinen Ball zusammen. Den Kopf schob er unters Kopfkissen.
Dylan schnaubte frustriert. Er hätte es sich auch denken können, dass sein Onkel sein Studium nicht weiter bezahlen würde. Nur was sollte er nun machen? Auf seinem Konto hatte er vielleicht noch ein paar Hundert Dollar von seiner Mutter, die für Essen, Bücher und Alltägliches gedacht waren, aber es würde auf keinen Fall reichen, das nächste Semester zu bezahlen. Niedergeschlagen seufzte er und beschloss, erst mal ein Nickerchen zu machen. Vielleicht war sein Kopf dann ja wieder klar genug, um sich eine Lösung einfallen zu lassen.
Dylan erwachte, weil jemand ihn hinter den Ohren kraulte. Er brummte wohlig und rutschte näher, als er Jaden erkannte. Er legte seinen Kopf auf Jadens Oberschenkel ab und schnaufte.
Jaden streichelte ihm sanft über den Rücken. „Was ist los, mein kleiner Wolf?“
Winselnd drückte Dylan sein Gesicht an Jadens Bauch.
„So einen ‚tollen‘ Tag gehabt?“, fragte Jaden besorgt.
Leicht nickend drückte Dylan sich weiter an Jaden.
„Magst du dich nicht verwandeln und mir verraten, was passiert ist?“
Grummelnd schüttelte Dylan den Kopf.
Amüsiert zupfte Jaden ihm an den Ohren. „Aber ich würde dich so gerne küssen, kleiner Wolf.
Dylan seufzte und verwandelte sich zurück. „Das ist unfair“, murrte er.
Jaden lachte und beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen. „Aber effektiv!“
„Hmpf!“ Dylan zog die Decke über sich und legte seinen Kopf wieder auf Jadens Oberschenkel ab.
Sanft strich Jaden ihm über den Kopf. „Na los, erzähl.“
„Hat Ryan nicht schon gepetzt?“, fragte Dylan verstimmt.
Jaden schnaubte. „Das würde er nie tun. Er hat nur gesagt, dass du der Besuch ihm Sekretariat dich aufgebracht hat und du dich ins Schlafzimmer verzogen hast.“
„Sorry“, nuschelte Dylan.
Seufzend fuhr Jaden mit den Fingern durch Dylans Haare. „Na los, erzähl.“
Dylan stieß die Luft aus den Lungen und brummte. „Mein Onkel hat seine Kreditkarte aus meinen Zahlungsinfos für die Uni entfernen lassen. Heißt ich habe jetzt nicht mal mehr sechs Wochen, um die Semestergebühren zu bezahlen, und ich hab keine Ahnung wie.“
„Hm.“ Jaden streichelte ihn weiter. „Und welche Ideen sind dir schon durch den Kopf gegangen?“
Frustriert zuckte Dylan mit den Schultern. „Ich könnte versuchen, mir einen Job zu suchen, und irgendwie einen Zahlungsplan aushandeln. Aber um das Geld zusammen zu bekommen, müsste ich nebenher fast Vollzeit arbeiten. Oder ich könnte versuchen, einen Kredit aufzunehmen, aber ich wüsste nicht mal, ob ich einen bekomme. Ich hab ein paar Dollar auf dem Konto, keine Sicherheiten, nichts.“
„Wie wäre es, wenn du deinen Gefährten fragst?“, fragte Jaden und lächelte ihn an.
Dylan sah ihn entrüstet an. „Ich will aber nicht, dass du dich in Unkosten stürzt oder deswegen in Probleme gerätst!“
Perplex musterte Jaden ihn. „Was meinst du?“
„Ich will dir keinen Stress machen. Und das Studium kostet verdammt viel.“ Dylan drückte sein Gesicht wieder an Jadens Bauch.
Jaden begann zu glucksen. „Kleiner Wolf, ich bezahle es gerne!“ Er zog Dylan aus dem Bett, setzte ihn auf seinen Schoß und legte ihm die Decke wieder um. Lächelnd küsste er Dylan. „Du bist mein Gefährte. Und es macht mir deutlich weniger Stress die Rechnung zu bezahlen, als dich deswegen so fertig zu sehen.“
„Aber das ist so viel“, murrte Dylan und ließ den Kopf hängen.
„Kleiner Wolf, viel ist relativ. Ich verspreche dir, es ist absolut kein Problem, wenn ich die Rechnung bezahle. Wenn es dir besser geht, darfst du mir dafür auch gerne am Wochenende Pancakes und Kaffee ans Bett bringen.“ Jaden küsste ihn wieder.
Hin und hergerissen ließ Dylan sich von Jadens Küssen ablenken. Er grummelte, als Jaden sich nach hinten lehnte und ihn dann durchdringend ansah.
„Kleiner Wolf?“, fragte Jaden streng.
„Hm?“, nuschelte Dylan und senkte den Blick.
„Vertraust du mir?“
Eifrig nickte Dylan. „Natürlich!“
„Warum fällt es dir dann so schwer zu glauben, dass ich das möchte und es uns nicht in Schwierigkeiten bringt?“ Sanft fuhr Jaden mit dem Daumen über Dylans Unterlippe.
„Ich weiß nicht“, murmelte Dylan. „Ich will ja, aber das ist so viel und ich bin doch...“
„Wage es nicht, den Satz zu beenden!“, knurrte Jaden.
Dylan winselte und senkte den Kopf. „Sorry, Alpha.“
Jaden seufzte und drückte Dylans Gesicht wieder nach oben. „Schau mich an.“
Es dauerte einige Sekunden, bevor Dylan sich dazu überwinden konnte, Jaden anzusehen.
Jaden küsste ihn. „Ich bin dein Gefährte. Ich liebe dich und möchte, dass es dir gut geht. Und ich möchte meine Ressourcen so verwenden, dass sie uns beiden zugutekommen. Und glaub mir, wenn ich dir sage, dass wir uns um Geld absolut keine Gedanken machen müssen.“ Er küsste Dylan erneut.
Zaghaft nickte Dylan. „Okay.“
„Okay? Was? Ich darf deine Rechnung bezahlen, weil du mir glaubst, dass es mir wirklich wichtig ist, oder weil du nicht weiter diskutieren willst?“ Jaden schmunzelte.
Dylan wurde rot und kräuselte die Nase. „Beides?“
Jaden lachte leise. „Na gut, das ist zumindest schon mal ein Fortschritt. Ich lass das mal gelten.“
Immer noch verlegen beugte Dylan sich vor und küsste Jaden.
„Versuchst du das Thema zu wechseln?“, fragte Jaden amüsiert.
Statt zu antworten, küsste Dylan ihn erneut.
„Ganz schön frech, kleiner Wolf! Willst du etwa vom großen bösen Alphawolf gefressen werden?“ Jaden grinste breit.
„Hmhm.“ Dylan nickte eifrig.
Jaden hob Dylan von seinem Schoß und legte ihn auf dem Bett ab. In Windeseile lagen seine Klamotten bei Dylans auf dem Boden. Leise grollend beugte er sich über Dylan, kletterte auf Bett und über ihn. „Na dann fresse ich mein leckeres Dessert mal.“
Lachend streckte sich Dylan ihm entgegen und ließ sich dann von seinem großen, bösen Alphawolf genüsslich verspeisen.
Eine Weile später saßen Dylan und Jaden zusammen mit Ryan und Vincent im Wohnzimmer auf dem Sofa. Jaden hatte asiatisch bestellt und sie unterhielten sich beim Essen.
Dylan lag es zwar immer noch etwas quer im Magen, dass Jaden ihm den Rest seines Studiums bezahlen würde, aber so langsam fand er sich damit ab. Jaden hatte versprochen, dass es kein Problem sein würde, und sein Gefährte log ihn nicht an. Dennoch hätte er am liebsten selbst eine Lösung gefunden.
Jaden legte Dylan den Arm um die Schulter und küsste seine Stirn. „Hör auf nachzudenken.“
Grummelnd steckte sich Dylan ein Stück Hühnchen in den Mund und kaute.
Grinsend richtete Jaden sich wieder auf und fuhr fort, mit Ryan den Plan für die nächsten Tage durchzugehen.
Als Dylan aufsah, sah er, wie Vincent ihn aufmunternd anlächelte und dann zwinkerte. Seufzend widmete er sich weiter seinem Essen. Gerade als er sich den nächsten Bissen in den Mund schieben wollte, klingelte sein Handy. Es war der Klingelton, den er für seine Mutter eingerichtet hatte.
Hastig stellte Dylan seine Essensbox auf den Tisch und holte sein Handy aus der Tasche. „Mom?“
„Hey, mein Baby!“, flüsterte sie. „Ich kann nicht lange reden, aber dein Onkel plant irgendwas. Sei bitte vorsichtig!“
„Natürlich! Aber gehts dir gut?“, fragte er besorgt.
„Ja. Richard hat mir das Handy abgenommen und mich eingeschlossen. Aber ein fleißiges Helferchen hat es mir wieder gebracht.“ Sie lachte leise. „Wie gesagt, pass auf dich auf. Es scheint mir, dass Richard nun endgültig den Verstand verloren hat.“
„Auf mich wird bestens aufgepasst, Mom. Mach dir um mich keine Sorgen.“ Dylan schniefte.
„Das ist gut, Baby. Stimmt es, dass du dir einen stattlichen Alpha geangelt hast?“, fragte sie amüsiert.
Dylan lachte. „Er ist der Beste.“
Sie atmete erleichtert auf. „Das ist schön zu hören. Ich hoffe, dass ich ihn irgendwann kennenlernen darf.“
„Auf jeden Fall“, antwortete Dylan bestimmt.
„Dylan, ich muss gehen. Lieb dich!“
„Ich dich auch, Mom!“
Dann war das Gespräch beendet. Dylan starrte besorgt auf das Handy in seiner Hand.
Jaden legte ihm den Arm um die Schultern und zog ihn an sich. „Ich frag bei Dad, ob wir ihr irgendwie helfen können, okay?“
Schniefend drückte Dylan sich an Jaden und krabbelte dann auf seinen Schoß. Er vergrub sein Gesicht an Jadens Hals.
Sanft streichelte Jaden ihm den Rücken.
„Ich ruf mal zu Hause an und frage nach, was wir für Möglichkeiten haben, okay?“ Ryan stand auf und stapfte mit seiner leeren Essensbox in der Hand in die Küche. Vincent folgte ihm.
„Heute ist echt nicht mein Tag“, nuschelte Dylan in Jadens Hals.
Jaden seufzte. „Nein, irgendwie nicht. Aber wenn wir eine Möglichkeit finden, ihr zu helfen, nutzen wir sie auf jeden Fall. Okay?“
„Hmhm.“ Dylan nickte. „Können wir einfach ins Bett? Ich mag den Tag nicht.“
„Natürlich, kleiner Wolf.“ Jaden stand mit Dylan im Arm auf und trug ihn ins Schlafzimmer.
Dort kuschelten sie sich gemeinsam unter die Decke. Jaden drückte seine Brust an Dylans Rücken, legte ihm den Arm um den Bauch und zog ihn an sich. Dylan seufzte. In Jadens Armen hatte er das Gefühl, dass die Welt da draußen ihm nichts anhaben konnte. Er schloss die Augen und hoffte, dass der nächste Tag besser werden würde.