Gereizt trat Dylan gegen eine der restlichen Umzugskisten. Warum war nie das drin, was darauf stand? Er knurrte. „Jaden!“, rief er frustriert.
Allerdings war der Grund seiner schlechten Laune aktuell mit seinem Vater unterwegs. Dylan hatte keine Ahnung, um was es ging, aber Jaden hatte Glück, dass er gerade nicht in Reichweite war, ansonsten hätte Dylan ihm vermutlich ein Kissen an den Kopf geworfen.
Neugierig erschien stattdessen Briannas Kopf im Türrahmen zum Wohnzimmer. „Was ist denn los?“, fragte sie und schmunzelte, als sie die kleine Beule im Karton sah.
Dylan sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „In den letzten Kisten ist alles drin. Nur nicht das, was draufsteht! Was zum Mond haben sich Jaden und die Betas dabei gedacht?“ Er fuhr sich durch die mittlerweile völlig zerwuschelten Haare.
„Wahrscheinlich gar nichts. Wie immer“, antwortete Brianna grinsend. Sie hielt Dylan die Hand hin. „Aber was hältst du davon, wenn wir uns aufs Sofa auf dem Balkon fläzen und das tolle Wetter genießen?“
„Hm“, brummte Dylan unwillig und besah mürrisch das Chaos, das sich im Raum, der irgendwann mal eines der Kinderzimmer werden sollte, ausbreitete.
Brianne grinste breiter. „Und dann kann sich ja Jaden um das Chaos hier kümmern, wenn er wieder zurück ist.“ Sie zwinkerte. „Wenn er schon beim Packen nicht sortiert, kann er es ja wenigstens beim Auspacken?“
Nun musste auch Dylan schmunzeln. „Hmhm. Ich mag, wie du denkst.“
„Na dann auf!“ Brianna drehte sich um und verschwand aus Dylans Blickfeld.
Dylan sah sich seufzend um und überlegte, ob er nicht doch noch etwas weiter machen sollte. Als sein Blick allerdings wieder auf die Kiste zu seinen Füßen fiel, gab er endgültig auf. Statt seiner, wie auf dem Karton versprochenen, Lieblingsbettwäsche, starrte er auf ein Sammelsurium an kaputten T-Shirts und Hosen, die eigentlich für den Handwerkszirkel zum Quilten vorgesehen waren. Er hoffte für Jaden, dass nicht seine Bettwäsche dort gelandet war!
Kopfschüttelnd folgte Dylan Brianna auf den oberen, überdachten Balkon und ließ sich neben ihr auf das große und gemütliche Outdoorsofa fallen, das sie aus Los Angeles mitgebracht hatten. Das vorherige Sofa stand nun auf der Terrasse hinter dem Gemeinschaftshaus. Es war zwar auch okay gewesen, aber Dylan bevorzugte das Mitgebrachte, weil es deutlich gemütlicher war. Obwohl es warm und sonnig war, zog Dylan eine der flauschigen Decken an sich. Er liebte es einfach zu sehr, wenn er sich einkuscheln konnte.
Brianna reichte ihm ein Glas mit seinem geliebten Latte macchiato. „Und wie fühlt es sich an, endlich zu Hause zu sein?“
Dankbar nahm Dylan das Glas und dann einen Schluck davon. „Irgendwie immer noch unwirklich.“ Er lehnte sich an die Rückenkissen und seinen Kopf an Briannas Schulter. „Aber gleichzeitig auch perfekt.“
Nachdenklich nickte Brianna. „Ja. Ich werde zwar einige vermissen, aber in LA hat es sich nie nach daheim angefühlt. Es war okay, aber nicht ... richtig?“
Dylan lächelte. „Wobei LA für mich deutlich angenehmer war als Wisconsin. Und die erste Zeit war ich ja mit dem ganzen Großstadtflair völlig überfordert. So viele Menschen, Gerüche, Lärm ...“ Er lachte leise. „Und so eine komische Delta-Wölfin, die mich partout nicht in Ruhe lassen konnte.“
Breit grinsend sah Brianna ihn an. „Willst du dich etwa drüber beschweren?“
„Niemals!“ Dylan rieb seine Wange an Briannas Schulter. „Ich bin so froh, dass du nicht aufgegeben hast, obwohl ich am Anfang so doof war.“ Dylans Wangen wurden rot.
Brianna lachte los. „Du warst so ein stachliger kleiner Igel! Aber du warst gleichzeitig auch so niedlich, ich konnte gar nicht anders, als dich zu mögen!“
Grummelnd versteckte Dylan sich hinter seinem Kaffeeglas. „Ich bin nicht niedlich!“, protestierte er schwach.
„Und wie niedlich du bist, wenn du versuchst, einen auf stachlig zu machen!“ Brianna kicherte, wurde dann aber ernst und legte ihm den Arm um die Schultern. „Ich mochte dich trotzdem von Anfang an. Und ich bereue nichts!“
Dylan brummte zufrieden. „Olle Klette!“
„Und du hast mich trotzdem lieb!“ Brianna wackelte mit den Augenbrauen.
„Jupp! Du bist die tollste beste Freundin, die man haben kann!“ Dylan lächelte sie glücklich an.
„Beste Freundin und Arbeitskollegin und zukünftige Patentante deiner Großfamilie!“ Brianna lachte.
„Großfamilie? Hab ich was verpasst?“ Dylan sah sie verwundert an.
„Als ob du dich mit ein oder zwei Welpen zufriedengibst?“ Brianna schnaubte belustigt.
Dylans Wangen wurden wieder rot. „Ne Football-Mannschaft wollte ich auf jeden Fall nicht basteln. Nicht mal ne Fußball-Mannschaft! Eine Handvoll reicht völlig!“
„Hmhm. Sehen wir dann!“ Brianna steckte sich einen Keks in den Mund.
Empört sah Dylan sie an. „Und wo ist mein Keks?“
Grinsend griff Brianna sich einen weiteren Keks aus der Schale neben ihr und hielt ihn Dylan vor die Nase. „Verfressene Plüschkugel!“
Begeistert schnappte Dylan nach dem Keks und kaute darauf herum, bis er verarbeitete, was Brianna gesagt hatte. „Ich bin weder verfressen noch eine Kugel!“, maulte er und schielte nach einem weiteren Keks.
Brianna gab ihm noch einen Keks. „Plüschiges Keksmonster?“, fragte sie lachend.
„Daf fon eher!“, nuschelte er, während er seinen Keks verputzte.
„Oh man!“ Brianna schüttelte amüsiert den Kopf.
Dylan schleckte sich die Kekskrümel von den Lippen. „Was denn?“
„Eindeutig Keksmonster!“ Brianna zog Dylan an sich und lehnte ihren Kopf an seinen. „Und ich hab dich lieb!“
„Ich dich auch! Und ich bin immer noch froh, du mich zum Football-Spiel geschleppt hast, obwohl ich nicht wollte.“ Dylan lächelte.
„Ja. Beste ungeplante Überraschung ever, dass Jaden dann auch noch aufgetaucht ist“, sagte Brianna fröhlich.
Skeptisch sah Dylan sie an. „Ich bin mir immer noch nicht wirklich sicher, ob ihr das nicht doch geplant habt.“
Brianna lachte. „Nope! Ich bin unschuldig. Aber Tyler und Jaden hatten da eindeutig ihre Pfoten im Spiel.“
Dylan seufzte zufrieden. „So im Nachhinein mag ich ihren Plan. Aber in dem Moment wäre ich am liebsten irgendwo unters Sofa gekrabbelt.“
„Ohh ja! Und du warst wieder so ein süßer Flauschekaktus!“ Brianna lachte. „So im Nachhinein ist es echt lustig, wie du so zwischen völliger Anbetung und absolutem Entsetzten gewechselt hast. Aber in dem Moment wollte ich dich einfach nur unter den Arm klemmen und mit dir flüchten!“
„In dem Moment hätte ich dich dafür knutschen können.“ Dylan schmunzelte. „Im Nachhinein ist es eindeutig lustig. Und gut so, dass wir nicht geflüchtet sind.“
„Wobei ich das Gefühl hab, dass Jaden uns einfach hinterhergelaufen wäre.“ Brianna nippte an ihrem Kaffee.
Nachdenklich wiegte Dylan den Kopf hin und her und nickte dann. „Jupp. Solange ich ihm nicht gesagt hätte, dass er sich verziehen soll, auf jeden Fall.“
Brianna schnaubte. „Als ob du das gemacht hättest! Du hast ihm doch schon ewig hinterhergesabbert. Vor allem als du noch nicht wusstest, dass dein Lieblingsquarterback und feuchter Traum ein Alpha ist!“
„Du hättest ja auch mal was sagen können“, murrte Dylan.
„Nope! Das war viel zu lustig“, antwortete Brianna und wich aus, als Dylan versuchte, ihr mit dem Finger in die Seite zu piken.
„Gar nicht!“ Dylan zog eine Schnute.
„Wohl! Das war dafür, dass ich mir die ganze Zeit deine Schwärmerei anhören durfte.“ Brianna grinste. „Mal ehrlich! Ich wollte nicht wissen, was du so alles mit meinem Wahlbruder anstellen wolltest!“
Dylan wurde rot. „Oh!“ Er sah sie verlegen an. „Darüber hab ich gar nicht nachgedacht.“
Brianna zog ihn an sich. „Es sei dir verziehen. Ich hab zwar einiges an Hirnbleiche gebraucht, aber für das Ergebnis hat es sich gelohnt.“
„Sorry!“, nuschelte Dylan mit immer noch glühenden Wangen.
„Aber dafür bin ich die Patentante! Und ich darf alle eure Welpen verwöhnen, ohne dass ihr irgendwas dagegen sagen dürft.“ Brianna grinste fies. „Und wenn ich sie mit genügend Zucker vollgestopft habe, geb ich sie euch wieder und gehe es mir gemütlich machen, während ihr euch um die aufgeputschten Flummis kümmern dürft.“
Fassungslos sah Dylan sie an. „Du bist der Teufel!“
Brianna nickte eifrig und kicherte.
„Du klingst wie einer dieser Filmschurken“, sagte Dylan und musste dann selbst schmunzeln.
„Muhaahahaha!“, sagte Brianna und bekam einen Lachanfall.
Schnell nahm Dylan ihr die zum Glück fast leere Kaffeetasse aus der Hand und stellte sie zusammen mit seinem Glas auf den Couchtisch ab. Dann konnte auch er sich nicht mehr halten und fiel in das Gelächter mit ein.
„Was ist denn hier los?“, fragte Jaden, als er auf den Balkon trat und die beiden musterte.
„Es könnte sein, dass ich unsere zukünftigen Kinder und uns ins Unglück gestürzt habe, als ich Bree von dir vorgeschwärmt habe“, antwortete Dylan und fing wieder an zu kichern.
Bree, der vor Lachen die Tränen über die Wangen liefen und die sich den Bauch hielt, nickte.
Verwirrt zog Jaden eine Augenbraue nach oben und lehnte sich gegen den Türrahmen.
„Ich hab gesagt, dafür, dass ich mir Dylans feuchte Träume zu dir anhören musste, werde ich Patentante, darf eure Welpen mit jeder Menge Zucker füttern und sie euch dann wieder geben.“ Brianna grinste Jaden breit an.
Jaden sah Brianna irritiert an. „Ooookay?“ Er sah grinsend zu Dylan. „Davon weiß ich ja noch gar nichts?“
Dylan wurde erneut rot und sah Jaden dann mit großen Kulleraugen an. „Hätte ich gewusst, das Bree dich so gut kennt, hätte ich artig meine Klappe gehalten.“ Er sah mit zusammengekniffenen Augen zwischen den beiden hin und her. „Aber das habt ihr mir ja verschwiegen.“
„Du wärst ja sonst auch schreiend vor mir weggerannt!“, sagte Brianna.
„Vermutlich“, antwortete Dylan verlegen.
„Siehst du!“ Brianna sah ihn triumphierend an. „Wir haben das mit dir wie mit dem Frösche kochen gemacht. In kaltes Wasser setzen und langsam erwärmen.“
Lachend kniete Jaden sich aufs Sofa, legte sich hin und zog Dylan mit dem Rücken an seine Brust. „Mein kleiner Frosch“, murmelte er an Dylans Ohr.
„Ich bin kein Frosch!“ Dylan kicherte und kuschelte sich an Jaden.
Jaden küsste Dylans Wange. „Stimmt, du bist mein kleiner Wolf.“
„Karies! Ihr seid eindeutig wie Karies!“, murmelte Brianna amüsiert.
Dylan streckte ihr die Zunge raus.
„Nach dem Tag hab ich mir einen Berg Zucker verdient“, antwortete Jaden und steckte seine Nase in Dylans Haare.
„Was ist passiert?“ Dylan drehte den Kopf und Jaden gab ihm einen sanften Kuss.
Auch Brianna sah ihn fragend an.
Seufzend lehnte Jaden seine Stirn an Dylans Schläfe. „Roland hat angerufen.“
„Sheriff Roland?“, hakte Brianna nach.
„Jupp. Sheriff Roland. Scheinbar sind wieder Wilderer unterwegs.“ Jaden schloss die Augen. „Ein Wanderer hat gemeldet, dass sie die Überreste von mehreren toten Tieren gefunden hätten.“
„Wölfe?“, fragte Dylan verunsichert.
Jaden küsste ihm die Stirn. „Ja. Unter anderem auch zwei Wölfe.“ Er atmete tief durch. „Ein normaler Wolf und ein Wandler.“
Brianna und Dylan sahen ihn mit aufgerissenen Augen an.
„Ein älterer Wolf aus Helena. Er hat etwas abgelegen gewohnt und hatte kaum Kontakte, von daher hatte ihn bisher auch niemand vermisst gemeldet.“ Jaden ließ den Kopf hängen und drückte Dylan an sich. „Versprecht mir, dass ihr nicht alleine rausgeht!“ Er sah Dylan und Brianna durchdringend an.
„Natürlich, Alpha“, antwortete Brianna förmlich und bestimmt.
Dylan nickte. „Ich verspreche es, Lieblingsalpha!“
Dankbar sah Jaden zu Brianna und dann liebevoll zu Dylan. „Nehmt euch zumindest einen Beta mit, wenn ihr im Wald unterwegs seid. Und wenn ihr in der Nähe bleiben könntet, wäre es noch besser.“
„Gilt das nur in Wolfsgestalt oder auch als Mensch?“, fragte Brianna.
„Nur als Wolf. Wir werden dazu auch morgen noch eine offizielle Ankündigung machen. Wir wollen nicht noch mehr verlieren.“ Jaden seufzte.
Sanft küsste Dylan ihn. „Wir bleiben einfach hier wenn wir uns bepelzen und kuscheln und spielen mit den Kleinen.“
„Danke!“, antwortete Jaden erleichtert.
Dylan lehnte seinen Kopf an Jadens und seufzte leise. Er hätte nichts dagegen gehabt, die Idylle noch eine Weile länger zu genießen. Aber das Leben hatte wohl andere Pläne. Da wurden auch falsch beschriftete Umzugskartons zur Nebensache. Wie schön wäre es gewesen, wenn das ihr einziges Problem gewesen wäre.