Am nächsten Morgen wurde Dylan vom Sonnenlicht geweckt, das gedämpft ins Zimmer schien. Noch schläfrig blinzelnd sah er sich um, hatte aber keine Ahnung, wo er war. Auf dem Nachtisch, neben dem wundervoll weichen Bett, in dem er sich befand, stand eine kleine Flasche Wasser. An dieser klebte ein Notizzettel. „Guten Morgen, kleiner Wolf. Wenn du ausgeschlafen hast, komm in die Küche“, stand mit sauberer Handschrift geschrieben darauf.
Auf einem kleinen Hocker lagen goldene Trainingsshorts und ein blaues Bruins-Shirt. Dylan streckte sich, gähnte und krabbelte aus dem Bett. Er erinnerte sich dunkel daran, dass er an Jaden gelehnt eingeschlafen war und an Brianna, die ihn gefragt hatte, ob er ins Wohnheim oder mit Jaden nach Hause wollte. Offensichtlich hatte er letztere Option gewählt.
Er schnupperte am T-Shirt und brummte zufrieden. Neben dem Geruch nach Waschmittel haftete auch etwas Jaden daran. Nachdem er seine Kleidung vom Vortag gegen die Trainingshose und das T-Shirt getauscht hatte, tapste er barfuß aus dem Gästezimmer und staunte erst mal.
Dylan stand in einem geräumigen Flur, der in ein großes, lichtdurchflutetes Wohnzimmer mündete. Die Einrichtung sah teuer, aber gemütlich aus. Viel Holz, Pflanzen, flauschige Stoffe und bunte Farben. Dylan schnupperte neugierig. Es roch eindeutig nach Jaden.
„Na, ausgeschlafen?“, fragte Jaden aus Richtung des Wohnzimmers.
Ungeduldig folgte Dylan der Stimme und landete in der Wohnküche.
Jaden, der mit einer Kaffeetasse in der Hand an der Arbeitsplatte lehnte, hatte ein identisches Outfit wie er. Jedoch passte Jaden dieses, während Dylan in seinem etwas versank. Dylan lief bei seinem Anblick das Wasser im Mund zusammen und er schluckte schwer.
„Hm, ich mag es, wenn du meine Sachen anhast“, sagte Jaden zufrieden. „Kaffee oder Tee?“
Dylans Wangen wurden rot. „Kaffee bitte. Mit viel Milch und zwei Zucker, falls möglich.“
„Cappuccino oder Macchiato?“, fragte Jaden und zeigte auf die Kaffeemaschine, die einem Raumschiff ähnelte.
„Macchiato bitte“, antwortete Dylan.
Jaden lächelte. „Kommt sofort.“ Er stellte ein Glas unter den Auslass und hantierte kurz an der Maschine, die dann das gewünschte Getränk zubereitete.
Währenddessen sah sich Dylan neugierig um.
„Gefällt dir die Wohnung?“, fragte Jaden.
„Sie ist riesig“, antwortete Dylan. Er drehte sich wieder zu Jaden. „Und sie sieht gemütlich aus.“
„Wenn du magst, kannst du testen, ob das Sofa auch so gemütlich ist, wie es aussieht.“ Jaden reichte Dylan das Glas mit seinem Kaffee.
Dylan nickte und tapste zum riesigen Stoffsofa, das mit diversen bunten Kissen und Decken bedeckt war. Er stellte sein Kaffeeglas auf dem Couchtisch ab und ließ sich in die samtweichen Polster sinken. „Woah, wie auf Wolken“, sagte er glücklich und drückte sein Gesicht in eines der flauschigen Kissen. Der Geruch nach Jaden war hier noch stärker und Dylan schnupperte gierig.
Jaden, der ihm gefolgt war, lachte leise und setzte sich neben ihn. „Ich sehe, du bist also auch ein Liebhaber weicher Dinge.“
Dylan nickte eifrig und strich über eine der Decken neben ihm.
„Dann kuschel dich ein und genieß deinen Kaffee“, sagte Jaden und reichte ihm das Glas. „Ich hab auch nichts dagegen, wenn du mich wieder als Kissen nutzt.“ Er grinste schelmisch.
Eine zarte Röte überzog Dylans Wangen. „Du bist halt bequem.“
Grinsend lehnte Jaden sich neben Dylan an die Kissen.
Dylan überlegte einige Sekunden, dann reichte er Jaden sein Kaffeeglas, rutschte neben ihn, lehnte seinen Kopf an Jadens Schulter und nahm seinen Kaffee wieder.
„Perfekt“, murmelte Jaden. Er legte seinen Arm um Dylans Taille und zog ihn ein wenig an sich.
Genüsslich trank Dylan seinen Latte macchiato und seufzte dann zufrieden. Umgeben von Jadens Wärme und Geruch fühlte er sich sicher und geborgen.
Jaden brummte zustimmend und zog dann eine der weichen Sofadecken über sie. Sie blieben eine Weile aneinandergekuschelt so sitzen und schwiegen, während Dylan seinen Kaffee trank.
Als der Kaffee leer war, lehnte Dylan sich nach vorne und stellte das Glas auf dem Couchtisch vor ihnen ab. Dann kuschelte er sich wieder an Jaden, der die Decke wieder über Dylans Beine zog und ihn an sich drückte.
„Du bist ganz anders als die Alphas, die ich bisher kennengelernt hab“, sagte Dylan leise.
Jaden fuhr mit der Nase durch Dylans Haare und küsste dann seine Schläfe. „Ich nehme das mal als Kompliment.“
„So ist es auch gemeint.“ Dylan rieb seinen Kopf an Jadens Schulter. „Keine Ahnung, wie ich es besser beschreiben kann, aber ich fühle mich bei dir sicher und ...“ Er überlegte kurz. „Wertgeschätzt?“
Sanft streichelte Jaden Dylans Hüfte. „Es freut mich, das zu hören. Nicht überall werden Omegas als reine Gebärmaschinen und billige Haushälter gesehen.“ Jaden küsste erneut Dylans Schläfe. „Ich werde nicht lügen und behaupten, dass ich nicht über dich herfallen wollen würde.“ Er fuhr schnell fort, als Dylan sich anspannte. „Aber ich möchte, dass du mich aus freien Stücken wählst und mit mir zusammen sein willst, weil du mich magst. Nicht, weil ich dich dazu gezwungen habe, nur weil ich es könnte. Das mögen andere Alphas so machen, aber ich möchte, dass mein Partner glücklich ist. Und auch du sollst das Recht haben, dir einen Partner zu suchen, mit dem du glücklich bist, und vielleicht irgendwann auch Kinder haben willst. Und ja, ich möchte, dass ich dieser Partner sein kann. Aber ich verspreche dir, ich werde dich niemals zu irgendetwas zwingen.“
Dylan entspannte sich wieder und drehte dann lächelnd seinen Kopf zu Jaden. „So langsam glaube ich, dass ich träume. Kneif mich mal!“
Jaden schnaubte belustigt. „Wie kommst du jetzt darauf?“
„Du kannst nur ein Traum sein.“ Dylan lächelte traurig. „Alphas sind bestimmend und nehmen sich, was sie wollen. Nicht liebevoll und fürsorglich.“ Er schluckte und vergrub sein Gesicht in Jadens Halsbeuge.
„Oh, kleiner Wolf.“ Jaden seufzte schwer. „Was haben sie dir da nur beigebracht?“
„Nur die Wahrheit“, murmelte Dylan. „Das Leben ist kein Wunschkonzert und als Omega hab ich zu tun, was mir mein Alpha sagt. Auch wenn du ein toller Traum bist.“
Jaden umschlang Dylan mit beiden Armen und drückte ihn an sich. „Ich hoffe, dass ich dir zeigen kann, dass anständige Alphas eben nicht nur ein Traum sind.“
Als Jaden Dylan später zum Wohnheim fuhr, begann Dylans Überzeugung, dass das alles ein Traum war, langsam zu schwinden. Sie hatten den Rest des Morgens aneinander gekuschelt auf dem Sofa verbracht und über ihr bisheriges Leben geredet. Jadens Mutter war ebenfalls Omega und wenn Dylan den Erzählungen Jadens Glauben schenken konnte, war sie keinesfalls eine unterdrückte Hausmaus, sondern eine willensstarke Frau, die ihre Rolle als Gefährtin des Alphas sehr ernst nahm. Und diese Rolle beinhaltete wohl auch, dass sie ihren Alpha darauf hinwies, wenn er sich mit irgendetwas verrannte. Brianna hatte ihm mehrfach versucht zu erklären, dass nicht alle Alphas tyrannische Monster waren, aber es mit eigenen Augen zu sehen, war doch etwas anderes. Auch wenn Dylan sich noch nicht so ganz sicher war, dass Jadens Verhalten so bleiben würde, wenn er ihn nicht gleich herumbekam.
Gedankenverloren sah Dylan auf seine und Jadens Hände, die ineinander verschränkt auf seinem Schoß lagen. Jadens Daumen streichelte dabei immer wieder sanft über Dylans Handrücken. Er seufzte, als Jaden seinen SUV vor Dylans Wohnheim parkte.
Jaden hob ihre verschränkten Hände und küsste Dylans Handrücken. „Wie gerne würde ich einfach umdrehen und dich wieder zurück nach Hause nehmen.“ Er seufzte.
„Aber?“, fragte Dylan leise.
„Aber ich bleibe bei meinem Versprechen, dass ich dich zu nichts zwingen werde. Wie ich schon gesagt habe, ich möchte, dass du dich aus freien Stücken für mich entscheidest.“ Jaden lächelte ihn an.
Dylan nickte verlegen und löste seinen Gurt.
„Das heißt nicht, dass ich nicht versuchen werde, dich von mir zu überzeugen. Solange du mir nicht klar sagst, dass du kein Interesse hast und ich mich trollen soll, werde ich mein Bestes tun, dich für mich zu gewinnen. Okay?“
„Okay“, antwortete Dylan verlegen.
Jaden grinste und küsste erneut Dylans Handrücken. „Also, wann hast du Zeit für unser nächstes Date?“
Perplex blinzelte Dylan ihn an. „Öhm...“
„Was hältst du von morgen Abend? Ich hole dich um halb fünf nach dem Training ab, dann holen wir uns was zu essen, fahren zu mir und schauen zusammen einen Film?“
Dylan überlegte kurz, wie sein Zeitplan morgen aussah, und nickte dann.
Jaden strahlte übers ganze Gesicht. „Dann bis morgen, kleiner Wolf.“ Er beugte sich zu Dylan und küsste ihn auf die Wange. „Hab einen schönen Tag und träum heute Nacht schön von mir.“
„Bis morgen. Du auch“, antwortete Dylan verlegen und öffnete die Beifahrertür. Er überlegte kurz, lehnte sich dann zu Jaden und küsste diesem ebenfalls auf die Wange. Dann beeilte er sich, aus dem Auto zu kommen.
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, drehte er sich noch mal zu Jaden um, der ihm zuzwinkerte, als er losfuhr. Dylan schmolz ein wenig und seufzte hingebungsvoll. Als Jadens SUV um die Ecke verschwunden war, machte er sich auf den Weg nach drinnen und hoffte, dass sein Mitbewohner mal wieder ausgeflogen war. Er hatte Glück.
***
In den folgenden Wochen bewies Jaden, dass er es mit seinem Versprechen ernst meinte. Er umwarb Dylan und sie verbrachten viel Zeit miteinander, in der sie miteinander redeten und kuschelten. Da auch Brianna in höchsten Tönen von Jaden sprach, wurde Dylan immer überzeugter, dass er mit Jaden eine gute Wahl treffen würde.
So langsam wurde es auch Zeit, dass Jaden ihn küsste, aber Dylan wusste, dass Jaden ihn nicht ohne Erlaubnis anfassen würde. Das Problem war nur, dass Dylan sich nicht wirklich traute, Jaden darauf anzusprechen.
Ein Blick in den Kalender offenbarte, dass er jedoch bald eine deutlich bedeutendere Entscheidung treffen musste. Seine nächste Hitze stand in nicht mal einer Woche an und nun stellte sich die Frage, ob er diese wie sonst alleine oder mit Jaden verbringen wollte.
Dylan seufzte und holte sein Handy aus der Tasche, um sich mit Brianna zu treffen, bei ihr würde er bestimmt Rat finden.