Am Freitag hatte ich mich schon so an die neue Weckregel gewöhnt, dass es fast Routine war.
Zwar keine Routine, die ich liebte, aber doch Routine.
Und Routinen erleichterten unser Leben ungemein.
Weil alles so gut geklappte hatte, beschloss Nathan, dass ich wieder Freitag mit ihm in den Club gehen durfte.
Eigentlich war das auch eine Art Routine. Wenn man so will, zumindest.
Mona war wieder im Club und wegen vergangener Woche und meinem Fehltritt war ich mir sicher gewesen, dass Nathan mich nicht zu ihr gehen lassen würde, aber er hatte mich sogar dazu aufgefordert. Es wunderte mich zwar, aber trotzdem ging ich zu ihr rüber.
Tillmann - der Barkeeper - und er waren gute Freunde und ich wusste, dass Nathan es auch mal sehr genießen konnte, mit seinem Freund an der Theke zu stehen und einfach mit ihm zu plaudern, ganz ohne die Verantwortung die es mit sich brachte, für ein Mädchen wie mich zu sorgen. Er liebte es und dieser Lebensentwurf hatte viele Vorteile für ihn, aber es war eben auch eine Aufgabe, die ihm Spannkraft und Verantwortungsbewusstsein abverlangte.
Mona war nicht alleine hier, aber ihr Dom war irgendwo bei anderen Doms und hatte sie wie letztes Mal an der grauen Couch zurückgelassen.
"Wie geht es dir?", fragte ich sie.
"Mir gehts ganz gut", sagte sie. "Ich bin unsicher, ob ich das alles so gut finde im Moment.", gab sie dann unverblümt zu. Wenn man einen kontrollsüchtigen Freund hat und unter einer toxischen Beziehung leidet, dann muss man wohl die Momente nutzen, die man unbeaufsichtigt ist und schnell zur Sache kommen.
"Das verstehe ich", sagte ich und versuchte dabei so viel Einfühlungsvermögen wie möglich auszustrahlen. "Zweifelst du etwa auch?", fragte sie. Ich schüttelte den Kopf, müde lächelnd. "Nein. ich zweifle weder an Nath, noch an unserem Lebensstil."
Ich beobachtete ihn einen Moment, die langsamen, fließenden Bewegungen, während er dort stand und Wasser aus einem Whiskeyglas trank, er konsumierte nur selten und dann auch nur aus Genussgründen Alkohol, er lehnte den Exzess genauso ab, wie die Leichtfertigkeit. Wenn ich nur eine Sache wählen dürfte, die genau meine Ästhetik ist, dann wäre es Nath.
Er ist ruhig und irgendwie so selbstsicher, dass ich in seiner Gegenwart auch ruhig werde. Egal was er trug, egal ob es ein Anzug war oder ein schwarzes Tshirt, es saß immer genauso an seinem Körper, dass es aussah, als hätte Nathan diesen Trend erfunden.
"Ich liebe Nathan", bekräftigte ich noch einmal, was ich gesagt habe. "Unser Leben ist genau so, wie wir es uns immer gewünscht hätten", sagte ich dann und dachte an unseren Alltag, an unsere Gespräche, an die Wärme in mir, an unsere Perspektive.
"Ich möchte ihn entscheiden lassen, weil ich weiß, dass er nur gute Entscheidungen trifft. Weil ich mich sicher fühle, wenn er es ist, der über mich bestimmt. Früher hätte ich niemals jemanden auch nur irgendeine Entscheidung für mich treffen lassen. Er ist nicht die erste Person, die ich liebe. Aber er ist die erste Person, die ich auf diese Weise und so sehr liebe."
Mona war meinem Blick gefolgt. Nath lachte gerade. Es war ein freundliches Lachen. Ich würde sein Lachen aus einer großen Menge immer raushören.
"Er sieht nett aus", sagte sie. Ich beobachtete sie, wie sie meinen Dom beobachtete. Unwillkürlich musste ich lächeln. Sie sah zum ersten Mal fast einspannt aus. Ich wusste um seine Wirkung auf andere Menschen. Aber ich freute mich darüber.
"Ja, er ist wirklich ein höflicher Mann", bestätigte ich. "Es ist wichtig, dass man sich nur jemandem, der wirklich Anstand hat, so anvertraut. Wenn die Liebe gegangen ist, wird Nath mich immer noch respektvoll behandeln und sanft in die Freiheit entlassen. Er würde mich niemals aus Selbsthass zerstören."
Mona nickte: "Man hört oft von Mädchen, oder Subs generell, die ganz niedergeschlagen, orientierungslos und am Ende ihrer mentalen Gesundheit aus einer tpe Beziehung kommen".
Ich stimmte ihr zu.
"ich würde jedem davon abraten", sagte ich dann, wieder einen Blick auf Nathan werfend, der entspannt an der dunklen Bar lehnte und einfach richtig zufrieden aussah. Nicht nur ich war glücklich mit unserer Beziehung.
"Er ist echt ein feiner Kerl", erklärte ich schnell, bevor es falsch aussah. "Deswegen weiß ich auch, dass es okay ist. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es da draußen genug selbstlose Männer gibt, dass sich der Versuch lohnt.
Du musst verstehen, dass es sehr anstrengend ist, wenn man sich so um eine Sub kümmern muss. Es fordert viel Verantwortungsbewusstsein.
Ich meine - wer hat schon so viel Verantwortungsbewusstsein? Kaum jemand! Man muss die andere Person lieben, sonst klappt es nicht."
Mona nickte. "Ihr habt euch geliebt bevor ihr ein tpe Paar wurdet, oder?", fragte sie. Diesmal war ich die, die nickte.
"Wir versuchen es andersherum", sagte sie dann.
"Kann klappen, muss aber nicht", erlaubte ich mir, meine Meinung zu sagen. Sie seufzte.
"Ihr seid schon sehr lange zusammen, oder?" "Seit ich 18 bin.", sagte ich. "Wie kannst du sagen, dass du vorher schon jemanden geliebt hast, wenn du schon so lange mit ihm zusammen bist?", fragte sie schockiert. "Ich komme aus einer fünf Jahre langen Beziehung. Fünf Jahre. Wir haben uns sehr geliebt aber geklappt hat es trotzdem nicht. Deswegen denke ich, dass ich nach jemandem suchen muss, der die Qualitäten hat, die ich in einer Beziehung brauche.", beeilte sie sich zu sagen, bevor ich die Gelegenheit hatte, es falsch zu verstehen.
Ich überlegte, bevor ich antwortete: "Das ist ja auch völlig in Ordnung, mein erster Freund und ich warne nur ein einziges Jahr zusammen. Es war eine sehr intensive Zeit. Aber ich wusste als ich Nathan kennengelernt habe noch nicht, wie viel Kontrolle ich abgeben möchte. Ich dachte, ich bräuchte nur bisschen Haue im Bett." Ich lachte leise. Mona musste ebenfalls grinsen.
"Darf ich dir meine Handynummer geben?", fragte ich sie. "Ich weiß nicht, ob du mir schreiben darfst, aber im Notfall oder wenn was ist, brauchst du jemanden, der weiß, wie ihr zueinander steht und dir helfen kann, da wieder rauszukommen."
"Ja", hauchte sie. Ich hatte das mit Nathans Zustimmung vorbereitet. Ich hatte gedacht, er würde mit mir zusammen zu ihr gehen. Aber nun musste ich es eben alleine anbieten.
Ich schob ihr den Zettel zu, auf den ich zuhause meine Nummer geschrieben hatte. "Pass gut darauf auf", sagte ich. "Ich habe es als IBAN getarnt, dann kommt er nie dahinter. Die Nummer beginnt mit der letzten Null."
Genau in dem Moment vibrierte mein Armband. Ich drückte schnell die Hand, in die ich die Nummer gelegt hatte. Dann stand ich auf und ging hastig rüber zu meinem Freund, der mich schon erwartete.