Kapitel 9 – Ferien
~~Naruto~~
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, einen älteren Bruder zu haben. Mein ganzes Leben war ich alleine ohne Familie. Seit drei Tagen kenne ich ihn schon und weiß mittlerweile schon fast alles über meine Eltern und über unseren Clan.
Heute soll ich aus dem Krankenhaus entlassen werden. Habe ein merkwürdiges Gefühl, irgendwas haben sie vor. Sie verheimlichen etwas vor mir. Jetzt, wo ich fertig angezogen auf dem Bett sitze, kommen mir zweifel hoch. Was ist, wenn mein Leben nicht besser wird? Seit einer Stunde warte ich, dass ich abgeholt werde. Normal wäre ich schon längst gegangen, hätte mir eine ruhige Stelle im Wald gesucht, doch heute geht das nicht. Werde ja abgeholt. Nur mein Abholdienst verspätet sich. Hat Shun wohl die Angewohnheit von Kakashi übernommen? Hoffentlich nicht. Einen weiteren Shinobi, der jedes mal zu spät kommt, verträgt Tsunade nicht.
Na endlich, es klopft und die Tür geht auf. Herein kommt wie angekündigt mein Bruder.
„Wurde auch mal Zeit“, murre ich etwas leicht sauer. Hasse es, wenn jemand zu spät kommt.
„Entschuldigung wurde aufgehalten“, entschuldigt er sich.
„Kommst du?“, fragt er mich und ich nicke.
„Was habt ihr vor?“, frage ich neugierig, während wir das Krankenhaus verlassen.
„Das erfährst du in wenigen Minuten“, antwortet er. Genau diese Antwort habe ich erwartet. Als wir zum Ausgang des Krankenhauses kommen, bleibe ich stehen. Ich habe Angst, durch das Dorf zu gehen, diese verachtenden und mörderischen Blicke zu spüren. Ich will das nicht.
~~Shun~~
Schade. Seit zwei Wochen sehe ich in den Augen meines Bruders nicht mehr die Fröhlichkeit und Lebensfreude von früher. Sie sind voller Angst. Außerdem sehe ich Traurigkeit, Mutlosigkeit und Kälte in ihnen. Was haben die Dorfbewohner nur mit ihm gemacht? Wo ist der fröhliche Junge von früher? Wo ich ihn zum ersten Mal gesehen hab.
~~Naruto~~
„Keine Sorge, ich bin bei dir. Dir wird nichts passieren. Wir gehen den kürzesten Weg,“ muntert er mich auf. Natürlich ist ihm aufgefallen, das ich Angst habe.
„Woher weißt du, dass ich Angst habe?“, frage ich ihn.
„Deine Augen“, sagt er.
„Meine Augen?“, frage ich weiter. Was haben meine Augen damit zu tun?
„Du kannst vielleicht eine Maske aufsetzen, den fröhlichen Jungen spielen. Jeden täuschen. Aber wer dich kennt, kann in deine Augen deine wahren Gefühle sehen. Sie strahlen das aus, was du im Moment fühlst. Die meisten bemerken das nicht, weil sie von deiner Maske getäuscht werden. Aber wenn man diese Maske kennt, weiß, worauf man schauen muss. Deine Augen strahlen die Angst, die Mutlosigkeit, Kälte und Trauer aus. Früher, als ich dich zum ersten mal sah, sah ich in diesen Moment in deinen Augen Fröhlichkeit. In diesen Moment warst du fröhlich und diesen Ausdruck sieht man selten in deinen Augen“, antwortet er und sieht mich aufrichtig an. Ich vertraue ihm.
Er führt mich über die Dächer, vorbei an wenigen Dorfbewohnern. Zehn Minuten später kommen wir am Tor an, wo ich Itachi und Sasuke sehe mit gepackten Koffern. Bei ihm stehen einige Mädchen, die er versucht, abzuwimmeln. Dann wird er von einer geküsst. Als ich das sehe, zerreißt es mir das Herz. Doch schnell hat er sie weggestoßen und lächelt mich an. Er kommt mir entgegen und nimmt mich in seine Arme, küsst mich kurz.
„Was habt ihr vor?“, frage ich, als der Kuss gelöst wird.
„Wir machen Urlaub. Fliegen in ein anderes Land“, antwortet Itachi mit einem Grinsen. Urlaub? Ich war noch nie im Urlaub.
„Von unseren Eltern haben wir einiges geerbt, dazu gehört auch ein Ferienhaus“, erklärt Shun uns. Noch immer stehe ich mit Sasuke hier.
„Das ist wunderbar“, sage ich und umarme Sasuke. Dieser drückt mich fest an seinen Körper.
„Kommt ihr?“, fragt Shun uns. Wir nicken und folgen unseren Brüdern, die die Koffer tragen.
Glücklich laufe ich neben Sasuke her, meine Hand in seiner. Ich bin froh, für einige Zeit aus dem Dorf zu kommen.
„Wie lange werden wir fort sein?“, frage ich Shun, als wir aufgeholt haben.
„Solange wie du willst. Du sollst dich erholen“, antwortet er. Erholen soll ich mich. Jetzt verstehe ich das. Im Dorf wäre das nicht gegangen. Würde dort die nächsten Wochen nur in Angst leben.
Nach zwei Stunden kommen wir in einer großen Stadt an. Viel größer als Konoha. Staunend beobachte ich die Menschen, die hektisch an uns vorbei laufen. Wir laufen weiter zur Innenstadt, dann Richtung Norden zum einzigen Flughafen in der Stadt und im ganzen Feuerreich. Der Flughafen hat ein riesig großes Gelände. Zwei Drittel nehmen Geschäfte, der Wartebereich und Weiteres. Den Rest den Flugbereich.
Am Schalter löst Itachi die Tickets, dann heißt es warten. Unser Flug geht erst in einer Stunde. Erschöpft lehne ich mich an Sasuke und döse leicht ein, doch wenig später werde ich wieder aufgeweckt.
Im Flugzeug suchen wir unsere Plätze, bis eine Stewardess uns in die erste Klasse schickt.
„Tsunade hat uns Tickets für die erst Klasse besorgt?“, frage ich verwirrt. Anscheinend sind die anderen auch verwirrt. Ich setze mich natürlich neben Sasuke und schließe müde die Augen, nur Sekunden später bin ich eingeschlafen.
„Wach auf“, höre ich die zärtliche Stimme von Sasuke. Ich öffne meine Augen und sehe, das wir gerade landen.
„Wie lange habe ich geschlafen?“, frage ich müde.
„Zehn Stunden“, antwortet Itachi, der Shun im Arm hat. Ich wusste es, unsere Brüder sind zusammen. Auch Sasuke grinst, als er sie sieht.
„Was dachtet ihr?“, fragt Shun.
„Ich dachte schon, dass ihr zusammen seid“, antworte ich.
Eine Stunde später laufen wir durch einen dichten Wald. Die Luft ist stickig und heißt. Doch nur Minuten später kommen wir in einem kleinen Dorf an.
„Dieses Dorf hier hat kaum Touristen. Deshalb gibt es auch keine Hotels oder eine Pension. Es gibt nur wenige Einnahmequellen. Zum einen einen Laden, wo man alles kaufen kann und vom Fischfang. Früher arbeiteten einige der Dorfbewohner in unseren Ferienhaus als Dienstpersonal. Doch heute sind es nur noch wenige, die das Haus in stand halten“, erklärt Shun uns.
„Doch bevor wir zum Ferienhaus gehen, müssen wir einkaufen“, sagt Itachi. Wir betreten einen Laden und alle dort drinnen schauen uns an. Sasuke, der mich festhält, zieht mich noch fester an seinen Körper. Anscheinend sind sie etwas misstrauisch. Was auch kein Wunder ist, wir sind ja Ninjas und haben unsere Stirnbänder um.
„Kann ich euch weiter helfen?“, fragt der Verkäufer uns freundlich. Shun nickt und zählt einige Kleinigkeiten auf, die wir brauchen. Als der Verkäufer mit den Sachen wieder bei uns ist, fragt er freundlich.: „Was wollt ihr hier?“
„Uns gehört das Ferienhaus“, antwortet Shun auf die Frage. Prüfend betrachtet der Verkäufer mich und meinen Bruder. Die anderen Kunden hören aufmerksam zu.
„Jetzt sehe ich es. Wieso habe ich euch nicht gleich erkannt. Ihr kommt voll nach euren Vater. Kommen eure Eltern auch noch vorbei? Wir haben sie ja seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen“, plappert er fröhlich und winkt einigen Dorfbewohner her.
„Shun Uzumaki, hab ich recht? Du warst glaub ich einige Monate erst alt, als eure Eltern das letzte Mal hier waren“, Shun nickt.
„Da haben sie recht. Nur unsere Eltern werden leider nie mehr hierher kommen. Sie sind beide vor sechzehn Jahren verstorben, als unser Dorf angegriffen wurde. Unser Vater opferte sich, um die Bewohner zu retten und Mutter starb bei der Geburt meines kleinen Bruders“, sagt Shun mit etwas Traurigkeit in der Stimme. Er muss sie wirklich vermissen. Ich habe niemanden, den ich vermissen kann. Ich habe meine Eltern nie kennengelernt.
„Tut mir leid. Du bist also Naruto“, fragt er und ich nicke.
„Was wollt ihr denn hier? Junge Leute wie ihr geht doch lieber feiern als in ein langweiliges Kaff wie hier Urlaub zu machen“, fragt er weiter.
„Wir sind hier, weil Naruto eine ruhige Umgebung braucht um sich zu erholen. Er wurde erst gestern aus dem Krankenhaus entlassen. Und nebenbei wollen wir hier noch trainieren“, antwortet mein Bruder mit einem Lächeln. Einige Zeit später verabschieden wir uns. Natürlich nicht, ohne zu versprechen, öfters vorbei zu kommen. Und so bekamen wir noch etwas Dienstpersonal als freiwillige Helfer.
Als wir zehn Minuten später an der Villa ankommen, bin ich schon viel zu müde, um sie zu betrachten. So entgeht mir auch die Größe. Ich will nur ins Bett. Merke nur noch nebenbei, wie Sasuke mich hochhebt und in eines der Zimmer trägt. Dann bin ich eingeschlafen.
~~Sasuke~~
Vorsichtig nehme ich ihn auf meine Arme. Wieder einmal ist er nach dem Training erschöpft eingeschlafen. Es ist noch nicht lange her, wo er mit Grippe im Bett lag, erst recht nicht die Entführung.
Ganz nach seiner Gewohnheit zeigt er nicht, dass es ihm schlecht geht. Damit meine ich nicht körperlich. Denn körperlich sind mittlerweile alle Wunden geheilt und die Grippe hat er nun auch überstanden. Ihm geht es seelisch schlecht. Ich spüre das. Spüre seinen Schmerz. Ich wünsche, er würde mit uns reden, doch macht er das nicht. Doch dazu zwingen können wir ihn nicht. Er braucht Zeit, um alles zu verarbeiten.
Jeden Tag, an dem ich in sein Gesicht sehe, in seine Augen sehe ich die pure Fröhlichkeit. Und zwar keine Maske, sein Lächeln kommt von der Seele.
~~Naruto~~
In den letzten Tagen ist einiges passiert. Ich habe mir angewöhnt, für uns vier zu kochen und das mache ich mittlerweile gerne. Kochen ist eines meiner Lieblingshobbys geworden. Doch außer Kochen gibt es noch andere Sachen, die am Tag gemacht werden. Den größten Teil nimmt das Training ein. Vor und nach dem Training und in den Pausen – kuscheln mit Sasuke. Diese drei Sachen sind zum Alltag geworden.
Das Training ist hart, doch hilft es. Ich merke, dass ich immer besser werde. Am Anfang konnte ich überhaupt nicht mit Shun mithalten. Nach zwei Minuten war ich besiegt, doch jetzt halte ich einige Zeit durch. Bin jetzt gleich stark wie Sasuke.
„Lass uns für heute aufhören“, sagt Sasuke und ich nicke. Fast den ganzen Tag haben wir trainiert, jetzt bin ich erschöpft.
„Weißt du, wo Itachi und Shun sind?“, frage ich meinen Freund, als wir ins Haus treten und einer der Angestellten uns jeweils eine Flasche Wasser in die Hand drückt.
„Keine Ahnung. Wollen wahrscheinlich alleine sein“, antwortet Sasuke auf meine Frage. Wir betreten den ersten Stock und ich folge ihn auf unser Zimmer. Sehe, wie Sasuke dort Klamotten für uns aus dem Schrank holt. Das wundert mich. Seit wann holt er auch für mich etwas raus. Bis jetzt hat er mir die Entscheidung überlassen, was ich anziehe. Ist doch egal. Er wird schon seine Gründe haben.
„Kommst du mit duschen?“, fragt er und ich nicke. Seit wir hier sind, duschen wir auch gemeinsam.