15.09.2019
Erinnerung, schön wie ein Traum
Der Tisch war sorgfältig eingedeckt, frische Blumen in einer Vase arrangiert und ein exquisiter Tropfen kalt gestellt. Maximilian machte die Stereoanlage an. Klassik war nicht sein Ding, er mochte Jazz. Aber Eleonore liebte diese Musik und alles sollte so sein, wie sie es gerne hatte.
Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er zum letzten Mal so nervös gewesen war. Heute war der Abend, an dem er ihr die alles entscheidende Frage stellen wollte. Dessen war er sich so sicher, wie noch nie in seinem Leben. Nach zwölf Jahren war es Zeit.
Als er ihren Wagen in der Einfahrt hörte, atmete er tief durch, entzündete die Kerzen und öffnete die Tür.
Etwas war anders. Die ganze Atmosphäre! Im Haus duftete es sogar nach Essen. Hatte sie etwas vergessen? Einen Jahrestag? Geburtstag? Nein. Sicher nicht. Hatten sie Gäste? Gab es einen besonderen Anlass? War er befördert worden? Schon wieder?
Maximilian nahm der schönen Frau verlegen lächelnd Mantel und Tasche ab, ergriff ihre zarte Hand, führte sie galant ins Esszimmer und bat sie Platz zu nehmen. Leise Musik, indirektes Licht, ein Strauß Lilien. Die liebte sie! Routiniert öffnete der Mann den Champagner, schenkte zwei Gläser ein und reichte ihr eines.
Oh, bitte ... er würde doch nicht etwa? Jetzt?! Ihr Herz schlug so wahnsinnig schnell! Sie musste sich unbedingt beruhigen.
"Eleonore", räusperte er sich.
"Oh mein Gott", flüsterte sie.
Er würde das durchziehen. Er hatte es sich reiflich überlegt, einen angemessenen Rahmen geschaffen und dies war der perfekte Augenblick. Wer hätte gedacht, dass es so weit kommen würde? Damals? Am Anfang? Erinnerungen, schön wie ein Traum. "Eleonore, willst du ... dich von mir scheiden lassen?"
"Ja!" Sie sprang auf und fiel ihm um den Hals. "Ja, oh ja, ich will!"
Zutiefst erleichtert ließ die Frau sich wieder auf ihren Sessel sinken. Hätte er nicht gefragt, sie hätte es ihrerseits in sehr naher Zukunft getan. Dennoch galt es einiges zu klären. "Wir haben gewartet bis meine Mutter gestorben ist, ehe wir geheiratet haben. Sollten wir nicht warten bis deine Mutter stirbt, bevor wir uns trennen?", überlegte Eleonore.
"Das ist nett. Aber ich kann es nicht", seufzte er. "Nachdem Mama vor vier Jahren an Krebs erkrankt ist, ..."
"Ja, da hatte ich auch Hoffnung. Leider hat sie sich erholt."
"Du hasst sie, nicht wahr?"
"Mit ein bisschen Glück, bringt sie diese Nachricht um. So streng katholisch wie meine liebe Schwiegermutter ist, stehen die Chancen nicht schlecht."
"Endlich kannst du ehrlich sein. Es steht dir. Wie dem auch sei. Im Moment ist sie bei bester Gesundheit und kann noch dreißig Jahre leben. Aber ich fürchte, so lange kann ich nicht warten. Ich ertrage dich keine sechs Monate mehr."
"Ich dich auch nicht. Wenn ich nur darüber nachdenke, dass wir zusammen alt werden könnten, wird mir schlecht. Es reicht schon, mir dich mit einer Glatze vorzustellen. In deiner Familie werden alle Männer kahl", setzte sie erklärend nach.
"Und in deiner alle Frauen fett. Weißt du, manchmal überlege ich vorne an der Kreuzung, einfach geradeaus weiter zu fahren. Nur um nicht nach Hause zu kommen und dann in dein überhebliches Gesicht sehen zu müssen. Allein für die Art wie du Obstsalat ist, möchte ich dich töten."
Eleonore stocherte immer eine Ewigkeit angeekelt in der Schüssel herum. Wenn die Frau Trauben nicht mochte, warum tat sie sie dann hinein?!
"Ich weiß, was du meinst. Glaub mir.", nickte sie. "Mir geht es mit dir genauso. Jedesmal wenn ich dich an deinen Modellflugzeugen basteln sehe."
Konnte der Mann sich kein Hobby suchen, wie andere auch? Eines für Erwachsene? Musste er sogar in seiner Freizeit noch zuhause hocken? Das tat er sicher nur, um ihr auf die Nerven zu gehen! Eleonore nahm einen Bissen von dem Auflauf. "Das schmeckt furchtbar. Du kannst nicht kochen."
"Da haben wir am Ende ja doch noch eine Gemeinsamkeit entdeckt!"
"Wer hätte das gedacht?"
Lachend erhoben beide ihre Gläser.