11.08.19 von 18:03 bis 19:03
Eine frisch angezündete zwischen den Lippen warf er einen Blick auf die Topfpflanze, die für ihn auf dem Küchentisch hinterlassen worden war. Ein Kärtchen lag daneben, dem er aber keine Aufmerksamkeit schenkte.
Er ahnte, was drauf stand. Schon am gestrigen Abend hatte er gewusst, dass sich etwas geändert hatte, als er seine Tür für seinen Beau öffnete. Julien hatte mit einem seligen Lächeln auf den Topf in seinen Händen geschaut, bis ihm bewusst gewesen war, dass er beobachtet wurde. Der Ausdruck verflog so schnell, dass man hätte meinen können, der wäre nie da gewesen, aber er wusste es besser. Und er kannte Julien lange genug, um zu wissen, wann der Blondschopf sich Hals über Kopf verliebte. Nur warum musste es ausgerechnet ihn treffen?
Es war für ihn in Ordnung gewesen, wenn Julien ihn immer dann aufsuchte, wenn dessen Beziehungen ihr jähes Ende fanden. Er hatte es ihm ja aus freien Stücken angeboten, weil es seiner Meinung nach besser war, wenn sein Freund ihn zur Bewältigung des Trennungsschmerzes benutzte statt sich durch fremde Betten zu vögeln. Er war davon ausgegangen, dass Julien sich nie der Vorstellung hingab, sie beide könnten je etwas anderes als Freunde mit gewissen Vorzügen sein. Das war schlichtweg unmöglich.
Ihm fehlte jegliches Interesse an festen Beziehungen. Er hatte es mehrmals versucht und sich schließlich damit abgefunden, dass so was nicht für ihn bestimmt war. Jetzt stand da eine verdammte Topfpflanze auf seinem Tisch, die eindeutig ein Liebesbeweis von Julien darstellte.
»Schöne scheiße«, murrte er und lehnte den Kopf gegen die Tür des Kühlschranks. Er hätte ihn nicht reinlassen sollen. Nicht mit Julien kochen, und nicht dessen alltäglichen Wahnsinn auf Arbeit lauschen sollen, aber er hatte ihn auch nicht fortgeschickt, obwohl er es doch besser wusste. Spätestens, als der Blondschopf im Eifer des Gefechts die drei schlimmsten Worte gestammelt hatte, hätte er die Notbremse ziehen sollen.
»Hätte, hätte, Fahrradkette ... Vollidiot.«
Jetzt war es eh zu spät. Früher oder später würde Julien wissen wollen, ob die Gefühle erwidert wurden und er hatte keinen Plan, wie es ihm am besten gelang, seinen Freund am wenigsten zu verletzen.
Sich über die Stirn reibend, wandte er sich der Pflanze zu. Er nahm das Kärtchen zur Hand, um Juliens Nachricht zu lesen.
Herbstzeitlose. Ich denke, sie passt ganz gut in deine Wohnung, wenn du auf sie acht gibst.
»Da kennst du meinen grünen Daumen aber schlecht.«
Es gab nicht ohne Grund, kein weiteres Lebewesen in dieser Wohnung. Julien verschenkte für gewöhnlich nicht einfach irgendwelche Pflanzen. Sie hatten immer eine bestimmte Bedeutung und so ungern er es sich eingestand, wollte er wissen, was der Blondschopf in ihm sah.
Als er seinen Laptop hochfuhr, um im Internet zu recherchieren, wünschte ihm Julien einen guten Morgen via Whatsapp. Sekundenlang starrte er auf den Bildschirm, die Finger bereit, eine Antwort zu tippen, wie er es sonst immer tat. Heute legte er es beiseite.
»Du bist ein hoffnungsloser Fall.«
Oder ein Mörder, denn, was er zur Herbstzeitlosen fand, gefiel ihm so gar nicht. Wenn Julien ihm ans Leder wollte, empfahl er ihm einen Löffel.
Seufzend schnappte er sich doch das Handy.
Wir sollten uns eine Weile nicht sehen. Danke für das grüne Gift.
Sie brauchten unbedingt eine Auszeit und die würde er ihnen verschaffen, egal, ob sich seine Kehle gerade zuschnürte, weil es heute Abend kein gemeinsames Essen und Einschlafen gäbe. Ohne Julien fühlte sich das Bett immer viel zu leer an.
Es tut mir leid, schickte er hinterher, bevor er das Handy ausschaltete.
»Du bedeutest mir wirklich viel, aber ...«
Das mit ihm führte nur in eine Sackgasse. Julien verdiente so viel mehr als das, nur wusste sein Freund das noch nicht.
Wenn der Blondschopf vor seiner Tür erschien, würde er um seinetwillen nicht öffnen, wie er gestern Abend schon hätte tun sollen.
Hätte, hätte ... Fahrradkette.