12.01.20 von 19:20 bis 20:20
»Jack ist gelandet.«
Im wahrsten Sinne des Wortes und ich hoffte, niemand bemerkte die Gestalt dort oben auf dem Dach. Mein Glas reichte ich weiter an meinen besten Freund, der zugleich der Veranstalter dieser Feier war.
»Dann werde ich mich mal um ihn kümmern. Als Trauzeuge ist das ja quasi meine Pflicht.«
Außerdem wusste ich, dass sich Peter schwer damit tat, Jack gegenüberzutreten. Er würde wohl in Tränen ausbrechen, weil er sich schuldig fühlte, dass er Jacks Gefühle nicht erwiderte.
»Das musst du nicht. Ich kann ...«
»Schon okay«, unterbrach ich ihn, schob ihn in Richtung seiner Verlobten, die am anderen Ende des Gartens in ein Gespräch mit seinen Eltern verwickelt war. Er sollte sich Gedanken um die Zukunft machen. Seine Verlobte sah viel zu bezaubernd aus in ihrem grünen Seidenkleid, um von ihm ignoriert zu werden.
»Aber ...«
»Nichts aber. Ich komm mit Jack schon klar.«
Mein ganzes Leben lang war ich darauf vorbereitet worden, mit Typen wie Jack fertig zu werden. Wenn einer hier die Sache ohne große Komplikationen über die Bühne brachte, war ich das. Mich konnte er nicht derart um den Finger wickeln wie Peter.
Ich behielt meinen besten Freund so lange im Auge, bis seine baldige Ehefrau ihn am Arm zu sich zog. Sie würde ihn an diesem Abend nicht mehr gehen lassen, sodass ich mich beruhigt um Jack kümmern konnte.
Er saß neben einem der Wasserspeier auf dem Dach und sah mit düsteren Blick hinunter. Seine Krawatte hing ihm locker um den Hals, während das schwarze Jackett am Boden lag. Jack hatte wohl gemerkt, dass er umsonst gekommen war.
»Ein schönes Paar, nicht?«
Ich stützte meine Arme auf die Plattform, auf der der Wasserspeier stand und genoss den Anblick der Traube, die sich inzwischen um das Pärchen gebildet hatte. Den glücklichen Gesichtsausdruck aller musste ich von hier oben aus nicht einmal sehen, um zu wissen, dass er da war.
»Liebt er sie?«
Darüber musste ich nicht lange nachdenken. Ich lächelte ihn von der Seite an, während ich nickte.
»Von ganzen Herzen. Sie ist die Eine, nach der er immer gesucht hat. Sie wird ihn glücklich machen.«
Jack schluckte und zog sich zurück in die dunkelste Ecke des Daches. Er rieb sich über den Nacken und begann von einem Ende zum Anderen zu tigern. In gewisser Art tat er mir leid, weil er anscheinend nicht loslassen konnte oder wollte.
Mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete ich ihn, und wartete. Als er innehielt und mich mit seinem Blick fixierte, spannte ich mich an. Ich müsste es nicht tun, weil seine Fähigkeit an mir so oder so abprallte, aber diese Reaktion war unvermeidbar. Reiner Schutzmechanismus.
Ich zuckte auch nicht zurück, als er mir so nahekam, dass ich den goldenen Schimmer um seine Iris herum in all seinen Facetten bewundern konnte. Er roch nach Minze und Zitrone, obwohl wir beide wussten, dass Peter recht allergisch darauf reagierte. Ich wiederum fand ihn unwiderstehlich.
»Warum bist du hier?«, kam mir mit einem deplatzierten Zittern in der Stimme, der Jack zum Lächeln brachte. Mein Herz schnellte ebenfalls in meiner Brust. So immun gegen ihn war ich immer noch nicht, wie ich es mir gern vormachte.
»Keiner von euch hat mich eingeladen. Ein Anruf war wohl zu viel verlangt, hm?«
»Ich habe Peter davon abgeraten.«
Warum ich das getan hatte, musste ich ihm bestimmt nicht erklären.
»Verstehe. Und du bist wohl immer noch sauer auf mich, weil ich diese sieben Minuten deine Schwäche ausgenutzt habe.«
Während er mir das in Erinnerung zurückrief, was vor drei Jahren zwischen uns geschehen war, schob er meinen Hemdkragen hinunter. Dort, wo noch immer die punktförmigen Narben seines Bisses gut sichtbar für alle waren. Die ich, so gut es ging, zu verstecken versuchte – auch vor Peter.
Wie damals hielt ich ihm nicht davon ab, meinen Hals mit Küssen zu bedecken. Er tat es nur, um mich zu verunsichern. In seiner Vorstellung stellte er das mit Peter an und ... ich blieb wohl auf ewig derjenige, der zwischen ihnen als Puffer diente. Vermutlich, weil ein Teil von mir darauf hoffte, dass Jack mich endlich sah.